Zeliha Ç. zentraler Vorwurf: Weil sie kein Kopftuch mehr tragen wollte, sei es für sie nicht mehr möglich gewesen, als Islamlehrerin zu arbeiten.
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Weil sie ihr Kopftuch ablegte, soll Zeliha Ç. von ihrem Arbeitgeber – der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) – unter Druck gesetzt worden sein. Zumindest ist das der Vorwurf, wegen dem die ehemalige Islamlehrerin jene Institution klagt, die in Österreich für die Entsendung von Islamlehrenden an öffentlichen Schulen verantwortlich ist. Ç., die 2009 begann, als Islamlehrerin zu arbeiten, wirft der IGGÖ vor, sie zum Tragen des Hijab gedrängt zu haben. Die Glaubensgemeinschaft habe sie ermahnt, weil sie sich weigerte, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Ihr sei mit einer Kündigung gedroht worden, sowie damit, in eine andere Schule außerhalb von Wien versetzt zu werden.

Als Islamlehrerin sei sie deswegen nicht mehr tätig – heute hat sie den Job gewechselt und arbeitet als Volksschullehrerin. Und: Sie hat die IGGÖ wegen Diskriminierung und Verdienstentgangs geklagt. Vor dem Arbeits- und Sozialgericht in Wien fordert sie nun 60.000 Euro Schadenersatz. Ihr gehe es primär um "Selbstbestimmung" als Frau. Die IGGÖ streitet die Vorwürfe ab, das Ablegen des Kopftuchs sei kein Grund für eine Kündigung gewesen.

Beim Prozess am Dienstag war unter anderem Ibrahim Olgun, ehemaliger Präsident und Fachinspektor der IGGÖ, als Zeuge geladen. Fachinspektoren werden von der Glaubensgemeinschaft eingesetzt, um die Arbeit von Lehrenden zu kontrollieren. Ç.s Fachinspektor soll derjenige gewesen sein, der sie unter Druck gesetzt habe.

"Erforderlich, mit Kopftuch zu erscheinen"

Auf Fragen des Richters erklärte Olgun, der nicht direkt für Ç. zuständig war, dass von einer Religionslehrerin zu erwarten sei, dass sie die Glaubenslehre einhält – und dies auch kontrolliert werde. "Dazu gehört bei einer Frau, dass sie das Kopftuch trägt", sagte er. Daher sei es "aus meiner Sicht sehr wohl erforderlich, im Unterricht mit Kopftuch zu erscheinen". Im privaten Bereich sei der Verzicht auf Stoff hingegen "kein Problem", man könne "nicht alle beobachten". Halte eine Lehrerin diese Regelung nicht ein, würde er als Fachinspektor das Gespräch suchen – und bei weiterer Verweigerung die Schulamtsleitung der IGGÖ kontaktieren. Diese könnte wiederum Kündigungen aussprechen.

Olgun warf Ç. zudem vor, 2018 in einem Zeitungsinterview über ihre Erleichterung nach dem Ablegen des Kopftuchs berichtet zu haben. Ç. hatte in dem Medienbericht unter anderem kritisch angemerkt, dass das Kopftuch Frauen nicht schütze. Diese Aussage sei ein Verstoß gegen die Glaubenslehre – unabhängig davon, dass Ç. in dem Interview nicht angab, dass sie als Islamlehrerin tätig war. Daher habe Olgun damals in seiner Funktion als IGGÖ-Präsident den für Ç. verantwortlichen Fachinspektor dazu aufgefordert, ein Dienstgespräch mit ihr zu führen. Laut Ç. Angaben soll dieser sie bei einem Treffen im März 2019 dazu gedrängt zu haben, ihre "Fehler" zu korrigieren – sprich: das Kopftuch wieder anzulegen.

IGGÖ-Präsident habe nichts mitbekommen

Olgun war bis 2018 Präsident der IGGÖ und wurde dann durch den Juristen Ümit Vural ersetzt. Dieser hatte bei einem vorhergehenden Prozesstermin beteuert, dass er die Vorgänge rund um Ç. nicht mitbekommen habe. Er sei damals nicht in das Thema Lehrerbestellungen involviert gewesen.

Olgun und eine weitere Zeugin erläuterten am Dienstag, wie Religionslehrende zu unbefristeten Anstellungen der Republik gelangen und welche Rolle die Glaubensgemeinschaft selbst spielt. Die Mitarbeiter der IGGÖ geben an, dass dabei die Einschätzung der jeweiligen Schuldirektion – mit der Ç. im Konflikt stand – eine große Rolle spiele. Der Direktor der Schule, an der Ç. arbeitete, sagte bei seiner Zeugenvernehmung hingegen aus, noch nie zuvor in einen solchen Prozess involviert worden zu sein. Laut den Inspektoren der IGGÖ sei dies allerdings gängige Praxis.

Ein Urteil gab es am Dienstag nicht. Der nächste Prozesstermin ist Anfang kommenden Jahres vorgesehen. Ein weiterer Zeuge soll befragt werden. (Muzayen Al-Youssef, 11.10.2023)