Birke
Die in der Volksheilkunde seit langem behaupteten positiven Eigenschaften von Baumrinde etwa bei der Wundheilung konnten mittlerweile auch wissenschaftlich bestätigt werden.
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Bäume bilden in ihrer Rinde eine Reihe von Substanzen aus, die sie vor Pilzbefall und anderen Krankheitserregern und mikrobiellen Eindringlingen schützen. Menschen haben schon früh einen Weg gefunden, diese Stoffe auch in den Dienst ihrer eigenen Gesundheit zu stellen. Baumrinde hat eine lange Tradition in der Volksheilkunde. Eichenrinde soll etwa bereits in der Antike genutzt worden sein, um Durchfall und Juckreiz zu behandeln, und wird auch heute noch in Form von Extrakten in der Pflege eingesetzt. Auch Birkenrinde hat eine mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung in der Wundheilung. Ein Medikament aus dem Naturstoff wird etwa bereits genutzt, um einer Blasenbildung der extrem empfindlichen Haut von Schmetterlingskindern entgegenzuwirken.

Wissenschaftstreibende der Fachhochschule Salzburg haben im Projekt OxiWoundWood die Forschung in diesem Feld aufgegriffen. Sie wollen prüfen, ob und wie Baumrinde auf breiterer Basis in Kosmetik und Pharmazie eingesetzt werden kann. Das Ziel ist, einen eigenen Forschungsbereich zu etablieren, der sich mit Wirkstoffen aus natürlichen Ressourcen auseinandersetzt. Dem Projekt gehen bereits länger zurückliegende Untersuchungen an der FH voraus, bei denen etwa Schneidebretter aus Holz und Kunststoff für Fleischhauer in Bezug auf ihr antimikrobielles Verhalten verglichen wurden. Bei diesen Untersuchungen konnte bestätigt werden, dass in dieser Hinsicht die Holzbretter eindeutig die besseren Eigenschaften haben.

Der Schutz der Rinde

"Baumrinden beinhalten sogenannte phenolische Substanzen, die die Bäume vor schädlichen Mikroorganismen schützen. Es hat sich gezeigt, dass diese Stoffe auch im menschlichen Organismus einen Effekt haben können. Sie wirken nicht nur antimikrobiell, sondern auch antioxidativ und entzündungshemmend", erklärt Anja Schuster, Senior Researcher am Department Gesundheitswissenschaften der FH Salzburg und Projektleiterin von OxiWoundWood.

Birke Wald
Birkenrinde hat viele antioxidative Heilstoffe, wie Experimente zeigen.
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In dem noch bis 2024 laufenden Projekt geht es darum, eine Reihe von europäischen Baumarten systematisch auf diese Wirkungen zu untersuchen. Dazu gehören Buche, Birke, Kiefer, Eiche, Erle und die – oft strauchartige – Traubenkirsche.

Bei der Extraktion der Baumrinden arbeiten die Gesundheitswissenschafter mit Fachleuten des Forschungsbereichs Holz- und biogene Technologien der FH Salzburg zusammen. "Wir trennen die verschiedenen Inhaltsstoffe nicht, sondern verwenden den gesamten Extrakt", erläutert Schuster. "Die Rinde wird zu feinen Partikeln vermahlen und in Wasser als Lösungsmittel über mehrere Zyklen angereichert." Die Rindenextrakte werden dann in verschiedenen Versuchen auf ihre Wirkungen hin untersucht.

Hilfreiche Signalmoleküle

Beispielsweise werden Wunden anhand von humanen Zellkulturen nachgestellt. Bei diesen Tests wird überprüft, wie schnell eine Öffnung in einer Schicht von Zellen "zuwuchert", sowohl mit als auch ohne Beigabe der Rindenextrakte. Bestehende Forschungsergebnisse zur Birkenrinde wurden damit bestätigt. "Mit den Extrakten fand eine signifikante Beschleunigung der Wundschließung in den Zellkulturen statt", sagt Schuster.

Über den dahinterstehenden Mechanismus ist laut der Molekularbiologin noch wenig bekannt. Bisherige Erkenntnisse in der Forschungsliteratur weisen auf eine Anregung der Genexpression hin: Bestimmte Signalmoleküle, die die Mobilität der Zellen fördern, könnten im verstärkten Maß ausgebildet werden. Neben dem antioxidativen Wirkmechanismus, der bei einer Reihe von Pflanzenextrakten schon gut belegt ist, analysieren die FH-Forschenden auch die antimikrobielle Wirkung genauer. Dabei wird in den Zellkulturen untersucht, ob die Extrakte das Wachstum der Bakterien hemmen können. Unter anderem nutzt man hierfür Staphylococcus aureus, das bekannt dafür ist, eine multiple Resistenz gegen Antibiotika ausbilden zu können.

Ergänzende Wirkung

Für Therapien in diesem Bereich wäre es ein großer Gewinn, wenn Antibiotika und Medikamente aus Naturwirkstoffen einander ergänzen könnten, um die Ausbildung multiresistenter Keime zu bremsen. Ein Ergebnis der Forschungen ist, dass sogenannte grampositive Bakterien sich gut durch die Rindenextrakte hemmen lassen, erklärt Schuster. Zu dieser Kategorie, zu der eben auch Staphylococcus aureus gehört, ist die Zellwand in anderer Weise ausgebildet als bei gramnegativen Erregern, bei denen kaum ein Effekt der Rinde zu verzeichnen ist.

Eiche Borke
Eichenrinde eignet sich gut für die Wundheilung.
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Zu den bisherigen Ergebnissen des Projekts sagt Schuster, dass grundsätzlich alle getesteten Rindenarten bei jedem der Versuche einen Effekt gezeigt hätten. "Die Rindenarten wirken in den verschiedenen Testgebieten aber unterschiedlich intensiv", erklärt die Molekularbiologin. "Buche und Eiche waren besonders gut bei der Wundheilung. Traubenkirsche, Erle und Birke haben sich bei der antioxidativen Wirkung hervorgetan. Im antimikrobiellen Bereich haben dagegen alle untersuchten Rindenarten sehr gut abgeschnitten."

3D-Modelle statt Tierversuche

Für künftige Entwicklungen sind die Forschenden auf der Suche nach Kooperationspartnern. In einem nächsten Schritt würden dann die Rindenwirkstoffe etwa in 3D-Hautmodellen geprüft werden, die den realen menschlichen Organismus besser abbilden. Tierversuche werden an der FH nicht gemacht und sollen auch im Zuge einer weiteren Entwicklung vermieden werden.

"Am Ende des Entwicklungsprozesses könnte etwa eine Salbe stehen, die antimikrobielle, antioxidative, antiinflammatorische und wundheilungsfördernde Wirkung vereint und als medizinisches Therapeutikum vermarktet wird", erklärt Schuster. Auch kosmetische Anwendungen sind vorstellbar. Diese hätten große Vorteile bezüglich der regulatorischen Anforderungen an den Entwicklungsprozess. Mit einem Hersteller in diesem Bereich führe man bereits Vorgespräche. (Alois Pumhösel, 15.10.2023)