Aquaponik Anlage Andersfarm
Die perfekte Symbiose: Fische profitieren von Pflanzen und umgekehrt.
Peter Neudecker

An Stangen, Rohren und anderen Hilfsvorrichtungen wachsen Salate, Tomaten und anderes Gemüse vertikal in die Höhe. In Wasserbecken tummeln sich Karpfen, Streifenbarsche, Welse und ausgefallenere Fischarten. Da die Pflanzen die von den Fischen erzeugten Schadstoffe filtern, bleibt das Wasser sauber, die Tiere benötigen folglich weniger Medikamente als in einem klassischen Zuchtbetrieb. Das Wachstum der Pflanzen wiederum wird von den Nährstoffen angekurbelt, die durch die Exkremente der Fische erzeugt werden.

Solche Aquaponik-Anlagen, die Aquakultur mit Hydroponik, also die Aufzucht von Fischen in Becken mit der Kultivierung von Nutzpflanzen im Wasser, kombinieren, sind ein vielversprechendes Beispiel dafür, wie die Menschheit sich künftig platzsparender und nachhaltiger versorgen könnte. Damit das Potenzial noch besser ausgeschöpft und der Betrieb vereinfacht werden kann, kommt eine Vielzahl von Sensoren zum Einsatz. Die darüber gesammelten Daten werden mithilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet. Der Überbegriff für diese zukunftsweisende Art der Landwirtschaft, mit der auch in Österreich bereits vereinzelt experimentiert wird, lautet Smart Farming.

Zukunft der Ernährung

Das Thema stand Ende September auch bei der offiziellen Eröffnung eines neuen Forschungsstudios in St. Pölten im Vordergrund. In unmittelbarer Nähe der Fachhochschule befindet sich nun das Zentrum für Smart Digital Industries and Services (SDIS) der Forschungsgesellschaft RSaiA. In diversen nationalen, aber auch europäischen Forschungsprojekten soll ausgelotet werden, wie die industrielle Produktion ins digitale Zeitalter überführt und die dafür notwendigen Technologien in verantwortungsvoller Weise eingesetzt werden können.

Andersfarm Aquaponik-Anlag
In der Aquaponik-Anlage von Andersfarm tummeln sich Speisefische.
Peter Neudecker

Die enge Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft voranzutreiben sei eine wesentliche Überlegung hinter dem neuen Forschungsstudio gewesen, sagte die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei der Eröffnung. Als Fördergeber für das Studio fungiert das Land Niederösterreich, das damit auch den "Technopol"-Standort St. Pölten mit der dort ansässigen Fachhochschule stärken will.

"Künstliche Intelligenz ist künftig aus keinem Themenfeld mehr wegzudenken, weder in der Landwirtschaft noch der produzierenden Industrie oder dem Gesundheitsbereich", sagte Mikl-Leitner. Wo und wie der Einsatz von KI ethisch vertretbar sei, darauf müsse die Politik jedoch Antworten finden.

Neben der Anbindung an die FH St. Pölten und andere universitäre Einrichtungen werden die Forschungsvorhaben am neuen Standort in enger Kooperation mit wirtschaftlichen Partnern umgesetzt. Beim Aquaponik-Projekt Eden, das mit FFG-Forschungsgeldern des Klimaschutzministeriums gefördert wird, arbeitet das Studio etwa mit der Firma Andersfarm zusammen, die derartige Systeme bereits kommerziell vertreibt.

Künstliche Intelligenz optimiert

Im Rahmen des Projekts soll mithilfe von künstlicher Intelligenz herausgefunden werden, wie das System mit weniger Energie für Pumpen und Licht betrieben werden kann, aber auch unter welchen Bedingungen Fische und Pflanzen am besten wachsen. Im Idealfall wertet das System die ständig anfallenden Sensordaten aus und lernt, welche Einstellungen zum optimalen Output führen.

Aber auch Logistikprozesse sollen unterstützt werden, wie SDIS-Studioleiter Stefan Gindl erklärt: "Können anfallende Nährstoffe an einem anderen Ort gebraucht werden? Müssen Abnehmer für vorhandenen Fisch oder Gemüse gefunden werden?"

RSA FG
Christian Hirsch von RSA FG erklärt das Projekt Agrarsense
Andreas Fermitsch

Beim EU-weiten Forschungsprojekt Aims 5.0 wiederum wird mit hydroponischer Indoor-Pflanzenzucht experimentiert. Mithilfe eines Demonstrators wird simuliert, welche Umweltbedingungen für das optimale Wachstum von Pflanzen notwendig sind. KI-Modelle lernen dabei auf Basis von Sensordaten, wie Temperatur, Wind, Wasser, Düngemittel und künstliches Licht – benötigt wird nur das bläulich-rote Spektrum – gesteuert werden müssen und welche Auswirkungen eine entsprechende Anpassung auf Wachstum und Gesundheit der Pflanzen hat. Weitere Sensoren erkennen anhand von Blattverfärbungen, ob die Pflanze von Schädlingen befallen ist und sich in ihrem künstlich geschaffenen Habitat wohlfühlt.

Darüber hinaus soll das System von natürlicher Sprachverarbeitung und mächtigen Sprachmodellen wie ChatGPT profitieren können. "Künftig könnte eine hydroponische Anlage aus existierender botanischer und landwirtschaftlicher Literatur herauslesen, wie welche Pflanzen zu züchten sind. Wenn ich als Landwirt etwas ganz Neues wie Wasabi anbauen möchte, wüsste die Anlage, wie sie optimal eingestellt werden muss", erklärt Gindl. Aber auch die generelle Automatisierung, also das intelligente Ein- und Ausschalten von Licht oder die angepasste Zugabe von Dünger, sei ein Ziel.

Energieeffizienter Betrieb

Ähnliche Fragestellungen will das mit EU-Geldern geförderte Projekt Agrarsense beantworten, das ebenfalls im neuen Forschungsstudio bearbeitet wird. Als Kooperationspartner aus der Industrie fungiert dabei das Unternehmen Smart Greenery, das steuerbare Lichtquellen und Pflanzenfarmen entwickelt und sich auf die Nische Medizinalpflanzen wie CBD-Hanf spezialisiert hat.

Neben den bereits beschriebenen Prozessen, die ein optimales Wachstum der Pflanzen garantieren sollen, geht es bei Agrarsense auch um Skalierungseffekte. Vor allem der Energieaufwand ist bei größeren Anlagen eine Herausforderung. Wenn die durch das Licht erzeugte Wärme auch anderweitig verwendet werden könne, senke das die Produktionskosten und sei auch nachhaltiger, erklärt Gindl.

Dass derartige Hochtechnologiekonzepte schon bald flächendeckend in Österreichs kleinteiliger und traditioneller Landwirtschaft Einzug halten können, mag weit hergeholt erscheinen. Den Projektverantwortlichen und Unternehmenspartnern zufolge geht es bei solchen Anlagen aber genau darum, dass der Betrieb für Anwenderinnen und Anwender einfach sei.

Teilweise können fixfertige Systeme auch für einen begrenzten Zeitraum in einem Container angemietet werden, etwa um eine freie Scheune im Winter zu nutzen. Die komplizierte Arbeit beim Pflanzen- oder gar Fischezüchten sollen künftig intelligente Softwarealgorithmen übernehmen. (Martin Stepanek, 14.10.2023)