Beim Neusiedler See ist es fast so wie beim Fußball und in der Politik. Es gibt eine Reihe von selbsternannten Experten, die genau wissen, was zu tun wäre. Da will der eine mit einem Traktor und einer darauf montierten Pumpe Wasser aus dem Einserkanal in den See heben, der andere das Schilf in Bausch und Bogen abbrennen, der Dritte den Ungarn alle EU-Gelder streichen, wenn diese sich weiterhin weigern, Wasser aus der Mosoni-Donau in den See zu leiten. Die Diskussionen haben ihre Höhepunkte. Etwa dann, wenn der Wasserstand gerade sehr niedrig ist. Weitere Gipfeltreffen gibt es Anfang Oktober und Ende Februar. Das sind die Beginn- und die Endzeiten, in denen im Nationalpark am Neusiedler See gearbeitet werden darf. Der Wasserstand reicht gerade kaum als Aufreger, liegt er doch elf Zentimeter über dem des Vorjahres.

Mehrere Amphibienbagger an Land und im Wasser.
Die neuen Geräte der Seemanagement GmbH nehmen dieser Tage ihren Dienst am Neusiedler See auf.
Guido Gluschitsch

Ungarn bremst bei der Zuleitung

Wie so oft im Leben, ist es auch beim Neusiedler See kompliziert. Nicht einmal die Experten sind sich einig, was richtig und wichtig ist. Während Land Burgenland, Touristiker und Schifffahrt für eine Wasserzuleitung sind, spricht sich der WWF dagegen aus und fürchtet, dass Donauwasser den See endgültig umbringen würde. Bis zu einer Zuleitung von Donauwasser in den Neusiedler See wird aber ohnedies noch viel Wasser die Mur runterrinnen. Denn die Gespräche mit den Ungarn verlaufen nicht einmal mehr schleppend. Das geplante Großprojekt der Ungarn in Fertőrákos steht schon länger still. Nun soll es neu und kleiner konzipiert werden, berichten ungarische Medien. Die Verhandlungen über eine Zuleitung aus Niederösterreich gehen da besser voran – bis zu einem Abschluss wird es aber auch noch dauern, erklärt der dafür zuständige Landesrat Heinrich Dorner (SPÖ).

Ein Mann neben einem Amphibienfahrzeug.
Um die neuen Maschinen zu bedienen, wurden mehrere neue Mitarbeiter angestellt.
Guido Gluschitsch

Auch was das Schilfmanagement angeht, ist noch nicht alles fertig besprochen. Das großflächige Abbrennen von Schilf, das von mehreren Seiten propagiert wird, lässt sich mit den Luftschutzgesetzen nicht vereinbaren. Man suche daher mit dem Umweltschutzministerium nach einem gangbaren Weg, heißt es aus dem Land Burgenland. Wohl begonnen wird aber jetzt schon mit dem Freilegen der Schilfkanäle, dem Beseitigen von Altschilfbestand und dem Schaffen von Brandschutzschneisen. Dafür hat die landeseigene Seemanagement GmbH die ersten Maschinen angeschafft.

Ein Schwimmbagger.
Die großen Baggerschiffe werden zur Beseitigung des Schlamms aus dem See eingesetzt.
Guido Gluschitsch

Sechs neue Maschinen für die Winterarbeiten

Insgesamt nehmen jetzt Anfang Oktober "zwei amphibische Großgeräte und vier amphibische Kleingeräte" ihren Dienst auf, wie Erich Gebhardt, Geschäftsführer der Seemanagement GmbH, erklärt. Wie hoch die Kosten für die Geräte waren, wird nicht kommuniziert, lediglich dass man unter dem geplanten Budget geblieben sei. Mit den Baggern soll nicht nur das Schilf geschnitten und geborgen werden – Arbeiten an Schilfkanälen werden in Donnerskirchen, Purbach, Winden, Gols und in Abstimmung mit dem Nationalpark auch in Apetlon durchgeführt –, sondern auch bis zu 100.000 Kubikmeter Schlamm sollen aus dem See gesaugt werden. Rund 30.000 Kubikmeter davon entstehen jedes Jahr im See, erklärt Gebhardt.

Zwei Amphibienbagger im Gegenlicht.
Die Arbeiten im Naturschutzgebiet dürfen von Anfang Oktober bis Ende Februar dauern. Nur in Neusiedl am See darf bis April gearbeitet werden.
Guido Gluschitsch

Der Anschaffung der Geräte ging die Testphase im Vorjahr voraus, in der bereits 40.000 Kubikmeter Schlamm aus dem See geholt wurden und so getestet werden konnte, welche Maschinen sich für die Arbeiten im See am besten eignen. Nun sei man so weit, im großen Stil mit den Arbeiten loszulegen. Wurden in den Jahren davor ein oder zwei Hafeneinfahrten und -bereiche pro Winter ausgebaggert, werden heuer Arbeiten am ganzen See stattfinden. "Großflächige Entschlammungsmaßnahmen werden in Podersdorf, Rust, Breitenbrunn und Illmitz erfolgen", sagt Gebhardt. Weiden und Mörbisch werden folgen, wenn dort von den Gemeinden die notwendigen Vorarbeiten abgeschlossen sind. Dabei geht es etwa um die Instandsetzung von Schlammabsetzbecken. In diese wird der abgesaugte Schlamm über Schlauchsysteme gepumpt, sodass das Wasser zurück in den See fließen kann. Der Schlamm wird von einem Labor und der Behörde geprüft und dann auf Äcker aufgebracht. "Der Schlamm ist nicht nur ein Dünger", verspricht Dorner, "er erhöht auch den Humusaufbau."

Ein Baggerschiff mit Wasserfontäne.
Heute spuckt der Bagger den abgesaugten Schlamm noch fürs Foto in die Luft. Später wird er über einen Schlauch in Absetzbecken gepumpt.
Guido Gluschitsch

In Oggau, Purbach und Jois werden die Schilfkanäle und deren Ausfahrten instand gehalten, rund um den See Dalbenstraßen erneuert, verlängert und neue Holzpiloten errichtet. Zugleich will man verhindern, dass sich dort wieder schnell neuer Schlamm ansammelt, damit man künftig nicht jedes Jahr an denselben Stellen arbeiten muss. "Wir arbeiten dort, wo es am sinnvollsten ist, um den Tourismus und die Schifffahrt zu erhalten", verspricht Dorner. Auf die Kritik an den Arbeiten reagiert er gelassen: "Ich empfehle jedem, der gegen die Rettung des Neusiedler Sees ist, mit den einzelnen Gemeinden und Stakeholdern zu sprechen", um sich so ein umfassendes Bild der Lage zu verschaffen. "Ich bin überzeugt davon, dass es wichtig und richtig ist, den See zu erhalten", erklärt er. Das Thema der Wasserzufuhr sei zudem nicht neu, seit 20 Jahren würden sich damit Experten befassen, und von deren Studien profitierten die Arbeiten am See. Aber Dorner sagt auch: "Wir nehmen jede Kritik ernst und stimmen uns mit den Behörden und dem Naturschutz ab." (Guido Gluschitsch, 11.10.2023)