Es ist kein Ausreißer, sondern ein Trend. Denn im September ist das schwache Neugeschäft bei Elektroautos auch in der Zulassungsstatistik angekommen. In Österreich kamen mit 4256 Fahrzeugen um fast sieben Prozent weniger Stromer auf die Straßen als im Vorjahresmonat. Noch düsterer sieht es in Deutschland aus, wo das Minus 29 Prozent beträgt – allerdings wurde dort der Abwärtstrend durch das Auslaufen einer Förderung verstärkt. Dennoch, anstatt stetig zu wachsen, geht der Absatz von Autos mit reinem Elektroantrieb zurück. Eine Entwicklung, die sich zunächst auch nicht umkehren wird.

Für Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research, werden nämlich auch die letzten Monate des Jahres "traurig aussehen". Insgesamt erwartet er heuer 440.000 neu zugelassene Elektrofahrzeuge in Deutschland, das sind um fast sieben Prozent weniger als im Jahr davor. Zum Vergleich: Für das von der deutschen Regierung angestrebte Ziel, bis 2030 rund 15 Millionen elektrisch angetriebene Autos auf die Straße zu bringen, wären heuer etwa eine Dreiviertelmillion neu zugelassene Fahrzeuge nötig, also etwa 70 Prozent mehr.

Ziel außer Reichweite

Daraus folgert Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management, dass Deutschland das Langfristziel "bei weitem verfehlen" wird. Er fordert einen "Realitätscheck", die politischen Ziele müssten mit den dazu erforderlichen Maßnahmen in Einklang gebracht werden. Aber wie sollten diese aussehen? Und wo liegen die Probleme, die Private vom Umstieg auf ein Elektrofahrzeug abschrecken?

Ein Kriterium ist der im Vergleich zu Verbrennern höhere Kaufpreis. "Elektroautos kosten gleich viel im Dauerbetrieb", sagt Markus Hagenmaier vom Unternehmensberater Boston Consulting Group. "Aber das hohe Anfangsinvestment schreckt ab." Allerdings kommt ihm zufolge "eine Fülle an neuen Modellen" auf den Markt, das höhere Angebot bei verhaltener Nachfrage dürfte zu Preissenkungen führen. "Dadurch wird das Ganze attraktiver", ergänzt Hagenmaier.

Angebot übersteigt Nachfrage

"Es gibt Besorgnis bei den Händlern", sagt Günther Kerle, Wirtschaftskammerobmann des Fahrzeughandels und Vorsitzender des Arbeitskreises der Automobilimporteure. Das Angebot an Elektrofahrzeugen sei größer, als es die Nachfrage zulasse, niemand habe erwartet, dass sich die Absatzzahlen rückläufig entwickeln. Nicht nur in Österreich, in ganz Europa stockt der Hochlauf der Elektromobilität Kerle zufolge bei einem Anteil von 15 bis 20 Prozent am Neugeschäft.

Einige Elektrofahrzeuge laden an öffentlichen Stationen.
Der Ausbau der Ladestationen darf nicht in Stocken geraten, zudem schreckt der Wildwuchs bei den Kosten viele potenzielle Kunden von Elektrofahrzeugen ab.
IMAGO/Jochen Eckel

Er erwartet, dass es – wie derzeit schon bei Verbrennern – in ein bis zwei Jahren auch bei Elektroautos Angebote um 25.000 Euro oder darunter geben wird. Das wäre auch für Boston-Consulting-Experte Hagenmaier ein preislicher Meilenstein, denn: "Ungefähr 25.000 Euro sind die Grenze bei Elektroautos für Massentauglichkeit." Jedoch müsse man dafür abgespeckte Batterien, also geringere Reichweite, in Kauf nehmen. Allerdings: Die meisten Menschen würden gar nicht mehrere Hundert Kilometer Reichweite benötigen, da sie im Durchschnitt nur 30 Kilometer am Tag zurücklegen.

Mehr Ladestationen

Den Aufbau öffentlicher Ladestationen in Österreich stuft Hagenmaier derzeit als ausreichend ein, betont allerdings: "Man darf nicht Tempo verlieren, der Ausbau ist noch lange nicht am Ziel." Das sieht auch Kerle so, besonders wenn Elektroautos im Massenmarkt angekommen sind, wo Private über viel weniger eigene Lademöglichkeiten verfügen, verglichen mit den bisherigen Käuferschichten. Dann drohten Engpässe.

Beide Experten kritisieren den derzeitigen preislichen Wildwuchs bei den Ladestationen, der von Elektrofahrzeugen abschrecke, sehen aber Anzeichen einer Besserung. "Österreich muss für Preistransparenz sorgen", fordert Kerle. Eigentlich sei die EU am Zug – ähnlich wie früher bei den Roaminggebühren im Mobilfunk –, auch den Markt für Ladestationen entsprechend zu regulieren.

Mehr Anreize

Aber eines ist für ihn klar: Das allein wird nicht ausreichen, um den Absatz von Elektrofahrzeugen wieder auf Schiene zu bekommen. Dazu brauche es mehr finanzielle Anreize wie Kaufprämien. "Derzeit gibt es nur Unterstützung für Privatkunden – und da stagniert der Markt trotzdem", sagt Kerle.

Zudem kritisiert er, dass bei sinnvollen Förderungen das Budget viel zu klein sei. Ein Beispiel: In Deutschland waren im September die für heuer vorgesehenen 300 Millionen Euro für ein Förderprogramm für das Laden von Elektroautos mit Solarstrom vom eigenen Dach innerhalb von 24 Stunden vergeben. Alle anderen müssen bis nächstes Jahr warten, in dem nach bisherigem Stand nur weitere 200 Millionen zur Verfügung stehen. "Das wird viele frustrieren, die nichts bekommen", sagt Kerle über die schmalen finanziellen Töpfe.

Davon abgesehen wird es für europäische Hersteller zukünftig härter, denn sie bekommen es zunehmend mit Mitbewerb aus China zu tun – eine Konkurrenz, die Hagenmaier zufolge "mit Sicherheit ernst zu nehmen ist". Der Wettbewerb werde zunehmen, bevor sich der Markt wieder bereinige. "Man muss sich auf eine harte Zeit einstellen", richtet der Experte den europäischen Erzeugern aus. "Aber es gibt Hoffnung." (Alexander Hahn, 12.10.2023)