Stellen Sie sich vor, Sie bestellen eine Pizza Margherita, und der Ober kommt zurück mit einem Sackerl Mehl und dem Hinweis, dass es leider kein Wasser, keine Tomaten, keinen Käse und auch keine Gewürze mehr gibt. So haben sich wahrscheinlich manche gefühlt, als sie den am 6. Oktober von der Regierung vorgelegten Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes gelesen haben.

Proaktive Veröffentlichung

Wird der Entwurf zum Gesetz, müssen Behörden und Gerichte in Zukunft alle Informationen im Internet veröffentlichen, die von allgemeinem Interesse sind. Solche Informationen müssen außerdem über ein strukturiertes Register mittels Beschlagwortung zugänglich gemacht werden. Ein allgemeines Interesse besteht laut Entwurf nur bei Informationen, die für einen größeren Personenkreis relevant sind. Ein Bescheid an eine Einzelperson zählt daher nicht dazu.

Als Beispiele proaktiv zu veröffentlichender Informationen führt die Regierung amtliche Statistiken oder eingeholte Studien an. Hätte diese Veröffentlichungspflicht bereits vor einigen Jahren bestanden, wäre womöglich nie auf Kosten des Steuerzahlers untersucht worden, welche:r Politiker:in welchem Tier entspricht. Die Veröffentlichungspflicht ist daher ohne Zweifel ein richtiger Schritt in eine transparentere Zukunft.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) stehen an einem Pult
Am 5. Oktober stellten Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) das Informationsfreiheitsgesetz vor. Wie sehr es für Transparenz sorgen wird, ist aber noch offen.
IMAGO/Martin Juen

Weniger einleuchtend erscheinen aber die vielen Ausnahmen, die mitunter sehr weitreichend formuliert wurden. Viel diskutiert wurde bereits über die Ausnahme für Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohner:innen. Entscheidend ist dabei die letzte Volkszählung. In der Regierungsvorlage heißt es zu dieser Ausnahme, dass damit die Leistungsfähigkeit kleinerer Gemeinden insbesondere in technischer Hinsicht erhalten werden soll.

Fakt ist, dass mit der Ausnahmeregelung der überwiegende Anteil der Gemeinden in Österreich nichts veröffentlichen muss. Wer schon einmal ein Grundstück umwidmen lassen wollte, konnte sich vielleicht einen Eindruck von der Kompetenz und Machtfülle der Kommunalpolitik machen. Manche werden sich da fragen, ob es nicht vernünftiger gewesen wäre, den Gemeinden Mittel zur Aufrechterhaltung ihrer Leistungsfähigkeit in die Hand zu geben, anstatt sie gänzlich von der Veröffentlichungspflicht auszunehmen. Neben vielen mehr oder weniger selbsterklärenden Ausnahmen – etwa zur Wahrung der nationalen Sicherheit – sticht eine Ausnahmeregelung ganz besonders hervor. Sie soll zugunsten einer "unbeeinträchtigten Vorbereitung von Entscheidungen" greifen.

Im Endeffekt ist aber jede Handlung einer Behörde oder eines Gerichts auf das Treffen von Entscheidungen ausgerichtet. Das bedeutet, dass alles, was vor einer Entscheidung passiert, letztlich der Vorbereitung von Entscheidungen dient. Es wäre auch nachvollziehbar, wenn sich eine Behörde durch eine öffentliche Diskussion ihrer Entscheidungsgrundlagen beim Finden ihrer Entscheidung mehr oder weniger "beeinträchtigt" fühlt. Daher lässt sich fast alles, was in einem Amtsgebäude passiert, irgendwie in diesen Ausnahmetatbestand hineinargumentieren.

Recht auf Zugang zu Information

Transparenz soll aber nicht nur durch die erwähnte proaktive Veröffentlichungspflicht, sondern auch dadurch hergestellt werden, dass jedem:r ein individuelles Recht auf Zugang zu Informationen gegeben wird. Der Entwurf versteht dabei jede Aufzeichnung als Information, und zwar unabhängig davon, ob sie für einen größeren Personenkreis relevant ist oder nicht. Berechtigt sind nicht nur Staats- oder Unionsbürger:innen, sondern jeder Mensch – unabhängig von Herkunft und Staatsangehörigkeit.

Das Recht besteht auch gegenüber Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohner:innen, was der Vizekanzler in Verteidigung der erwähnten Ausnahme der Veröffentlichungspflicht immer wieder betonte. Zur Information verpflichtet sind auch staatsnahe Unternehmen, soweit die Öffentlichkeit mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Diese können sich aber, und das ist wohl eine sinnvolle Ausnahme, auf Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse berufen. Besonders spannend wird das Recht auf Information für Journalist:innen sein, deren Wichtigkeit für die Gesellschaft die Regierungsvorlage ausdrücklich betont. Auch die Medienbranche wird sich aber vermutlich auf eine sehr großzügige Handhabung des Ausnahmenkatalogs einstellen müssen.

Eine wichtige und auch nachvollziehbare Ausnahme betrifft natürlich das Grundrecht auf Datenschutz. Wo Zugang zu Informationen begehrt wird, die als personenbezogene Daten von jemandem gelten, schreibt der Entwurf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor. Die Person, um deren Daten es geht, ist "nach Möglichkeit" einzubeziehen, und ihre Daten sind so weit wie möglich zu schützen. Außerdem steht ihr der Weg zur Datenschutzbehörde frei, wenn sie findet, dass ihre personenbezogenen Daten nicht hätten weitergegeben werden dürfen.

Aufgaben der Datenschutzbehörde

Ob die Datenschutzbehörde über solche Beschwerden unbefangen entscheiden kann, wird man genau beobachten müssen. Die Datenschutzbehörde soll künftig nicht nur Beschwerden von Personen bearbeiten, deren Daten durch die Offenlegung betroffen sind. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll die Datenschutzbehörde auch alle auskunftspflichtigen Behörden, Gerichte und staatsnahen Unternehmen bei der Offenlegung von Informationen nach dem neuen Gesetz beraten. Interessenkonflikte sind programmiert.

Die Datenschutzbehörde verfügt mit Sicherheit über sehr gute Jurist:innen. Allerdings beschäftigen sich die eben mit dem Schutz von Informationen. Zu überlegen wäre daher, ob man mit dem begrifflichen Gegenteil, nämlich der Offenlegung von Informationen, nicht lieber eine eigene Behörde betraut.

Der Entwurf ist wohl ein Schritt weg von Metternich und ein kleiner Schritt in Richtung Informationsfreiheit. Radical Transparency sieht aber anders aus. (Lukas Feiler, Maximilian Raschhofer, 16.10.2023)