Traktor auf Feld
Herbizide werden auf einem Feld ausgebracht.
IMAGO/Martin Wagner

Wien/Brüssel – Knalleffekt im Ringen um Glyphosat: Die Europäische Kommission erhielt am Freitag keine ausreichende Zustimmung der EU-Länder für eine erneute Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters. Bei einer Abstimmung von Vertretern der EU-Staaten gab es keine qualifizierte Mehrheit dafür, dass das Herbizid weitere zehn Jahre eingesetzt werden darf. Die Kommission hatte im September einen entsprechenden Vorschlag veröffentlicht.

Für eine qualifizierte Mehrheit wird die Zustimmung von mindestens 55 Prozent der EU-Staaten gebraucht, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Österreich stimmte aufgrund eines Parlamentsbeschlusses aus dem Jahr 2017 gegen den Antrag, wiewohl sich das Gros der Landwirtschaft hierzulande stets für Glyphosat starkmachte.

Risiken für Verbraucher und Umwelt

Kritiker und Befürworter streiten unter anderem darüber, ob Glyphosat krebserregend sein könnte. Zudem stehen Gefahren für die Umwelt im Raum. Eine aufwendige Untersuchung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte jüngst keine inakzeptablen Gefahren gesehen, aber auf Datenlücken in mehreren Bereichen hingewiesen.

Zu den Aspekten, die nicht abschließend geklärt wurden, gehören laut EFSA etwa ernährungsbedingte Risiken für Verbraucher und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen. Auch mit Blick auf den Artenschutz ließen die verfügbaren Informationen keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu.

Erneute Diskussion im November

Glyphosat dient als Totalherbizid, das Pflanzen absterben lässt, es sei denn, sie sind gentechnisch verändert. Das chemische Mittel wird zu rund 90 Prozent in der Landwirtschaft eingesetzt, um Felder frei von Unkraut zu halten.

Wie geht es weiter? Die Kommission wird voraussichtlich in einigen Wochen in Berufung gehen, um im November einmal mehr abstimmen zu lassen. Bis dahin sind Änderungen an ihrem Vorschlag möglich. Ihr Ziel ist, Bedenken zu zerstreuen, die vor allem Länder wie Frankreich äußern. Möglich wäre, die Zulassung um lediglich fünf Jahre zu verlängern – oder Einschränkungen zuzulassen, wonach das Pestizid nur noch dort zum Einsatz kommen darf, wo es bisher keine Alternativen dazu gibt.

Findet sich im Berufungsausschuss weder eine qualifizierte Mehrheit für noch gegen den Vorschlag, kann die EU-Kommission eigenständig entscheiden. Ob sie dabei das Vorsorgeprinzip anwendet und sich wider ihre ursprüngliche Absicht für ein Verbot entscheidet, bleibt bis dahin offen.

Kontroverse Reaktionen

Helmut Butscher, Umweltchemiker von Global 2000, sieht in der fehlenden Mehrheit für die weitere Zulassung von Glyphosat ein klares Misstrauensvotum der Mitgliedsstaaten gegen die Behörden. Die Regierungen hätten offenbar doch Zweifel an der Bewertung des Herbizids, sagt er. Aus seiner Sicht entbehrt eine Neuzulassung jeder gesetzlichen Grundlage.

Der Chemiekonzern Bayer, der Glyphosat vertreibt, gibt sich zuversichtlich, dass im nächsten Schritt des Genehmigungsprozesses genügend weitere Mitgliedsstaaten die von der Kommission vorgeschlagene Erneuerung der Genehmigung unterstützen werden. "Wir sind weiterhin von der Sicherheit von Glyphosat überzeugt, das seit fast 50 Jahren in Europa und auf der ganzen Welt erfolgreich eingesetzt wird."

Klar für ein EU-weites Verbot des Pflanzengifts ist SPÖ-Europasprecher Jörg Leichtfried: "Ein Verbot des umstrittenen Pflanzengifts ist möglich. Österreich muss den Druck im Kampf gegen Glyphosat massiv erhöhen und auch andere Mitgliedsstaaten überzeugen."

Clemens Stammler, Landwirtschaftssprecher der österreichischen Grünen im Nationalrat, schlägt in dieselbe Kerbe: Ein Ende der Zulassung für das Unkrautvernichtungsmittel werde von 60 Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger unterstützt. Ein Nein zur Zulassungsverlängerung sei das Gebot der Stunde. (vk, APA, 13.10.2023)