Ein Tiertransporter hat Klaus erst zu einem Vegetarier und dann zu einem Veganer gemacht. "Es war ein extrem heißer Sommertag", erinnert er sich. Ob dieser nun acht, zehn oder noch mehr Jahre zurückliegt, daran kann er sich nicht mehr erinnern. Aber das Bild der Kälber im Transporter, das bekommt er seitdem nicht mehr aus dem Kopf. "Ich machte auf einer Tankstelle etwas abseits der Südautobahn kurz halt. Da stand der Transporter am Parkplatz. Mitten in der prallen Sonne. Der Fahrer – ich nehme an, dass er es war – saß drinnen in der kleinen, aber klimatisierten Raststation, aß eine Leberkässemmel und trank ein Bier."

Ein Tiertransporter auf der Autobahn
Führen Tiertransporte in weit entfernte Länder, können meist nicht einmal die laschen EU-Standards eingehalten werden. Das Fleisch dieser gequälten Tiere landet dennoch auf heimischen Tellern, weil es nach der Schlachtung wieder mit Lkws importiert wird.
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Klaus wusste auch vorher schon von den Missständen in der Tiermast, bei der Schlachtung und dass Tiertransporte eine Qual für die Tiere sind, "aber erst in dem Moment habe ich verstanden, dass ich nicht ein Förderer dieser Wirtschaft sein will, die Gewinn aus der Qual anderer Lebewesen zieht."

Tagelange Transporte

2022 wurden 21,6 Millionen Tiere nach Österreich importiert, 16,2 Millionen exportiert, zeigt ein Bericht von Trade Control and Expert System (Traces), einer von der Europäischen Kommission verwalteten Onlinedatenbank. "In der EU ist jedes dritte transportierte Tier mehr als acht Stunden unterwegs, jedes 25. transportierte Tier sogar mehr als 24 Stunden", erklärt der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) und fordert daher bessere Transportbedingungen sowie eine Beschränkung der Tiertransporte auf acht Stunden. Noch strenger sind die Ansprüche der Tierschutzorganisation Vier Pfoten.

Acht Stunden sehen sie als Obergrenze für Transporte von Rindern und Schweinen, erklärt Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck, vier Stunden bei Hühnern und Kaninchen. "Ein komplettes Transportverbot fordern wir für nicht entwöhnte Jungtiere wie Ferkel oder Kälber, weil die unterwegs nicht versorgt werden können", erklärt sie.

Versorgung unmöglich

Aktuell dürfen diese Tiere neun Stunden am Stück transportiert werden, dann müssen sie eine Stunde Pause bekommen, in der sie versorgt werden. Es ist klar, dass schon die Versorgung aller Tiere bei einem normalen Transport in einer Stunde schwer umzusetzen ist. Bei den nicht entwöhnten Jungtieren ist das aber unmöglich. Diese Tiere müssten mit einem Milchaustauscher gefüttert werden, erklärt Hagen Schwarz vom Verein gegen Tierfabriken (VGT). Dieser muss allerdings erst erhitzt und dann abgekühlt werden, bevor er verfüttert werden kann. Und das geht sich in der Zeit schlicht nicht aus. Darum werden diese Tiere, wenn überhaupt, mit einer Elektrolytlösung versorgt.

"Das sind Saugkälber, die auf Muttermilch angewiesen sind", sagt Weissenböck, "die bekommen jetzt Wasser, das aus Düsen herausspritzt, das sie nicht aufnehmen können. Darum leiden diese Tiere an Hunger und Durst."

Transporte von nicht entwöhnten Jungtieren weist der Traces-Bericht nicht gesondert aus, wohl aber die Gesamtzahl der importierten Rinder. 2022 wurden 92.314 Zucht- und Schlachtrinder nach Österreich importiert, 78.936 Rinder exportiert. Weissenböck spricht von rund 45.000 Kälbern, die jedes Jahr aus Österreich exportiert werden.

Tiertransport wegen Milchprodukten

Die meisten davon sind männliche Tiere, die quasi als Nebenprodukt in der Milchproduktion anfallen. "Es ist wirtschaftlich uninteressant, diese Tiere in Österreich großzuziehen", sagt Weissenböck. Darum werden sie ins Ausland verkauft, wo sie meist in einer "intensiven Turbomast" landen. Die Tiere benötigen aber Heu, Stroh, Gras oder Silage. Weil sie dieses Raufutter aber nicht bekommen, leiden sie unter Mangelernährung. Das hat aber für die Mäster den Vorteil, dass das Fleisch der Tiere weiß bleibt. In Österreich ist eine solche Mast tierschutzwidrig. Und dennoch landet dieses Fleisch, reimportiert, auf unseren Tellern. Vorzugsweise in der Gastronomie – in der man sich ja mit aller Kraft gegen eine Kennzeichnungspflicht ausspricht.

Neben all dem Tierleid zeigt der Ex- und Import von mehreren Millionen Tieren jedes Jahr – und auch des Fleisches – auf, wie viel unnötiger Verkehr durch Tiertransporte entsteht. Zu den bereits genannten Zahlen kommen dann noch die Transporte von Tieren durch Österreich.

"Die gewaltige Dimension der Lebendtiertransporte in der EU verdeutlichte ein im heurigen Frühjahr veröffentlichter Bericht des EU-Rechnungshofs", erinnert der VCÖ. "Dieser stellte fest, dass Milliarden von Tieren quer durch die EU transportiert werden." Und das unter desaströsen Bedingungen.

"Die Vorschriften sind zu lasch, die Kontrollen lassen zu wünschen übrig, die Strafen sind zu gering", merkt Weissenböck zusätzlich an. Dabei dürfen schon jetzt Schweine 24 Stunden am Stück transportiert werden, Rinder 29 Stunden, wenn sie eine Stunde Pause haben, und Geflügel zwölf Stunden ohne Wasser und Futter – eingesperrt in kleine Gitterboxen, in denen sich die Tiere kaum rühren können. "Und wenn sie in der Nacht auf einem Schlachthof ankommen, verbringen sie in diesen Boxen oft noch einmal zwölf Stunden, bevor sie zum Schlachten aufgehängt werden", erklärt Weissenböck. Und die Situation stellt sich noch dramatischer dar, wenn die Tierschützerin daran erinnert, dass viele Tiere überhaupt das erste Mal Tageslicht sehen, wenn sie transportiert werden.

Gegenmaßnahmen

Doch gegen das Tierleid und die sinnlosen Emissionen der Transporte – deren Summe anscheinend noch niemand versucht hat zu berechnen – kann man etwas tun, sind sich die Experten sicher. Der VCÖ spricht sich für kürzere Transporte unter sowieso besseren Bedingungen aus und erinnert an die Forderung des EU-Rechnungshofs nach mehr lokalen und mobilen Schlachtanlagen. "Weniger oder gar kein Fleisch und Milchprodukte konsumieren", empfiehlt Hagen Schwarz. Veronika Weissenböck ergänzt, dass wenn man auf Fleisch und tierische Produkte nicht verzichten möchte, man zumindest darauf achten sollte, wie und wo die Tiere aufgezogen, gemästet und geschlachtet wurden.

"Als Einzelner kannst du gar nichts ausrichten", gibt sich allerdings Klaus desillusioniert, wenn er daran denkt, dass seit 2015 die Anzahl der nach Österreich transportierten Tiere um rund ein Drittel gestiegen ist. (Guido Gluschitsch, 18.10.2023)