Einiges haben wir in diesem Blog schon über mehr oder weniger passende "erste und zweite Anzüge" philosophiert. Schon viele Tage vor dem wichtigen Spiel gegen Belgien war klar, dass Österreich, bedingt durch die Verletzungen von Alaba und Arnautovic, nicht in Bestformation würde antreten können. Damit nicht genug: In einer Frequenz, mit welcher ein undichter Wasserhahn seine Tröpfchen absondert, erreichten die heimische Fußballöffentlichkeit zahlreiche weitere personelle Schadensmeldungen. Als gelernte Österreicher:innen hätten wir also schon im Vorfeld eine elegante Ausrede gehabt, um ein Versagen gegen Belgien mit einer besonders argen Ausprägungsform von "vis maior" zu entschuldigen. Noch vor wenigen Jahren hätte man das Match bereits schon vor Anpfiff schulterzuckend abgeschrieben und auf die rasche Genesung der rekonvaleszenten Ikonen gehofft.

Es kam anders, auch wenn einige Zeit ein furchtbares, möglicherweise sogar historisches Heimdebakel drohte. Unsere Mannschaft begann sehr engagiert und stellte gleich in den ersten Spielminuten klar, dass man die stolze Jahresbilanz nicht ohne weiteres aufgeben wollte. Just in jenen Momenten der aufflackernden Anfangshoffnung bestraften die Gäste den ersten gröberen österreichischen Stellungsfehler. Danach aber wogte das Spiel hin und her. Bis auf den ständig seine Extraklasse dokumentierenden Doku (ich weiß: "no jokes with names") hatten wir eigentlich die Tabellennachbarn der Qualifikationsgruppe F im Griff und konnten uns bis zur Pause durch Philipp Lienhart, Patrick Wimmer und Xaver Schlager noch einige gute Ausgleichschancen erarbeiten.

Romelu Lukaku
Führte zum vorübergehenden 3:0 – Belgiens Stürmerstar Romelu Lukaku.
Foto: tschuttiheft.li/Matthias Oberfrank

Nach Wiederanpfiff das gleiche Bild: Österreich klopfte (vor allem durch Baumgartner) am belgischen Tor an, die exzellent-effizienten Gegner antworteten in der 55. Minute erneut mit einem Tor, womit Schütze Dodi Lukebakio seine Erfolgsquote im Nu verdoppelt hatte. Nach dem kurz darauf erfolgten 3:0 der Belgier, die seit Jahrzehnten nicht nur hierzulande ehrfürchtig als "Rote Teufel" apostrophiert werden, diesmal aber in himmlischem Weiß auftraten, hörte mancher Austro-Fan schon die Englein singen.

Hoffnungsvolle Wendung

Doch dann kam es zu einer schier unglaublichen Wendung: Die Österreicher gaben sich nicht auf und die Unterstützung des sensationellen Publikums riss nicht ab. Und siehe da, plötzlich sorgte der bis zu diesem Zeitpunkt schwache Konrad Laimer mit einem Energieanfall für das 1:3. Und siehe da, kurz darauf waren die Belgier nur mehr zu Zehnt. Und siehe da, kurz darauf verursachte die belgische Abwehr einen Handelfmeter, den der frisch eingewechselte Sabitzer souverän verwandelte. In den Schlussminuten fand Österreich sogar noch Chancen zum Ausgleich dieses kuriosen Spiels vor. Aber es reichte dann doch nicht mehr für ein Happy End. Dennoch war dieses Spiel gegen Belgien eines der bemerkenswerten (wenn auch nicht eines der besten) Heimspiele der vergangenen Jahre.

Auch wenn bei diesem teuflischen 2:3 nichts Zählbares hinsichtlich EM-Qualifikation herauskam, haben wir noch drei hochkarätige Chancen, um bei der EM in Deutschland dabei zu sein. Einerseits das sehr zeitnahe Auswärtsspiel gegen Aserbaidschan in der Öl- und Formel 1-Metropole Baku, wo wir mit einem Dreier schon am frühen Abend des Montages alles hinsichtlich Qualifikation klarmachen könnten. Geht dieses Unterfangen schief, böte sich am späteren Abend des Montages bereits die nächste Möglichkeit: Nur wenn Schweden die Belgier auswärts besiegt, bleiben sie weiter im Rennen. Diese Option scheint nicht unmöglich, wurde aber bereits vor Monaten von ORF-Edelexperten Herbert Prohaska kategorisch ausgeschlossen. Im Falle eines Doppelversagens in Baku und am Küniglberg müssten wir uns noch einen weiteren Monat gedulden, um die letzte Chance im Auswärtsspiel gegen Estland zu nutzen. So weit sollten wir es dann doch nicht kommen lassen. (Claus Farnberger, 16.10.2023)