Die Bestsellerautorin von nebenan: Rita Falks Krimis sind in Bayern verwurzelt, die Autorin spricht beim Interview Dialekt.
Die Bestsellerautorin von nebenan: Rita Falks Krimis sind in Bayern verwurzelt, die Autorin spricht beim Interview Dialekt.
Astrid Eckert

Rita Falks Eberhofer-Provinzkrimis sind Millionenseller und Publikumsmagneten im Kino. Im zwölften Teil hat es den Paulus getroffen, der Präsident des Golfklubs von Niederkaltenkirchen wird in Steckerlfischfiasko (€ 18,95 / 284 S., dtv) tot in dessen Räumlichkeiten gefunden. Das gibt viel Stoff zum Sticheln gegen Reiche und Ermitteln. Im Telefoninterview redet die bayerische Autorin im Dialekt.

STANDARD: Gehen Ihnen nach zwölf Krimis nicht die Mordideen aus?

Falk: Mein größtes Manko ist, dass ich mit jedem Teil an meine Grenzen komme. Ich habe viele Tatwerkzeuge verbraucht, mit Motiven wird es eng. Dazu muss ich am meisten recherchieren, mir bei Kriminalisten Rat holen, ob sie Einfälle haben.

STANDARD: Sie haben mittlerweile Millionen von Fans. Spüren Sie deshalb einen Druck? Sind Sie an die ersten Bücher sorgloser herangegangen?

Falk: Bei dem Buch habe ich tatsächlich Schwierigkeiten gehabt, ins Schreiben reinzukommen und nach Niederkaltenkirchen zu finden. Auch wenn es sich pathetisch anhört, ich spüre die Verantwortung, in diesen Zeiten, die so wenig Spaß bringen, sondern eigentlich nur Krieg, Krankheit und Sorge darüber, wie es weitergeht, den Leuten eine Auszeit vom Alltag zu bieten. Dass sie abtauchen und lachen können. Wenn ich im Schreibprozess bin und es läuft, schreibe ich aber nur für mich, dann habe ich niemanden im Kopf, dem ich gefallen möchte. Wenn ich mich in meinem Text wohlfühle, fühlen sich auch andere darin wohl, habe ich das Gefühl.

STANDARD: Niederkaltenkirchen ist keine heile, aber doch eine überschaubare Welt. Es gibt noch größere Familienstrukturen, Leute reden miteinander, sind aufgehoben im Ort – auch wenn es im Haus Eberhofer inzwischen eine ungarische Pflegerin gibt ...

Falk: Bei allen Albernheiten muss ein Text schon ein bisserl realistisch sein, am Leben dran. Eine Haushaltshilfe aus Ungarn ist realistisch oder heute eben viel realistischer als eine Gabriele aus dem Nachbardorf.

STANDARD: Man kommt dran nicht vorbei, wenn man für die Leute schreiben will, weil es die Lebensrealität ist?

Falk: Genau. Zwischen Büchern wird ganz viel Material gesammelt. Ich bin immer auf Recherche, egal ob ich einkaufen gehe, an der Tankstelle stehe oder im Biergarten sitze. Wenn da lustige oder tragische Situationen sind, muss ich mir Notizen machen. Manche Geschichten werden mir auch geschenkt und jemand sagt zu mir, Rita, ich habe das erlebt, magst du’s verwenden. Zwischen 30 und 40 Prozent dessen, was in einem Buch vorkommt, habe ich irgendwie erlebt, der Rest ist Fantasie.

STANDARD: Gibt’s Lieblingsfiguren?

Falk: Ich mag den ganzen Kosmos und freu mich auf jede einzelne Figur. Wenn ich über den Simmerl seitenlang nichts geschrieben hab, freu ich mich, wenn der Franz in die Metzgerei kommt und er steht dort.

STANDARD: Warum haben Sie damals nicht eine Polizistin erfunden? Sind begriffsstutzige, faule und grantelnde Männer einfach naheliegender?

Falk: Nö, das können Frauen auch sein. Ich glaube, dass der Eberhofer ein Schutzschild war. Ich gebe in den Texten viel von meinen Gedanken, Gefühlen preis. Hätte ich das in eine Frauenfigur gesteckt, wäre ich mir zu durchsichtig vorgekommen.

STANDARD: Der mündliche Stil, die dicht kommenden Pointen, ab und zu Kraftausdrücke – haben Sie Vorbilder?

Falk: Nicht im Sinn, dass ich sage, da bediene ich mich. Aber Karl Valentin und Gerhard Polt sind Ikonen.

STANDARD: Was würden Ihre Figuren zum Ausgang der Wahl in Bayern vor zwei Wochen sagen? Die CSU verhandelt mit den Freien Wählern trotz der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt gerade eine neue Koalition ...

Falk: Meine Figuren würden gar nix sagen, glaube ich. Aus der Tagespolitik würde ich mich gerne raushalten, das sollen andere kommentieren, das ist nicht meine Aufgabe.

STANDARD: Es tut sich in Niederkaltenkirchen durchaus auch Progressives: Eberhofers Sohn macht Ballett, womit der erst hadert, sich letztlich aber freuen kann. Andererseits musste die türkische Haushaltshilfe gehen, weil sie oft gebetet hat und ihre Brüder dauernd nachgesehen haben, ob alles passt – mit welchem Gefühl schreiben Sie das angesichts erhitzter Debatten?

Falk: Dass man ein paar Lebensweisheiten wie zu dem Sohn einbaut, empfinde ich als normal. Aber es ist Unterhaltung und kein Verhaltenskodex. Ich schramm ja Themen wie die türkische Haushaltshilfe immer nur so, schreibe so etwas immer mit einem Augenzwinkern und hoffe, die Leser lesen es auch mit einem Zwinkern. Es wird ja jeder durch den Kakao gezogen. Ich meine kein Wort despektierlich, setze bei den Lesern eine Grundintelligenz voraus, dass sie es durchschauen, natürlich eckt man aber auch an.

STANDARD: Was denken Sie dann?

Falk: Ich kann nicht jedem sein eigenes Buch schreiben. Wer meint, das ist politisch unkorrekt, soll etwas anderes lesen. Man sollte nicht denken, man wäre der Nabel der Welt. Ich find’s anstrengend, dass jeder jetzt meint, er müsse seine Sicht der Welt kundtun. Da bin ich raus. (Michael Wurmitzer, 23.10.2023)