Seit März vergangenen Jahres hat der Trend in den USA, an bestimmten Kröten zu lecken, deutlich zugenommen. Auslöser für diese kuriose wie gleichermaßen ekelige Mode war unter anderem ein Artikel in der "New York Times", in dem über das wachsende Interesse an einer psychedelischen Substanz berichtet wurde, die die Coloradokröte (Incilius alvarius) absondert, um sich gegen Fressfeinde zur Wehr zu setzen.

Ironischerweise mag das Gift des Wüstenamphibiums im Einzelfall tatsächlich Schakale und Raubvögel dazu bringen, sich lieber anderen Beutetieren zuzuwenden. Wenn es um das Überleben der Art geht, ist dieser Schutzmechanismus dagegen kontraproduktiv, denn Menschen auf der Suche nach einem besonders intensiven psychedelischen Trip bedrohen nun die Populationen der Coloradokröte in den USA und in Mexiko.

Coloradokröte, Rauschgift, Halluzinogen
Die Coloradokröte (Incilius alvarius) erreicht ein Gewicht von bis zu 900 Gramm. Ihr Gift gilt in bestimmten Kreisen als Gipfel der halluzinogenen Erfahrungen.
Foto: Wildfeuer

"Mount Everest der Drogen"

Verantwortlich dafür ist 5-MeO-DMT. Diese chemische Verbindung ist nur eine von vielen im milchigen Sekret, das Drüsen im Nacken und an den Beinen der Coloradokröte hervorbringen. Zu ihrem Unglück jedoch gilt 5-MeO-DMT, das verwandt ist mit dem deutlich schwächeren DMT (Dimethyltryptamin), als das stärkste bekannte Halluzinogen überhaupt.

An dem Tier zu lecken ist nur eine Möglichkeit, sich das Rauschmittel einzuverleiben. Häufiger wird das Sekret getrocknet und anschließend geraucht. Gelangt 5-MeO-DMT über die Schleimhäute in den Körper, löst es zwar kurze, dafür aber umso heftigere psychedelische Zustände mit auditiven und visuellen Halluzinationen aus. Die Substanz wird deshalb auch manchmal als "Gottesmolekül", bisweilen auch als "Mount Everest der Drogen", bezeichnet.

Tödliche Nebenwirkungen

Rund eine halbe Stunde soll 5-MeO-DMT wirken und dabei andere Psychedelika wie LSD weit in den Schatten stellen. Menschen, die damit zu tun hatten, berichteten nach dem Konsum nicht etwa nur von einer verzerrten Wahrnehmung, sondern von einem regelrechten "Reset", einem Erlebnis, das einer Wiedergeburt gleichkam. Studien zeigten daher, dass 5-MeO-DMT auch als Therapeutikum eingesetzt werden könnte, etwa gegen Drogensucht, Depressionen, Angstzustände oder posttraumatischen Stress. Andererseits wurde auch von üblen Horrortrips und sogar von Todesfällen in Zusammenhang mit dem Krötengift berichtet.

Obwohl seit Jahrzehnten in bestimmten Kreisen bekannt, ist das Gift der armen Kröte inzwischen im Mainstream angekommen, sodass sich der U.S. National Park Service dazu genötigt sah, via Facebook darauf hinzuweisen, dass an der Coloradokröte zu lecken auch tödlich enden kann. Wie Robert Villa von der Universität von Arizona betont, kann das Gift "wirklich gefährliche Nebenwirkungen wie etwa Herzstillstand" auslösen. Abgesehen davon bedrohen die Wilderei und der illegale Handel mittlerweile die Bestände des Amphibiums – übrigens eine der größten Kröten Nordamerikas.

Viele Fragen offen

Doch nicht nur Tierschützer und Drogenkonsumenten interessieren sich für die Coloradokröte. Auch Biologinnen und Biologen nehmen sich das Tier immer wieder vor, weil es rund um 5-MeO-DMT immer noch zahlreiche Rätsel zu lösen gibt. Weder sind sich die Wissenschafter im Klaren darüber, warum die Wüstenkröte die chemische Verbindung absondert, noch, warum sie die einzige bekannte Art ist, die diese Substanz herstellt. Und vor allem ist immer noch unbekannt, wie es Incilius alvarius überhaupt gelingt, die psychedelische Substanz zu produzieren.

Für eine mögliche Antwort auf letztere Frage hat sich ein Team um Marina Luccioni von der Stanford University, Kalifornien, den Menüplan der Kröte genauer angesehen. Wie schon länger vermutet, könnte nämlich das Gift ihrer bevorzugten Beutetiere wie Käfer oder Ameisen eine bedeutende Rolle bei der Produktion des Halluzinogens spielen.

In den Magen geschaut

Um diesem Verdacht auf den Grund zu gehen, hat die Gruppe in der Umgebung von Tuscon, Arizona, rund 30 Exemplare der Coloradokröten eingefangen und den Tieren die Mägen ausgepumpt. Als Vergleich diente der Mageninhalt von 21 Kröten derselben Gegend, die keine Halluzinogene hervorbringen.

Tatsächlich entdeckten die Forschenden im Verdauungstrakt der untersuchten Tiere die Überreste von Skorpionen, Wespen, Spinnen und anderen Wirbellosen. Insbesondere Ameisen der Gattung Pogonomyrmex erregten dabei die Aufmerksamkeit der Biologen, denn diese stellen selbst chemische Substanzen her, die verstoffwechselt zu Halluzinogenen werden können.

Doch nicht die Ernährung

Eine genauere Mengenanalyse ergab jedoch letztlich keine befriedigende Lösung, wie das Team in seiner auf dem Preprintserver "bioRxiv" veröffentlichten Studie berichtet. Denn keine der Kröten verschlang genug dieser Ameisen, um theoretisch die entsprechende Menge von 5-MeO-DMT herstellen zu können. Hinzu kam, dass sich das Beutespektrum bei den untersuchten Kröten insgesamt deutlich voneinander unterschied, wohingegen die Menge des produzierten Halluzinogens jeweils in etwa gleich groß war. Andere Krötenarten wiederum ernährten sich ähnlich, stellten aber keinerlei Rauschgift her.

Für Luccioni und ihre Kolleginnen und Kollegen sei die Ernährung laut ihrer Studie daher eher nicht die primäre Quelle für das 5-MeO-DMT. Damit rückt die alternative Hypothese, dass die Coloradokröte die Substanz ohne äußere Hilfe selbst oder mit Unterstützung durch mikrobielle Symbionten synthetisiere, wieder an die erste Stelle vor. Um das Mysterium rund um das stärkste bekannte Halluzinogen zu lösen, bedarf es wohl weiterer Untersuchungen, so die Forschenden. (Thomas Bergmayr, 17.10.2023)