Brueghel
Wimmelbild des Todesbei Brueghel dem Jüngeren im Wiener Dom Museum.
LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz / Vienna

Es sind keine komplexen Ideen, sondern alltägliche Aspekte – man kann sie quasi aus der Luft pflücken. Zuletzt bewiesen das Kunsteinrichtungen auffallend oft: Allgemeine Themen, die auf den ersten Blick wenig innovativ, ja sogar banal wirken, eignen sich für umfassende Themenausstellungen – mal besser, mal schlechter.

Dieser Trend beruht auch darauf, dass sich viele Museen während der Pandemie auf ihre Sammlungen konzentrierten und diese Konzepte weiterhin – Stichwort Sparmaßnahmen – verfolgen wollen. So kompilierte beispielsweise das Mumok in der kreativen Schau Das Tier in Dir auf drei Etagen Werke mit tierischen Inhalten.

Ein Vorteil dieser orchestrierten Themenschauen: Historische Werke können ohne große Bedenken neben jene von zeitgenössischen Künstlerinnen gehängt werden – solange ein inhaltlicher oder ästhetischer Dialog entsteht. Denn genau darin besteht die feine Gratwanderung. Sobald eine rein motivische Aufzählung erfolgt, wird es schnell langweilig, wie es 2022 in Grow. Der Baum in der Kunst im Unteren Belvedere der Fall war. Ohne spannendes Narrativ geht da nichts.

Mrzyk & Moriceau
Hauptsache, keine Langeweile: Große Fokusausstellungen können Zugänglichkeit schaffen, solange sie ein Thema nicht nur illustrieren. Hier: Ein tanzender Lauch des Duos Mrzyk & Moriceau.
Marc Domage

Thematische Mäntel

In Österreich haben sich in den letzten Jahren Einrichtungen sogar darauf spezialisiert, Ausstellungsprojekte in thematische Mäntel zu hüllen und sich auf gesellschaftliche Aspekte zu fokussieren. Das Lentos in Linz widmete sich bereits den Komplexen Kindheit und Geschwistern in der Kunst und zeigt aktuell in Fremde den Zugang zum Anderen in der Fotografie. Letzteres bietet einen derart breiten Horizont, dass das Kunsthaus Graz mit The Other zeitgleich – mit ganz anderem Fokus – Politisches wie Migration, Kolonisation sowie Identität in der Kunst behandelt.

Diesen Aspekt der Aktualität findet Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom-Museums und Präsidentin von Icom Österreich, besonders reizvoll. Mit attraktiven Gruppenausstellungen wie Family Matters, Fragile Schöpfung oder Mahlzeit brachte sie bereits historische und sakrale Kunstwerke mit Aktuellem zusammen. "Diese Themen liegen auf der Hand, weil sie uns alle betreffen", so Schwanberg. Solche Projekte würden ein gemischtes Publikum ansprechen, weil sie über den reinen Kunstkontext hinausgehen, erklärt sie – ein dezidiertes Ziel vieler Einrichtungen.

Manfred Erjautz
Historische Werke könnenneben jene von zeitgenössischen Künstlerinnen gehängt werden – solange ein Dialog entsteht. Hier "Blindflug" von Manfred Erjautz.
Reiner Riedler / Bildrecht, Wien 2023

Der Tod lauert überall

Aktuell läuft im Dom Museum Sterblich sein, ein Thema, bei dem man lange unsicher war, inwiefern es für eine Ausstellung geeignet ist. Doch welche Angelegenheit geht uns mehr an als der Tod? Wie die Schau zeigt, ist er nicht nur in sakralen Werken wie Kreuzigungsszenen, historischen Gemälden wie dem Wimmelbild von Bruegel dem Jüngeren Triumph des Todes omnipräsent, sondern auch in der Gegenwartskunst. Vor dem Hintergrund aktueller Krisen und Kriege wie in der Ukraine oder im Nahen Osten scheint das nicht weiter verwunderlich.

So bestickte die ukrainische Künstlerin Olia Fedorova Leintücher mit "Wut-Gebeten", als sie im Bunker Schutz suchte. Die Mexikanerin Teresa Margolles gestaltet Tonvasen, die sie mit Frauenfiguren verziert, und gedenkt so der unzähligen Femizide auf der Welt. Dass das Gefäß beim Transport nach Europa zerbrach, scheint nicht weiter schlimm: Als aufgetürmter Scherbenhaufen hat die Arbeit eine noch stärkere Aussagekraft.

Halle für Kunst Steiermark
Das Publikum kann durch gigantische Rauminstallationen mit aberwitzigen Figuren und knallbuntem Ambiente wandeln.
Foto: Universalmuseum Joanneum / J.J. Kucek

Vergnügungspark Museum

Wie weit solche thematischen Projekte gehen können, zeigt aktuell die umfangreiche Show Ernsthaft? Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst, die nun in Graz Station macht und zuvor in Hamburg und Bonn zu sehen war. Die Themenausstellung ist mit über 100 Positionen und 400 Einzelwerken so groß, dass sie sich sogar in zwei Teile spaltet und parallel in der Halle der Kunst Steiermark und der Neuen Galerie im Joanneum stattfindet. Eine Dimension, die an einen Vergnügungspark erinnert.

Dieses Motiv diente dem kuratorischen Team mit Coney Island auch als Ausgangspunkt. Das Publikum kann durch gigantische Rauminstallationen mit aberwitzigen Figuren und knallbuntem Ambiente wandeln, und in Kapitel wie "Camp" oder "Post-Surrealismus" eintauchen. Diese "affige und enthusiastisch-peinliche" Haltung macht auch nicht vor historischen Werken halt und spannt sich von Rembrandt-Radierungen (Pissender Mann und Pissende Frau), dadaistischen Zeichnungen, einem Charlie Chaplin von Martin Kippenberger bis zu den verspielten Hexen von Jakob Lena Knebl und Paul McCarthys Stinktieren mit XXL-Penissen.

Dass die Spaßmacher-Truppe Gelitin beispielsweise nicht vertreten ist, macht eine allgemeine Schwachstelle der Großausstellungen deutlich: Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann gar nicht erhoben werden. Lücken sind also vorprogrammiert. (Katharina Rustler, 17.10.2023)