Bilder von Vermissten
Fast 200 Menschen wurden israelischen Armeeangaben zufolge am 7. Oktober von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt.
AFP/AHMAD GHARABLI

Ganz kurz keimte Montagfrüh Hoffnung auf, dass sich die Lage im Nahen Osten zumindest ein bisschen entspannen könnte. Ägyptische Sicherheitskreise erklärten, man habe gemeinsam mit den USA und Israel eine Feuerpause für den Süden des Gazastreifens vereinbart. Dadurch, so die Nachrichtenagentur Reuters, könne auch der Grenzübergang Rafah nach Ägypten geöffnet werden.

Doch das Dementi beider Seiten folgte prompt. "Es gibt derzeit keine Waffenruhe und keine humanitäre Hilfe im Gazastreifen als Gegenleistung für den Abzug von Ausländern", hieß es in einer Erklärung des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Auch die im Gazastreifen regierende Hamas erklärte, keine Kenntnis über eine Feuerpause zu humanitären Zwecken zu haben.

Kampf ums Überleben im Gazastreifen
AFP

Kurze Zeit später folgte dafür die nächste Hiobsbotschaft. Israels Militärsprecher Daniel Hagari musste zugeben, dass nicht wie angegeben 155 Menschen von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt wurden, sondern mit 199 deutlich mehr. "Wir haben die Familien von 199 Geiseln informiert", so Hagari.

Auf die Frage, wie sich die Tatsache, dass in dem Küstenstreifen so viele Geiseln festgehalten werden, auf die israelischen Angriffe dort auswirke, erwiderte der Armeesprecher: "Unsere Angriffsziele basieren auf Geheimdienstinformationen." Man wisse genau, was man dort angreife, nämlich Infrastruktur der dort herrschenden Hamas und ranghohe Mitglieder der Organisation.

Angriffe teilweise ausgesetzt

Dort, also im Gazastreifen, sind seit Beginn des Kriegs vor etwas mehr als einer Woche rund eine Million Menschen aus dem Norden in den Süden geflüchtet, schätzt die Uno. Dafür verkündete die israelische Armee, auf den Fluchtwegen in den Süden des Gazastreifens ihre Angriffe teilweise auszusetzen. Sie will offenbar möglichst viele Zivilisten vor ihrer bevorstehenden Bodenoffensive aus möglichen Schusslinien nehmen. "Wir befinden uns am Beginn umfangreicher Militäroperationen in Gaza-Stadt", sagte der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus am Montag. "Die Zivilisten wären nicht sicher, wenn sie hierblieben."

Größenvergleich Gazastreifen–Wien.

Doch weiter als in den Süden des Gazastreifens kommen die Vertriebenen nicht. Rafah, der einzige Grenzübergang nach Ägypten, blieb auch am Montag geschlossen. Auf Bildern waren viele Menschen mit ausländischen Pässen zu sehen, die dort vergeblich auf Durchlass warteten. Auf der Gegenseite stauten sich lange Lkw-Konvois mit Hilfslieferungen für den Gazastreifen.

Unterdessen haben Mitglieder der Hamas am Montag nach eigenen Angaben eine weitere Rakete auf Tel Aviv abgefeuert. Im Stadtzentrum war eine dumpfe Explosion zu hören, es gab aber keinen Raketenalarm.

Auch im Norden Israels an der Grenze zum Libanon blieb die Lage angespannt. Am Montag kündigte das israelische Verteidigungsministerium an, alle Orte in bis zu zwei Kilometer Entfernung zum Grenzgebiet zu evakuieren. Die Betroffenen würden in staatlich finanzierten Unterkünften untergebracht werden. Die proiranische Hisbollah im Libanon hatte sich in den letzten Tagen zu Raketenangriffen auf Nordisrael bekannt, Israel hatte daraufhin Ziele im Südlibanon angegriffen.

In New York wollte der UN-Sicherheitsrat am Montagabend (Ortszeit) über zwei Resolutionsentwürfe abstimmen – einer von Brasilien und einer von Russland –, die die Eskalation im Nahen Osten unterschiedlich bewerten. Die Annahme galt in beiden Fällen als unwahrscheinlich. (Kim Son Hoang, 16.10.2023)