Demonstration
Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terrors in Israel auf dem Wiener Ballhausplatz.
© Christian Fischer

Die Mehrheit der in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden fühlt sich hierzulande sicher. In der jüngsten Jahresbefragung der Israelitischen Kultusgemeinden (IKG) gaben 29 Prozent der Befragen an, sich "sehr sicher" im öffentlichen Raum zu fühlen, weitere 38 Prozent "sicher". Lediglich zwei Prozent fühlen sich demnach "gar nicht sicher". Das ergab die im vergangenen Juli präsentierte Umfrage.

So war es bisher der Fall. Der Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober wirft nun die Frage auf, wie es nun um das Sicherheitsbedürfnis von Jüdinnen und Juden in Österreich steht. Mehr als 1.300 Menschen wurden in Israel ermordet, die Hamas ruft weltweit zur Tötung von Jüdinnen und Juden auf. Vonseiten der IKG Wien heißt es, es gebe seither eine "erhöhte Gefährdung". Es bestehe "kein Grund zur Panik, aber zu erhöhter Vorsicht".

Verstärkte Schutzmaßnahmen

Polizei und Innenministerium verwiesen auf STANDARD-Anfrage darauf, dass "bereits in den ersten Stunden nach dem Angriff verstärkte Schutzmaßnahmen" um potenziell gefährdete Einrichtungen eingeleitet worden seien. Es handle sich dabei um zusätzliche "sichtbare und nicht sichtbare Maßnahmen", wie die Landespolizeidirektion (LPD) Wien mitteilte. Unter anderem sei, sagt ein LPD-Sprecher, "zusätzliches Personal im Einsatz".

Auch das Bundesheer ist eingebunden. Soldatinnen und Soldaten leisten Objektschutz, sie bewachen etwa Botschaften und Synagogen. Dieser Assistenzeinsatz des Bundesheeres wurde kürzlich erst bis Ende März 2024 verlängert. Oskar Deutsch, Präsident der IKG Wien, zeigt sich dankbar für diese Maßnahmen. Aber: "Leider ist es nicht genug. Es braucht wahrscheinlich noch mehr Polizeipräsenz", sagt er zum STANDARD.

"Jüdisches Leben läuft weiter"

Schätzungen gehen von rund 15.000 in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden aus. Die überwiegende Mehrheit davon ist in der der Bundeshauptstadt zu Hause. Die Israelitische Kultusgemeinde in Wien zählt laut eigenen Angaben etwa 8.000 Mitglieder. Die IKG Wien bietet Jüdinnen und Juden angesichts der Situation in Israel die Möglichkeit, sich im psychosozialen Gesundheitszentrum Esra Hilfe zu holen. Dessen ärztlicher Leiter, Benjamin Vissoky, berichtete von "einem kollektiven Schock", der durch die Gemeinde gehe.

Vergangenen Mittwoch hatten Tausende an der Gedenkveranstaltung für die Opfer in Israel am Ballhausplatz in Wien teilgenommen. Einige hundert Meter weiter, am Stephansplatz, hatte zeitgleich eine von den Behörden untersagte Pro-Palästina-Kundgebung stattgefunden. Die IKG hatte deshalb dazu aufgerufen, Symbole wie die Israel-Fahne auf dem Heimweg zu verbergen. Diese Empfehlung habe der Situation entsprochen, sagte Deutsch danach. Und fordert nun Strenge: "Hamas-Freunde, die in Wien den größten Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah feiern, sind Gefährder. Gegen Gefährder muss vorgegangen werden, bevor sie zu aktiven Tätern werden." Dafür müsse die Polizei ermächtigt werden, rigoros durchzugreifen.

Bisher zwei Demos untersagt

Der österreichische Verfassungsschutz stehe "in engem Kontakt mit europäischen und israelischen Sicherheitsbehörden", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Die Gefährdungslage werde "laufend analysiert, evaluiert und der aktuellen Situation angepasst". Eine Steigerung antisemitischer Delikte sei im Moment nicht feststellbar.

Bislang wurden in Österreich laut Innenministerium zwei Pro-Palästina-Demos untersagt: eine in Wien aufgrund eines Gewaltaufrufs gegen Israel. Und eine in Graz, nachdem eine Prüfung der LPD Steiermark eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ergeben hatte. Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) drängte am Montag auf eine härtere Linie: "Ich erwarte von der Polizei, dass bei Demos sehr konsequent vorgegangen wird." Man müsse zeigen, dass der Rechtsstaat sich verteidigen könne. (Anna Giulia Fink, Sebastian Scheffel, 16.10.2023)