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Sie mögen stumm und statisch wirken und haben keine Sinnesorgane, wie wir sie kennen. Dennoch sind Pflanzen durchaus in der Lage, sehr sensibel auf ihre Umwelt zu reagieren – nicht nur auf Licht, Wasser, Nährstoffe oder Ozon, sondern auch auf Schädlinge oder Bakterien, Viren und Pilze. Sie können sich gegen andere Lebewesen wehren, sie anlocken oder warnen.

Doch sie haben auch noch andere Mittel zu kommunizieren: Manche "schreien" förmlich in Form von (für Menschen unhörbaren) Ploppgeräuschen, wenn sie unter Stress stehen, wie Forschende herausfanden. Außerdem gibt es die Theorie, dass unterirdische Netzwerke in einer Art "Wood Wide Web" aus Wurzeln und Pilzgeflechten dazu dienen könnten, Nährstoffe und Kommunikationssignale zwischen Pflanzen auszutauschen. Beweise gibt es dafür aber bisher keine.

Stille Post

Feststeht allerdings, dass Pflanzen über Stomata, das sind Poren in den Blättern, eine Reihe von chemischen Substanzen aussenden und auch aufnehmen können. Was genau sie damit "sagen" wollen, ist zum größten Teil noch unerforscht. Man weiß jedoch, dass sich Pflanzen verteidigen, indem sie Giftstoffe ausstoßen, die für Schädlinge toxisch sind. Per Duftstoff können sie außerdem Fressfeinde des Schädlings zu Hilfe rufen.

Grafik zur Pflanzenkommunikation
Pflanzen senden flüchtige organische Substanzen (VOC) aus, wenn sie von Insekten befallen werden. Gesunde Nachbarpflanzen können diese VOC wahrnehmen und Verteidigungsmechanismen in Gang setzen.
Masatsugu Toyota/Saitama University

1983 wurde schließlich erstmals nachgewiesen, dass Pflanzen untereinander mithilfe sogenannter flüchtiger organischer Substanzen in der Luft (volatile organic compounds oder VCO) kommunizieren. Auf diese Weise warnen verwundete oder attackierte Pflanzen ihre Nachbarn. Beide erhöhen dann ihre Produktion von giftigen Phenolen und Tanninen, auch wenn sie keinen Wurzelkontakt haben. Seither wurde das Phänomen in mehr als 30 Pflanzenarten gezeigt. Die dahinterliegenden molekularen Mechanismen bleiben aber nach wie vor weitgehend unklar. Das liegt vor allem an den Schwierigkeiten, diese flüchtigen Verbindungen und ihre Wege experimentell einzufangen.

Um die "Sprache" der Pflanzen weiter zu entschlüsseln, haben Japanische Forscher die Kommunikation von Exemplaren der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) in Echtzeit visualisiert. So konnten sie zeigen, dass VOCs tatsächlich von den Pflanzen aufgenommen wurden und so eine Verteidigungsreaktion auslösten, wie das Team im Fachblatt "Nature Communications" berichtet. Dazu haben die Forscher eine Anlage konstruiert, die Luft voller VOCs, die von raupengeplagten oder mechanisch zerstörten Pflanzen emittiert wurden, auf gesunde Pflanzen blies. Das ganze wurde kombiniert mit einem System zur Visualisierung fluoreszierender Partikel.

Real-Time Ca2+ Imaging of Arabidopsis Exposed to VOCs From Insect-Damaged Plants
In Echtzeit: Infolge der Aufnahme der chemischen Signale aktivieren die Pflanzen Kalziumionen, die wiederum Verteidigungsmechanismen auslösen.
SciTech Daily/Masatsugu Toyota/Saitama University

Ätherische Kommunikation

Zunächst fanden die Wissenschafter von der Saitama-Universität heraus, welche Art flüchtiger organischer Substanzen Kalziumionen aktivieren. Denn es ist bekannt, dass Kalzium eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung in der Pflanze spielt. Sie fanden zwei chemische Verbindungen, die Pflanzen im Fall von Schädigungen ausstoßen. Sie veränderten dann die Arabidopsis-Pflanzen so, dass sie fluoreszierende Proteinsensoren für Kalziumionen bildeten. Damit konnte die Veränderung der Kalziumkonzentration anhand der changierenden Fluoreszenz in der Pflanze beobachtet werden.

Die Ergebnisse zeigten, dass die gesunde Arabidopsis-Pflanze jene Gene aktivierte, die der Verteidigung dienen, sobald sie den Signalstoffen der beschädigten Pflanze ausgesetzt war. Mithilfe weiterer genetischer Veränderungen konnten die Forscher genau zeigen, in welcher Art von Pflanzenzellen die Kalziumionen-Signale erzeugt werden und wie die Signalwege innerhalb der Pflanze ablaufen.

"Pflanzen haben keine Nase, aber die Stomata dienen der Pflanze als Tor, das einen raschen Eintritt der flüchtigen Stoffe in die Zwischenräume im Blattgewebe ermöglicht", sagt Studienleiter Masatsugu Toyota. "Wir haben nun endlich die komplizierte Geschichte aufgedeckt, wann, wo und wie Pflanzen auf warnende Botschaften aus der Luft von ihren bedrohten Nachbarn antworten. Dieses unsichtbare ätherische Kommunikationsnetzwerk spielt eine ausschlaggebende Rolle dabei, benachbarte Pflanzen vor einer unmittelbaren Gefahr zu schützen." Und ist ein erster Schritt zu einem besseren Verständnis des Wortschatzes der Natur. (Karin Krichmayr, 17.10.2023)