Andreas Babler
Andreas Babler hat eines seiner Wahlversprechen in ein Konzept gegossen – zumindest teilweise: Mitglieder sollen künftig über den SPÖ-Chef entscheiden, nicht aber zwingend über einen Koalitionspakt.
REUTERS/LEONHARD FOEGER

Der Revoluzzer greift zu Altbewährtem. Vorsichtig stützt er das Köpfchen, im Gesicht macht sich ein gerührtes Lächeln breit: Für sein neues Plakat ließ sich Andreas Babler mit Baby ablichten – so wie unzählige Politiker vor ihm.

Das Sujet stammt aus der roten Herbstkampagne, die für ein längst bekanntes Herzensanliegen wirbt. 100 Millionen Euro pro Woche, rechnet die SPÖ dem Publikum vor, soll eine Millionärssteuer dem Staat einbringen. Viel Geld, um Bablers Versprechen in die Tat umzusetzen: vom täglichen warmen Essen für jedes Kind bis zur Garantie, auf keinen Facharzttermin länger als zwei Wochen warten zu müssen.

Natürlich erhofft sich die Partei davon eine Umwegrentabilität. Der Aktionismus soll nicht nur der SPÖ einen Schub geben, die in den Umfragen mit 21 bis 25 Prozent klar hinter der FPÖ liegt, sondern auch dem Frontmann selbst. Schließlich will sich Babler beim Parteitag am 11. und 12. November als Vorsitzender wiederwählen lassen. Je weiter das Ergebnis unter 90 Prozent Zustimmung liegt, desto mehr drohen medial transportierte Zweifel an seiner Eignung aufzukommen.

Weniger weit als propagiert

Auf dem Weg zum Event in Graz betritt Babler aber auch Neuland. Denn auf dem Parteitag sollen die nominierten Delegierten – in der Mehrzahl professionelle Funktionäre – de facto ihre Entmachtung beschließen: Künftig sollen die Mitglieder die Geschicke der Partei stärker bestimmen als bis dato der Fall.

Wie DER STANDARD vorab berichtete, wird die Basisdemokratie weniger weit um sich greifen als ursprünglich von Babler geplant. Dass ein etwaiger von der SPÖ ausgehandelter Koalitionspakt künftig den Mitgliedern zwingend zur Abstimmung vorgelegt werden muss, ist nun nicht mehr geplant. Es bleibt beim Status quo, dass der Parteivorstand ein solches Votum nach Gutdünken einleiten kann.

Sind dem Erfinder selbst Zweifel an der Idee gekommen? Oder haben Gegner erfolgreich Widerstand geleistet? Keines von beidem, sagt Babler bei der offiziellen Präsentation der Pläne am Dienstag. In der kurzen Zeit sei seriöserweise nicht mehr möglich gewesen: "Wir haben eine Priorität gesetzt."

Diese ist die Direktwahl der oder des künftigen Vorsitzenden. Der konkrete Modus orientiert sich am Modell der spanischen Sozialisten.

Wie gehabt will die SPÖ ihren Vorsitz alle drei Jahre neu wählen. Eine vorgezogene Kür findet aber dann statt, wenn dies zehn Prozent der Mitglieder – derzeit etwa 15.000 Menschen – einfordern.

Steht ein Urnengang vor der Tür, gibt es zwei Möglichkeiten: Kandidatinnen oder Kandidaten können sich vom Bundesvorstand, dem roten Führungsgremium, nominieren lassen, worauf Amtsinhaber in der Regel gute Chance haben. Oder aber sie legen Unterstützungserklärungen von einem Prozent der Mitglieder – also 1500 Personen – vor.

Hürde für Spaßvögel

Diese Schwelle sei von gut in der SPÖ verankerten Menschen zu bewältigen, lege aber Spaßkandidaten das Handwerk, so das Kalkül. Weil für die anfangs hürdenfrei geplante Mitgliederbefragung im Frühling auch eine Giraffe nominiert wurde, heißt diese Bedingung intern Giraffen-Klausel. "Wir wollen ja nicht, dass halb Schönbrunn auf dem Stimmzettel steht", sagt Babler.

Schaffen zumindest zwei Kandidaten die Voraussetzungen, entscheiden die Mitglieder online oder per Brief. Gültig ist die Direktwahl dann, wenn zumindest 20 Prozent der Mitglieder teilnehmen – andernfalls bestimmen die Delegierten auf dem Parteitag. Erhält niemand in der ersten Runde wenigstens die Hälfte der Stimmen, gibt es eine Stichwahl. Der Parteitag behält nur dann das letzte Wort, wenn überhaupt nur eine Anwärterin oder ein Anwärter antreten kann.

Ganz fix ist das alles noch nicht. Vor dem Beschluss auf dem Parteitag muss kommenden Montag erst der Vorstand seinen Sanctus geben.

Die SPÖ, sagt Babler, würde damit zur demokratischsten Partei Österreichs. Vorausgesetzt, die Stimmenauszählung funktioniert besser als bei seiner eigenen Kür im Juni. Künftig werde man auch händisch nachzählen, so das rote Gelöbnis: Da trete man gern einen Schritt hinter die technologische Entwicklung zurück. (Gerald John, 18.10.2023)