Der Salamander hat es Elly Tanaka angetan. Die Regenerationsforscherin beschäftigt sich tagtäglich mit der Amphibie. Ihre Faszination ist durchaus nachvollziehbar, immerhin haben gewisse Salamander Fähigkeiten, von denen Menschen bisher nur träumen können. Wird ihnen etwa ein Bein abgetrennt, wächst es einfach nach. "Es gibt viele Tiere, von denen wir Menschen uns etwas abschauen können, der Salamander ist aber wohl das bemerkenswerteste von allen", sagt Tanaka zu Beginn ihres Vortrags in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Dort haben sich Wissenschafterinnen und Wissenschafter eingefunden, um während eines Symposiums Hightech-Updgrades für den menschlichen Körper zu diskutieren. Tanaka arbeitet am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien.

Axolotl, ein Salamander
Der Axolotl ist eine Salamander-Art, und ihm gelingt schier Unglaubliches: Ihm wachsen Gliedmaßen nach.
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Salamander mit Superkräften

Ein besonders bemerkenswertes Salamander-Exemplar ist der Axolotl, ein aus Mexiko stammender Schwanzlurch, der neben abhandengekommenen Körperteilen auch Organe, sein Rückenmark und sogar Teile seines Gehirns reproduzieren kann. In Zusammenarbeit mit einem internationalen Forscherteam und Eugene Myers vom Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden ist es Tanaka vor einigen Jahren gelungen, das Erbgut des scheinbar unzerstörbaren Salamanders zu entschlüsseln. Seither hat Tanaka auch herausgefunden, wie der Axolotl verletztes Rückenmark repariert und Teile seines Gehirns reproduziert. Fest steht: Wird ein Körperteil abgetrennt, sammeln sich Stammzellen an dieser Stelle und bauen das Bein, Organ oder Rückenmark synchronisiert wieder auf.

Um herauszufinden, welche biologischen Prozesse bei den Tieren einsetzen, während abgetrennte Beine in derselben Form und Größe nachwachsen, müssen den Salamandern im Übrigen auch im Labor die Beinchen abgetrennt werden. "Sie werden betäubt und verhalten sich danach normal", sagt Tanaka, "in der freien Natur fressen sie sich gegenseitig die Beine ab, sie sind es also gewöhnt."

Ein Forscherteam um Jixing Zhong an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) hat zudem kürzlich eine Studie veröffentlicht, die den Mechanismus hinter den Selbstheilungskräften entschlüsselt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Prozess komplexer ist als bisher angenommen; sie bieten aber auch Einblick in ein potenzielles Nachwachsen von Gliedmaßen bei Säugetieren. Somit könnte die Studie weitreichende Folgen für die Regenerativmedizin bei Menschen haben.

Hindernisse bei der Heilung

Auch Elly Tanaka versucht herauszufinden, wie das gewonnene Wissen auf den Menschen übertragen werden kann. Insgesamt nennt sie drei Hindernisse. Eines der größten Probleme könnte etwa darin bestehen, eine große Gruppe von Stammzellen dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten, um ein menschliches Gliedmaß in Erwachsenengröße zu bilden. Doch auch die Frage nach der Entwicklung dieser Stammzellen sei bei Menschen noch nicht geklärt. "Während sich die Zellen erwachsener Salamander in Stammzellen umwandeln, scheint das bei menschlichen Körperzellen nicht so einfach zu sein", sagt die Regenerationsforscherin. Zudem steht eine dritte Einschränkung im Raum: Das menschliche Immunsystem könnte die Regeneration laut Tanaka blockieren.

Ob es Menschen je gelingen wird, diese Hindernisse zu überwinden oder das Nachwachsen ganzer Beine inklusive Knochen, Muskeln und Nervenzellen auch in Zukunft eine Superkraft bestimmter Salamander bleiben wird, kann die Regenerationsforscherin derzeit nicht beantworten. "Theoretisch wissen wir, was getan werden muss, aber wir können noch nicht abschätzen, wie viel Technologie nötig sein wird – und auch, ob sie dann erfolgreich ist, wissen wir noch nicht." (Julia Beirer, 23.10.2023)