An jedem Morgen finden in Österreich ein paar Sonnenstrahlen mehr ihren Weg auf die schwarzen, glatten Platten, die Sonnenenergie in elektrischen Strom umwandeln. Vergangenes Jahr wurden Module mit einer Höchstleistung von einem Gigawatt installiert, für dieses Jahr wird ein neuer Rekord erwartet.

Das soll erst der Anfang sein. Denn der Ausbauplan der Regierung sieht vor, dass im Jahr 2030 mehr als dreimal so viel Strom mittels Photovoltaik (PV) gewonnen wird wie im vergangenen Jahr 2022. Das heißt: mehr Solaranlagen auf Österreichs Dächern und Feldern, mehr CO2-Einsparungen, aber irgendwann auch mehr gebrauchte Anlagen, die irgendwie entsorgt werden müssen.

Die Photovoltaikmodule, die derzeit zu Millionen installiert werden, sind noch länger kein Fall für den Mistplatz. Doch Unternehmen wittern ein Geschäft für die Zukunft.
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Der Müll der Zukunft

Derzeit hält sich die Abfallmenge noch in Grenzen, da die meisten PV-Module erst in den vergangenen Jahren installiert wurden. Im Jahr 2040 könnten aber jährlich bereits 27 Millionen Tonnen Photovoltaikabfall anfallen, prognostiziert das Analyseunternehmen Rystad Energy. Wohin mit dem Müll?

Damit beschäftigen sich Menschen wie Thomas Nigl. Er leitet die Arbeitsgruppe "Future Waste und Abfallwirtschaft" an der Montanuniversität Leoben. Dort widmet man sich der Frage, wie Produkte recycelt werden können, die noch nicht einmal produziert sind oder ihr Lebensende noch nicht erreicht haben. Manche sind sogar noch nicht einmal richtig erfunden. Zum Beispiel Elektrolyseure, mit denen in Zukunft Wasserstoff produziert werden soll und die noch etwas Reifezeit brauchen, bis sie im großen Stil einsetzbar sind.

Aber es geht eben auch um die andere Hardware der Energiewende: Batterien, Elektromotoren und eben Photovoltaikmodule. Im Rahmen eines von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projektes beschäftigen sich mehrere Einrichtungen damit, wie die Solaranlagen in Zukunft recycelt werden können.

"Die meisten Photovoltaikmodule sind eigentlich kein gefährlicher Abfall", sagt Nigl und entkräftet damit einen Mythos, dass Solarenergie viel Sondermüll produziere. Dennoch sollten die alten Module besonders behandelt werden – denn in ihnen finden sich Rohstoffe, die wiederverwendet werden können. So schätzt Rystad Energy auch, dass der globale Markt für PV-Recycling bis 2030 auf 2,7 Milliarden US-Dollar und bis 2050 sogar auf 80 Milliarden Dollar anwachsen wird.

Schwierige Trennung

Schon jetzt würden – zumindest nach Gewicht gerechnet – über 80 Prozent der Photovoltaikmodule recycelt. Vor allem das Aluminium aus den Rahmen und das Glas wird verwertet. Derzeit wird das aber so gemacht, dass die einzelnen Elemente, also etwa der Rahmen, von Hand auseinandergenommen werden. Im Recyclingsprech nennt man das "unspezifisches Behandlungsverfahren".

Nicht nur nach Wetterschäden sind Photovoltaikmodule oft ein Fall für die Recyclinganlage. Oft werden funktionierende ältere Module gegen neuere getauscht. Diese könnten in Zukunft vermehrt wiederverwendet werden.
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Das Ziel des Forschungsprojekts: aus dem PV-Recycling ein "spezifisches Verfahren" zu machen, also Module möglichst maschinell in ihre Einzelteile zu zerlegen und die Stoffe möglichst getrennt zu sammeln. Denn nur dann lassen sich auch wertvolle Materialien wie Silizium oder Silber zurückgewinnen. Aus diesen können dann wieder neue Module werden.

Die Schwierigkeit besteht darin, die dünne Schicht unter dem Glas, die eigentlichen Solarzellen, vom Rest zu trennen. Diese sind in der Regel von speziellen Kunststofffolien eingefasst, die auch Fluorpolymere enthalten, von denen einige als umwelt- und gesundheitsschädlich eingestuft sind. "Die sind das eigentliche Sorgenkind", sagt Nigl. Wasserstrahl- und Frästechnik soll in Zukunft dabei helfen, die Folie vom Glas zu trennen. Derzeit wird das Glas samt Folie geschreddert, wobei trotz nachträglicher Reinigung Spuren von Metallen und Kunststoffen im Granulat verbleiben. Für neue Module eignet es sich daher meistens nicht, stattdessen wird es etwa aufgeschäumt und als Dämmstoff verwendet. "Das ist eigentlich Downcycling", sagt Nigl. Denn echte Kreislaufwirtschaft ist erst erreicht, wenn nach dem Recycling ein Produkt wieder zu dem werden kann, was es war.

Kaum Produktion in EU

Dazu braucht es auch Produktionsstätten – doch derzeit steht es schlecht um die europäische Solarindustrie. Dominierte sie bis vor rund zehn Jahren noch den Weltmarkt, kommen heute über 90 Prozent aller Photovoltaikmodule aus Asien. Recycling allein kann das nicht ändern. "Die Rohstoffe, die derzeit anfallen, und die, die wir brauchen, sind zwei komplett unterschiedliche Größenordnungen", sagt Nigl. Da Solaranlagen in der Regel eine Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren haben, ist die Menge der aus Recycling gewonnenen Rohstoffe der benötigten Menge Jahrzehnte hinterher.

Wobei eine Anlage nicht defekt sein muss, damit sie zum Altstoff wird. Weil die Solarzellen immer effizienter werden, lohnt es sich insbesondere bei großen Projekten manchmal, die Module nach einigen Jahren durch leistungsstärkere zu ersetzen. Auch bei Windkraftanlagen müssen kleinere, noch funktionsfähige Rotorblätter oft größeren weichen. Repowering nennt sich das – und es könnte in Zukunft auch bei Solaranlagen vermehrt Anwendung finden.

Reuse statt Recycling

Hier setzt das Start-up 2nd Cycle aus Niederösterreich an, das auf Wiederverwendung statt Recycling setzt. Denn auch bei ausgedienten Photovoltaikmodulen sind viele Zellen eigentlich noch funktionsfähig. Das Unternehmen will daher Module aus dem Rücklauf testen, reinigen und bei Bedarf reparieren – und zwar vollautomatisch. Das soll die Kosten drücken und gebrauchte PV-Module konkurrenzfähiger machen. Denn die Preise für neue Module sinken seit Jahren, was zwar den weltweiten Ausbau beschleunigt, aber auch Reuse- und Recyclingprodukte stärker unter Druck setzt.

Gründer Simon Prüller will die Kosten pro geprüftem und wiederaufbereiteten Modul deshalb auf drei bis vier Euro pro Stück bringen - das sei ein Bruchteil dessen, was die derzeitige manuelle Prüfung derzeit koste. Er erklärt, dass es zwei Versionen der Aufbereitungsanlage geben wird: eine stationäre und eine mobile Version. Mit dieser soll es künftig möglich sein, Module direkt vor Ort zu überprüfen und wiederzuverwerten. Dabei entscheidet die Maschine mithilfe künstlicher Intelligenz, ob ein zweiter Lebenszyklus möglich ist und wie hoch die Ausfallwahrscheinlichkeit ist. "So können wir die Rohstoffe in Europa halten", sagt Prüller.

Noch in diesem Jahr soll mit der konkreten Entwicklung der Anlage begonnen werden, wofür derzeit nach Investoren und Fördermitteln gesucht wird. Der ambitionierte, langfristige Plan: bis 2031 zehn Millionen gebrauchte PV-Module jährlich aufbereiten und wieder unter die Sonne bringen. (Philip Pramer, 13.10.2023)