Ratten sieht man in New York ständig und überall. Sie huschen über die Gleise der U-Bahn, wobei sie es schaffen, die mit Elektrizität geladenen Schienen zu meiden. Oder sie schlagen sich in den Außenbereichen von Restaurants, auf der Straße und in Hinterhöfen die Bäuche voll. Vor allem die während der Pandemie entstandenen "Outdoor Dining Sheds" – Schanigärten, die Gehsteige und Straßen zieren – sind bei ihnen beliebt. Neben dem erweiterten Nahrungsangebot schützen diese Sitzgelegenheiten im Freien die darunter liegenden Bereiche gegen die maschinelle Straßenreinigung, somit eine echte Win-win-Situation für die grauen Tierchen.

Im Gestrüpp im New Yorker Central Park verstecken sie sich laut raschelnd oder bauen ihre Höhlen unter Baumwurzeln in den Straßen. Sie nagen Löcher in die oft über Nacht am Gehsteig herumliegenden riesigen schwarzen Müllsäcke und hinterlassen in weitem Umkreis Abfallspuren. Eine besonders berühmte Maus, "Pizza Rat", schleppte sogar eine ganze Pizzaecke die Stufen einer U-Bahn-Station hinunter. Das Tier wurde dabei auf Video eingefangen und begeisterte das ganze Internet. Auch diese Malerei am Gehsteig spielt darauf an.

Ratte mit Schürze und Pizzastück
"We love NYC." Die etwa 15 Zentimeter große Zeichnung ziert einen Gehsteig im Greenwich Village. (Instagram: go4tart)
Stella Schuhmacher

Mehr Ratten in der Pandemie

Ein Schädlingsbekämpfungsunternehmen schätzt in einer Studie, dass im Jahr 2022 rund drei Millionen Nagetiere unter den 8,5 Millionen Menschen im Big Apple lebten – ein Anstieg von 50 Prozent gegenüber 2010. Vor allem seit 2020 gab es einen massiven Anstieg, was darauf hindeutet, dass die Coronavirus-Pandemie dazu beigetragen hat, die Ausbreitung der Nager zu fördern.

Auch die Zahl der offiziellen Rattensichtungen, die von städtischen Inspektoren dokumentiert werden, hat sich nach Angaben der Stadt 2022 verdoppelt. Während der Pandemie kam es zu massiven Einschränkungen der Sanitärdienstleistungen aufgrund von Budgetkürzungen. Müllsäcke türmten sich oft tagelang auf den Gehsteigen, öffentliche Mülltonnen quollen über. Bürgermeister Eric Adams hat seither die entsprechenden Kürzungen wieder rückgängig gemacht.

Schwarze Müllsäcke am Gehsteig
Müllberge in NYC sind keine Seltenheit.
Stella Schuhmacher

Einführung einer "Rattenzarin"

Die New Yorker Stadtverwaltung versucht nun, der Situation Herr zu werden. Von Bürgermeister Adams wurden die Ratten als "Staatsfeind Nummer eins" – bezeichnet. Im April dieses Jahres ernannte er eine "Rattenzarin", deren Mission höchsten Dringlichkeitsgrad hat. Kathleen Corradi, New Yorks erste Direktorin zur Eindämmung von Nagetieren, wird die Bemühungen, die Rattenpopulation zu reduzieren, vorantreiben.

Ihr steht dafür ein Budget von 3,5 Millionen Dollar zur Verfügung, sie selbst erhält ein Gehalt von jährlich circa 150.000 US-Dollar. Die ursprüngliche Stellenausschreibungen beschrieb den idealen Kandidaten als eine Person mit "dem Antrieb, der Entschlossenheit und dem Killerinstinkt, den man braucht, um den wahren Feind zu bekämpfen: die unerbittliche Rattenpopulation von New York City".

Städtischer Krieg gegen Ratten

Es wurden Stadtgebiete mit den meisten Ratten definiert, in diesen wird verstärkt interveniert. Dazu gehören der Stadtteil Harlem, East Village, Lower East Side, Chinatown sowie Gebiete in der Bronx und Brooklyn. In diesen Zonen werden private Grundstücke zwei Mal im Jahr inspiziert, Schulen und Parks sogar monatlich. Auch die Zahl der Inspektoren und Inspektorinnen wird drastisch erhöht, sie werden zusätzlich mit neuer Ausrüstung ausgestattet, um Ratten im öffentlichen Raum zu bekämpfen.

Ratte mit Rucksack auf Scooter
Man kann nur hoffen, dass die Ratten nicht die Flucht ergreifen und einfach in eine andere Gegend umziehen.
Stella Schuhmacher

Mittlerweile läuft die nächste Phase des städtischen Krieges gegen Ratten im Bereich der Müllentsorgung an. New York ist berühmt-berüchtigt für die stinkenden schwarzen Müllsäcke, die auf Gehsteigen und Straßen herumliegen. Eine neue Regel für Unternehmen, die nächstes Jahr in Kraft treten wird, soll das nun ändern. Ab März 2024 müssen alle Geschäfte in der Stadt ihren Müll in Containern entsorgen. Man schätzt, dass dadurch jeden Tag 20 Millionen Pfund Müll von den Straßen der Stadt entfernt werden. Seit Juli dieses Jahres sind bereits alle Lebensmittelunternehmen – darunter Restaurants, Caterer, Lebensmittelgeschäfte, Feinkostläden und Bodegas – verpflichtet, ihre Abfälle in Containern zu entsorgen.

"Wir haben die Ratten zum Staatsfeind Nummer eins erklärt – aber das ist noch nicht alles. Wir gehen auch gegen die schwarzen Müllsäcke vor, die unsere Straßen übersäen und Nagetieren helfen", sagte Bürgermeister Adams vor kurzem bei einer Pressekonferenz auf der Upper West Side. "Unsere Straßen werden in allen fünf Bezirken sauberer aussehen und besser riechen. New Yorker müssen beim Gehen nicht mehr Müllbergen oder huschenden Ratten ausweichen." Sobald die Regelung nächstes Jahr in Kraft tritt, soll etwa die Hälfte des gesamten Mülls in den fünf Bezirken von der Straße verschwinden. Auch der anderen Hälfte, dem Hausmüll, geht es an den Kragen.

Müll auf Gehsteig
Leider keine Seltenheit. Und ein gefundenes Fressen für Ratten.
Stella Schuhmacher

Für Wohnhäuser gibt es ebenfalls Pläne, den Müll in Containern unterzubringen. Ab Herbst 2024 sollen Gebäude mit mehr als neun Wohnungen ihre Abfälle in rattensicheren Containern aufbewahren. Dieses Programm könnte die Stadt in den nächsten zehn Jahren hunderte Millionen Dollar kosten. Die Stadtverwaltung muss neu ausgerüstete Müllwagen und stationäre Container kaufen sowie gleichzeitig die Häufigkeit der Müllabholung in weiten Teilen der Stadt erhöhen.

Andere Städte wie Barcelona, Buenos Aires und Singapur haben bereits auf diese "Müllcontainerisierung" umgestellt. "Die Vorstellung, dass die großartigste Stadt der Welt ihren Müll nicht in Mülltonnen auf Rädern entsorgen kann, war schon immer völlig absurd. Aber das ist die Art von Denken, die es den Ratten ermöglicht zu gedeihen. Daher stinken unsere Straßen seit mehr als 50 Jahren", sagte die New Yorker Sanitärbeauftragte Jessica Tisch dazu.

Schanigärten
Outdoor Dining erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit.
Stella Schuhmacher

Outdoor Dining bleibt, aber mit Einschränkungen

Die während der Pandemie entstandene und sich großer Beliebtheit erfreuende Freiluftgastronomie darf auf Dauer bleiben, allerdings mit einigen Einschränkungen. Die zum Teil sehr aufwendig gestalteten Bauten müssen über den Winter entfernt werden, was viele Restaurantbesitzer dazu bringen könnte, ihre Schuppen am Straßenrand für immer abzureißen. Das Abtragen, Wiederaufbauen und Dekorieren könnte für viele zu kostspielig und arbeitsaufwendig sein.

Ratte hebt Gewichte
Eine weitere "We love NYC"-Rattenzeichnung, gesehen auf einem Gehsteig im Village.
Stella Schuhmacher

Touristen auf Rattentour

Als ob es New York an Attraktionen mangeln würde, gibt es jetzt einen weiteren Trend. Einige Reiseleitungen der Stadt haben damit begonnen, Stopps an notorisch von Ratten verseuchten Orten einzulegen, wie in der "New York Post" nachzulesen ist. Der Rattentourismus scheint sich schnell zu einer boomenden Industrie zu entwickeln. Und kreative New Yorker haben ein neues Lieblingsmotiv für die Dekoration von Gehsteigen entdeckt: Ratten und "We love NYC"-Slogans, wie in diesem Beitrag bereits mehrere Male zu sehen war.

Schwarze Tonnen statt Müllsäcke.
Die neuen Mülltonnen vor einem Restaurant.
Stella Schuhmacher

Doch es gibt Grund für Optimismus: Die Anzahl der gemeldeten Rattensichtungen hat während der Sommermonate wieder abgenommen, hoffentlich ein Zeichen dafür, dass die Maßnahmen erste Erfolge zeigen. Schwarze Giftstationen für Ratten und Mäuse befinden sich jedenfalls überall. Die beliebte "Transit"-App, die Echtzeitdaten zu öffentlichen Verkehrsmitteln liefert, hat außerdem eine neue Rattenfunktion erhalten. Nutzer und Nutzerinnen können das Sichten einer Ratte in einer Subway-Station melden und so bei deren Bekämpfung mithelfen. (Stella Schuhmacher, 27.10.2023)