Glatz-Kremsner
Mittwoch im Straflandesgericht: Ex-Kanzler Sebastian Kurz, dessen früherer Kabinettschef Bernhard Bonelli (Mitte) und die ehemalige Casinos-Austria-Chefin und ÖVP-Vizeobfrau Bettina Glatz-Kremsner.
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Die einzig wirklich spannende Frage der heimischen Politik kann in diesen Tagen nur lauten: Wer kommt früher zu seinem abschließenden Urteil – Karl-Heinz Grasser oder Sebastian Kurz? Die Geschichte hat über beide längst geurteilt, nur die Justiz hinkt etwas nach, was aber nicht an ihr liegt, auch wenn beide Herren das gern so darstellen. Und wer war dieser Grasser, werden sich nun viele, vor allem jüngere Staatsbürgerinnen und -bürger fragen, so wie sich viele Mitglieder der Volkspartei dereinst fragen werden: Was haben wir nur in Kurz gesehen?

Beide verkörperten sie das Prinzip Hoffnung schwarz-blauer Regierungen in der ästhetischen Gestalt des Jünglings, dem die Kronen Zeitung nicht widerstehen kann, wenn sie potenzielle Schwiegermütter bei Laune halten will. Allein damit war ihre Einsetzung in staatliche Ämter gerechtfertigt, in denen innere Qualitäten wie Reife, Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein gegenüber der äußeren Form zurückstehen mussten, solange sich die Begnadung österreichischer Wählerinnen und Wähler für die Schönheit billig in Stimmen ummünzen ließ. Beide fanden sich als Opfer einer grausamen Justiz, in der sie Handlanger dunkler politischer Mächte wähnen, im Gerichtssaal wieder.

Glatz-Kremsners Stand als Frau

Wie schon der erste Tag im aktuellen Prozess bewiesen hat, sind Frauen in solchen Situationen realistischer. Bettina Glatz-Kremsner, zeitweilig die Personalunion von Volkspartei und Casinos, sagte sich rien ne vas plus und machte ihr Spiel. Sie werde sich nicht schuldig bekennen, aber "ihre Frau stehen". Das kennt man seit der Erbsünde, war aber ein starker feministischer Ansatz, der gegen Bezahlung von 104.000 Euro zwar nicht ihre Unschuld, aber immerhin ihre Unbescholtenheit rettete. Vorläufig. Denn ob in den Staatsanwälten ebenso viel feministische Begeisterung lodert wie im Richter, muss sich erst noch herausstellen.

Sie habe Dinge nicht gesagt, die sie hätte sagen sollen, untermauerte Glatz-Kremsner ihren Stand als Frau und wies damit auf die begrenzten Möglichkeiten ihrer männlichen Mitangeklagten hin. Die haben Dinge gesagt, die sie nicht hätten sagen sollen – zum Beispiel "Kriegst eh alles, was du willst" –, obwohl sie besser Dinge nicht gesagt hätten, die sie auch nicht hätten sagen sollen. Wie soll man da im Nachhinein seinen Mann stehen? Da hilft höchstens noch die Berufung auf einen Aussagenotstand, wenn man es schon versäumt hat, sich rechtzeitig als Kronzeuge anzubieten.

Zu dem Prozess konnte es überhaupt nur wegen des Missstandes kommen, dass Regierungsmitglieder, und insbesondere ein Bundeskanzler, den Abgeordneten des Nationalrates als den Vertretern des Volks gegenüber verantwortlich sind, und nicht umgekehrt. Das muss zu unschönen Szenen führen, wenn in einem Untersuchungsausschuss, wie beklagt wurde, nach der politischen Wahrheit gesucht wird. Der doppelte Heimvorteil der Abgeordneten gegenüber einem Bundeskanzler macht korrekte Aussagen schwer: Sie sind nicht zur Objektivität verpflichtet, und dann auch noch strafrechtlich immun. Und dann sabotieren sie das Neuregieren auch noch mit Misstrauen.

Besseres als ein Freispruch, den die Öffentlichkeit als einen solchen mangels an Beweisen empfindet, kann da nicht herauskommen. Das müssen die letzten Kurz-Fans verkraften. (Günter Traxler, 19.10.2023)