Chritopher Drexler und Markus Wallner.
Chritopher Drexler und Markus Wallner.
Collage: derStandard/Friesenbichler, Fotos: Danner, APA

Drei Landtagswahlen in diesem Jahr waren schon etwas Besonderes, aber 2024 wird ebenso ein Superwahljahr: Neben der EU- und der Nationalratswahl wird auch in Vorarlberg und in der Steiermark gewählt. Und zwar im Herbst, wenn möglich mit ausreichend Abstand zur Nationalratswahl. In diesem Herbst, ein Jahr vor den regionalen Urnengängen, liegt in beiden Bundesländern schon Wahlkampfstimmung in der Luft.

Während im Ländle mit Markus Wallner ein erfahrener Landeshauptmann für die ÖVP ins Rennen gehen will, ist Christopher Drexler (ebenfalls ÖVP) in der Steiermark noch fast ein "Newcomer". Er ist zwar schon seit seiner Jugend in der Politik, steht aber erst seit Sommer 2022 als Landeshauptmann an der Spitze. Ein Minus für die beiden Christlich-Sozialen gilt als fix, die Frage ist, wie hoch es ausfallen wird.

Turbulenzen passé

In Vorarlberg startet man von hohem Niveau: 2019 erreichte die ÖVP noch 43,5 Prozent und konnte sogar zulegen. In der Zwischenzeit gab es Umfragen, die die Partei um Wallner unter der magischen 30-Prozent-Marke sahen. Das war zu Hochzeiten der Wirtschaftsbund-Affäre Mitte 2022. Die Ermittlungen gegen Wallner wurden bekanntlich eingestellt, er wurde in der Causa von einem anonymen Unternehmer beschuldigt, für Anzeigen im Wirtschaftsbund-Magazin ein Entgegenkommen des Landes, etwa bei Betriebsgenehmigungen, in Aussicht gestellt zu haben. Wallner begab sich – unter anderem deswegen – wegen Überlastung in einen mehrwöchigen Krankenstand. Von alldem ist derzeit kaum mehr etwas zu spüren.

Auch die innerkoalitionäre Beziehung läuft wieder besser: Die Grünen wurden zeitweise von so manchem ÖVP-Vertreter für die eigentlich stärkste Oppositionspartei gehalten und somit mit Skepsis beäugt. Den Misstrauensantrag gegen Wallner im Landtag unterstützten die Grünen dann aber doch nicht. Für Daniel Zadra, der Johannes Rauch als Landesrat ablöste, nachdem dieser als Minister nach Wien wechselte, war das alles dennoch ein denkbar schlechter Start mit Wallner.

Verbesserte Zusammenarbeit

Mittlerweile sei die Zusammenarbeit wieder besser, wird in beiden Parteien betont. Einfach ist es nicht: ÖVP und Grüne sind sich in vielen inhaltlichen Fragen nicht einig. "Da funktioniert eine Zusammenarbeit nur, wenn man wirklich will", sagt ein Grüner. Es ist die zweite Auflage von Schwarz-Grün, 2019 wurde der Juniorpartner zweitstärkste Kraft.

Misstrauensanträge? In der Steiermark macht die türkis-rote Koalition eher auf unaufgeregte, Kritiker meinen langweilige Pragmatik. Die emotional stärksten landespolitischen Momente in der Steiermark waren zuletzt mit Abschieden verbunden. Als Hermann Schützenhöfer das Zepter des Landeshauptmanns an seinen Kronprinzen Christopher Drexler übergab, lag viel Pathos in der Luft, und als der langjährige Agrarlandesrat Hans Seitinger auf Drängen seines Arztes zurücktrat, wurde der sympathische, stets im Hintergrund wirkende Agrarier tränenreich verabschiedet.

Drexler nutzte Seitingers Abgang für eine größere Rochade. Ob bedrängt oder freiwillig, ist nicht überliefert: Jedenfalls legte in der Folge auch die Gesundheitslandesrätin, die ehemalige Familienministerin Juliane Bogner-Strauß, ihr Amt nieder und kündigte an, wieder ins Parlament zu wechseln. Bogner-Strauß stand in den letzten Monaten im Zentrum heftiger Kritik wegen der anhaltenden Versorgungskrise in den Spitälern.

Raus aufs Land

Drexler hat nun den Spitalsarzt, ÖAAB-Freund und Bundesrat Karlheinz Kornhäusl als neuen Spitalslandesrat zu sich geholt. Was einen Hinweis auf Drexlers Gedankenwelt gibt, die sehr vom Mentor Schützenhöfer geprägt ist. Drexler wurde wie Schützenhöfer im Österreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund (ÖAAB) politisch sozialisiert, die absolute Richtschnur für Drexler. Er bewegt sich in ausgetretenen Pfaden. Alte Schule eben.

Drexler muss sich an die ÖVP-Realität anpassen. Die Parteistärke ist "draußen" bei den Bürgermeistern. Im urbanen Graz, einer KPÖ-Grünen-Hochburg, ist für die ÖVP nicht mehr viel zu holen. Also muss Drexler raus aufs Land. Sein neues Trachtenoutfit konterkariert einigermaßen den Nimbus des städtischen Intellektuellen mit der scharfen Rhetorik. Obendrein: Auf dem Land muss sich Drexler mit der FPÖ matchen. Eine Gefahr, denn die Finanzskandale, die Justizverfahren und die Ermittlungen rund um den Grazer FPÖ-Klub, die auch den Ex-Minister Mario Kunasek betreffen, sind in der Steiermark bis dato kein großes Thema. Kunaseks Immunität wurde im Landtag zwar aufgehoben, die anderen Parteien halten sich aber ansonsten aus der FPÖ-Causa völlig heraus. Kunasek kann sich mit voller Lautstärke auf seine Rolle als Opposition konzentrieren.

Im urbanen Graz gibt es für die ÖVP um Christopher Drexler nicht viel zu holen, der Landeshauptmann muss deswegen raus aufs Land – zum Match mit der FPÖ.

Absturz

Kunasek könnte – wenn sich die juristische Lage für ihn nicht zuspitzt – vom Bundestrend profitieren. Die FPÖ war 2019 von zuletzt 26 auf 17 Prozent abgestürzt. Da scheint noch einiges Potenzial vorhanden zu sein. "Die alten FPÖ-Wähler sind im Wartesaal", sagt der Politikexperte an der FH Joanneum Heinz Wassermann.

Aus heutiger Sicht ist die Gefahr, dass die ÖVP mit Drexler, die zuletzt dank des Kurz-Höhenflugs auf 36 Prozent kam, nach der Wahl im Herbst 2024 den Landeshauptmannsessel verlieren wird, dennoch gering. Denn mit dem innerparteilich unumstrittenen Anton Lang hat er einen treuen Roten als seinen Stellvertreter in der Regierung an der Seite.

Aus heutiger Sicht dürften ÖVP und SPÖ, die zuletzt bei 23 Prozent lag, gemeinsam wohl mehr als 50 Prozent auf die Waage bringen. Für diesen Fall – das haben beide mehrmals beteuert – wollen sie ihre Koalition weiterführen. Freilich: Das Pendel wird für die ÖVP zurückschlagen, sagt Wassermann. Offen sei eben nur, wie viele Prozentpunkte sie von den 36 Prozent verlieren werden. Kolportierte Umfragen sehen momentan ÖVP, SPÖ und FPÖ auf einem gleichen Niveau rund um 26 Prozent. Eine Momentaufnahme.

Die Frage nach der FPÖ

Umfragen von großen Instituten dazu, wie eine Landtagswahl im Ländle derzeit ausgehen würde, gibt es nicht. Die Parteien sind indes fleißig beim Abfragen. Die große Frage im Westen wird sein, ob die ÖVP erneut die Zusammenarbeit mit den Grünen sucht oder dem Bundesländertrend folgt und wie in Niederösterreich und Salzburg mit der FPÖ koaliert. Die Freiheitlichen können auch im Ländle mit ordentlichem Zuwachs rechnen, fand die letzte Wahl doch vor dem Hintergrund von Ibiza statt. Allerdings: Auch zu Hochzeiten ist Vorarlberg kein einfaches Terrain für die Blauen. Bei den beiden Stichwahlen zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen um die Bundespräsidentschaft 2016 kam Letzterer beide Male auf 60 Prozent, was österreichweit nach Wien das zweitbeste Ergebnis bedeutete. Die Wahlen werden im bevölkerungsreichen und urbanen Rheintal und im Walgau entschieden, die FPÖ fährt ihre stärksten Ergebnisse meist in anderen, ländlicheren Gebieten wie im Montafon ein.

Aber auch hier gilt: Der bundespolitische Trend wird eine Rolle spielen. Der sieht die FPÖ bekanntlich ganz oben. Und: Blaue Apologeten gibt es in der ÖVP durchaus. Dem Landeshauptmann wird keine persönliche Tendenz zu Blau oder Grün nachgesagt. Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ hat er nicht ausgeschlossen.

Mit den beiden anderen derzeit im Landtag vertretenen Parteien – der SPÖ und den Neos – geht es sich aus heutiger Sicht rein rechnerisch gar nicht aus. Beide bieten sich allerdings offensiv an. Und mit Mario Leiter (SPÖ) und Claudia Gamon (Neos) ist neues Personal an der Spitze.

Der K-Faktor

In der Steiermark könnte es hingegen auch Überraschungen geben: SPÖ-Chef Anton Lang ist recht leise, aber umtriebig im Land unterwegs, er eröffnet Kreisverkehre und kleine Bahnhöfe, er sucht die Basis. Große politische Visionen sind von ihm nicht überliefert. Aber auch nicht von Drexler. "Lang könnte wie ein Zufallsolympiasieger, den wir nicht auf der Rechnung hatten, plötzlich oben stehen", orakelt Wassermann.

Einiges zu erwarten ist von der Grazer Bürgermeisterinpartei KPÖ. Der Erfolg in Graz mit Elke Kahr wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Dunkelroten im Land beflügeln, zumal deren Problemgenosse Werner Murgg, der mit seinen Reisen und wohlmeinenden Interviews im belarussischen Staatsfernsehen für österreichweites Aufsehen gesorgt hat, nicht mehr dabei ist. Mit der sehr bodenständigen und leutseligen Landtagspolitikerin Claudia Klimt-Weithaler als Spitzenfrau könnte die KPÖ auch auf dem Land für eine Überraschung sorgen.

Die Regierungsbeteiligung der Grünen in Graz mit Vizebürgermeisterin Judith Schwentner könnte auch den Grünen im Land, die sich auf ihre Urthemen Umwelt und Klima konzentrieren, einen Schub geben.

Markus Wallner
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner hat sich nicht nur gesundheitlich von der Wirtschaftsbund-Affäre erholt. Er sitzt fest im ÖVP-Sattel.
APA/STIPLOVSEK DIETMAR

Hüsle baua

Die Sorgen und Wünsche der Steirer und der Vorarlberger sind ähnlich und freilich von der derzeit noch immer hohen Inflation beeinflusst. Das wird sich auch auf die Inhalte im kommenden Wahlkampf auswirken.

In Vorarlberg steht das Thema Wohnen ganz oben auf der Agenda. Der Traum vom Eigenheim, der im Ländle mit "Schaffa, Schaffa, Hüsle baua" für viele beinahe zum Selbstverständnis gehört, ist für das Gros der Bevölkerung in weite Ferne gerückt. Die Regierung versucht gegenzusteuern, wo es geht, und erhöhte zuletzt etwa die Mittel für die Wohnbauförderung. Die im Bundesländervergleich extrem hohen Grundstückspreise und Baukosten, weiter steigende Zinsen und strenge Kreditvergaberichtlinien stehen sämtlichen Bemühungen im Weg. Auch für Mieterinnen gibt es neue Zuschüsse und Maßnahmen für mehr gemeinnützigen Wohnbau.

Eine Studie im Auftrag der Arbeiterkammer zeigt, dass das Thema Wohnen sozialpolitische Sprengkraft birgt: Zehn Prozent der Vorarlberger besitzen demnach 76 Prozent der bebauten und unbebauten Wohnbaugrundstücke. Letztere sind rar. Experten plädieren deswegen für Maßnahmen gegen spekulativen Wohnbau: Wer keinen Bedarf für die Deckung des eigenen Wohnbedarfs hat, soll nicht kaufen. Rechtlich sei das nicht einfach, aber möglich. Wallner bestätigte zuletzt, dass Änderungen des entsprechenden Grundverkehrsgesetzes diskutiert werden.

Spitalswahnsinn

Die Themen Wohnen, leistbare Mieten und Nutzung von Leerständen sind natürlich auch in der Steiermark Topthemen, aber eher fokussiert auf die Landeshauptstadt. Hier hat die KPÖ das Thema quasi "besetzt", deren Engagement in dem Bereich mitentscheidend war für den Erfolg bei der Gemeinderatswahl.

Im Land wird in den nächsten Monaten aber ein anderes Thema dominieren: die bereits angeführte Spitalskrise. Versorgungsengpässe in den Krankenhäusern, lange Wartezeiten bis hin zu abgesagten Operationen veranlassen immer mehr Kranke dazu, in umliegende Bundesländer, etwa nach Kärnten, oder in Privatkliniken auszuweichen.

Dem neuen Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl, der jetzt die Sache vor den Wahlen in den Griff bekommen soll, hat Landeshauptmann Christopher Drexler – bildlich gesprochen – einen Mühlstein um den Hals gehängt. Denn wirkliche Verbesserungen im Spitalssystem heißt, alle Spitalsstrukturen, alle Abläufe innerhalb des Systems zu hinterfragen. Mit Geld allein werde das Problem nicht zu lösen sein, ist der Rektor des Uni-Klinikums, Hellmut Samonigg, überzeugt.

Mächtige Gegner

Dem Spitalsarzt Kornhäusl stehen in der großen Spitalsholding Kages allerdings die mächtigen Belegschaftsvertreter seiner Parteifreunde aus dem ÖAAB und standesbewusste Ärztevertreter gegenüber.

Auf der anderen Seite kommt von der ÖVP-Klientel, den Bürgermeistern, in den Bezirken Druck, die die regionalen Spitäler erhalten und ordentlich ausgestattet haben wollen.

Was nun in die Regionen an Geld und Investitionen fließt, fehlt allerdings im Zentralspital in Graz, das eine Verpflichtung hat, Patienten zu versorgen. Aber genau hier beginnt das System bereits zu wackeln. Das Klinikum in Graz kann schon jetzt seinen Auftrag kaum erfüllen. Für Drexler wird die Frage der Gesundheitsversorgung die ganz große Bewährungsfrage in diesem Wahljahr werden – und womöglich auch wahlentscheidend. Denn mittlerweile kennt jeder jemanden, der mindestens einige Wochen oder Monate auf eine Behandlung im Spital warten musste. Zum Teil mit dramatischen Folgen.

Wichtige Ortschefs

Für Wallner dürfte eine Schlüsselfrage der Rückhalt "seiner" Bürgermeister sein. Denn sie spielen für die Mobilisierung eine zentrale Rolle. Allerdings gab es zuletzt herbe Verluste für die Bürgermeisterpartei ÖVP: mit Höchst ausgerechnet den Heimatort von Ex-Landeshauptmann Herbert Sausgruber und Finanzminister Magnus Brunner. An die Grünen ging auch Lochau, schmerzhaft dürfte außerdem der Verlust in Bregenz gewesen sein. Nach 30 Jahren regiert wieder die SPÖ.

Andererseits sorgt vor allem das Thema Verkehr immer wieder für Zwist zwischen Landes-ÖVP und Bürgermeistern. Im Spätsommer gipfelte das in der Diskussion um die Vergrößerung des Einkaufszentrums Messepark in Dornbirn. Keine einzige Gemeinde von 96 sprach sich explizit für einen Ausbau aus, oft mit dem Verweis auf zunehmenden Verkehr. Im Raumplanungsbeirat gab es dennoch ein klares Votum für eine Vergrößerung. Dagegen hielt unter anderem ein ÖVP-Bürgermeister. Nicht der einzige Protest: Ein anderer Ortschef trat aus der Partei aus. Bevor die Bürgermeister für ihn rennen, wird daher auch der Landeshauptmann da und dort noch Überzeugungsarbeit leisten müssen. (Lara Hagen, Walter Müller, 21.10.2023)

In einer ersten Version war eine Grafik zur Sitzverteilung im steirischen Landtag enthalten, die leider fehlerhaft war - der SPÖ wurden 18 statt 12 Mandate zugeordnet.