Die fünfköpfige Riege an Schauspielerinnen ist großartig.
Die fünfköpfige Riege an Schauspielerinnen ist großartig.
Daniel Jarosch

Baumwollunterwäsche ist ein No-Go, so steht es an der Eingangstür im Dresscode zu lesen. Für die Kunst macht das in einem Innsbrucker Gewerbegebiet angesiedelte Etablissement für "open minded people" aber eine Ausnahme und die Bühne frei für lange Unterhosen und ins Groteske übersteigerte Erotikposen. Mit einem furiosen Intro lassen die fünf Darstellerinnen Carmen Gratl, Wiltrud Stieger, Antje Weiser, Tülin Pektas und Julia Jenewein auch das Motto des Abends erahnen: Sex ist, wenn du trotzdem lachst.

Sex ist außerdem allgegenwärtig, was ein interessantes Phänomen zeitigt, nämlich den Verlust der Lust. Oder, um es mit den Worten der Spiegel -Kolumnistin und Autorin Margarete Stokowski zu sagen: "Überall geht es irgendwie um Sex, aber wir haben keinen, oder nicht den, den wir wollen."

Wo sonst sollte dieses Problemfeld erörtert werden als in einer einschlägigen Bedürfnisanstalt? Eben. Das Publikum wird per Öffi an den bis zur Premiere geheim gehaltenen Spielort namens The Bold Club verfrachtet, unterwegs gibt’s via Kopfhörern intime Handlungsanweisungen (Händchenhalten!) und Liebeslieder auf die Ohren.

Keine einfachen Antworten

Oversexed & Underfucked titelt die neueste Produktion des Innsbrucker Theaters Praesent, das unter der künstlerischen Leitung von Michaela Senn und Elke Hartmann einen starken Fokus auf Feministisches und Experimentelles legt. Zwischen Theater, Performance und gelegentlichen Ausreißern in Richtung Comedyshow bewegen sich die Regisseurinnen und Stückentwicklerinnen Senn und Hartmann in Oversexed & Underfucked entlang der Frage, was an der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse denn so schwer sein kann. Erwarten Sie sich keine einfachen Antworten. "Ich will eine Orgie!", sagen die einen. "Ich will am Rand der Orgie sitzen und eine Socke stricken", sagen die andern.

Zwischen den Zeilen kristallisiert sich das Bedürfnis nach Nähe, sei es nun körperliche oder geistige, als die eigentliche Sehnsucht heraus, allzu tiefsinnig wird es deshalb aber nicht. Für Sentimentalitäten bleibt zwischen reichlich saftigem Sextalk und (praktischerweise schon vorhandenem) Sexmobiliar nicht allzu viel Raum, dafür zündet der Humor über weite Strecken bestens, was das Verdienst der großartigen Schauspielerinnenriege ist. "Männerprobleme" werden im Übrigen auch erörtert – in einer ebenfalls sehr erheiternden Tonband-Einspielung.

Bei so viel Bereitschaft zur Selbstentblößung ist es dann auch nur fair, dass sich das Publikum im Dunkel des Zuschauerraums nicht allzu sicher fühlen darf. Man bekommt vor Beginn der Aufführung eine Nummer ausgehändigt, wird sie gezogen, muss man für eine Privatlektion in Sachen Intimität ins Separée. Oder aufs WC. (Ivona Jelcic, 23.10.2023)