Marc Andreeson
Marc Andreeson, Tech-Unternehmer und Tech-Optimist.
imago/ZUMA Press

Marc Andreessen ist ein erfolgreicher Mann. Er hat Firmen wie Netscape aufgebaut und früh in Facebook, Linkedin und Skype investiert. Sein Vermögen wird auf 1,7 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Andreessen ist ein guter Mitmensch; er wird als bodenständig und humorvoll beschrieben. Zusammen mit anderen Milliardären hat er sich verpflichtet, die Hälfte seines Lebenseinkommens wohltätigen Zwecken zu widmen. Obwohl sonst eher Republikaner, hat er Hillary Clinton gegen Donald Trump unterstützt. Andreessen ist auch ein Techno-Optimist, der vor einer Woche ein Manifest veröffentlicht hat. Es fängt mit einem kurzen Abschnitt "Lügen" an: "Man sagt uns, wir sollten wütend, verbittert und misstrauisch gegenüber Technologie sein." Und endet damit, dass "uns gesagt wird, dass wir unglücklich über die Zukunft sein sollen".

Der Kern des Manifests ist: "Wir glauben, dass wir die Herren der Technik sind, waren und immer sein werden, und nicht von der Technik beherrscht werden. Die Opfermentalität ist ein Fluch in jedem Bereich des Lebens, auch in unserer Beziehung zur Technologie – sie ist unnötig und selbstzerstörerisch. Wir sind keine Opfer, wir sind Eroberer."

Techno-Optimismus

Damit reflektiert Andreessen den techno-libertären Mainstream, in dem wir alle leben. Mit dessen Werkzeugen kommuniziert die Menschheit – vom iPhone bis zu Whatsapp –, organisiert ihren Alltag, informiert sich. Techno-Libertäre sind einflussreich; Andreessen ist diese Woche zum Beispiel Gast im Expertenforum des US-Senats zum Thema künstliche Intelligenz.

Techno-Optimismus beruht auf einer Art Religion, Effective Accelerationism ("e/acc"), nach der das Universum ein Optimierungsprozess ist, der Leben hervorbringt und sich ständig ausdehnt. Die Menschheit löst darin Probleme durch technologischen Fortschritt und Wachstum. Nicht ganz grundlos besagt dieser Glaube, dass Gegenbeispiele – wo die Menschheit ein Problem durch Rückschritt gelöst hat – selten bis inexistent sind.

Es ist leicht, sich über Techno-Libertäre und dieses Manifest lustig zu machen. Es verschweigt die Risiken des Überwachungskapitalismus oder von Fake News. Die Kernenergie wird erwähnt, die Gefahr eines Atomkriegs nicht. Andreessens Techno-Optimismus ignoriert nicht nur Risiken, sondern auch echte gesundheitliche, soziale, ökologische und wirtschaftliche Schäden, von Contergan bis zur Erderwärmung.

Es mag Zeiten gegeben haben, in denen uneingeschränkter Techno-Optimismus kein Unsinn war, vielleicht bis zum Ersten Weltkrieg. Nach der Shoah und dem selbstzerstörerischen Umgang mit der Klimaentwicklung muss man schon gewaltige Scheuklappen haben, um daran festzuhalten.

Zwischen dem naiven, auch kalkulierten Optimismus der Techno-Libertären, Weltuntergangsszenarien und der Degrowth-Bewegung gibt es einen dritten Weg: den des umsichtigen Fortschritts der Menschheit auf der Basis einer regelbasierten Marktwirtschaft und neuer Technologien. Noch nie war die Menschheit zum Beispiel so erfolgreich bei der Reduktion der Armut wie in den letzten Jahrzehnten. Wir können bei aller Skepsis und Sorge das Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten bewahren: Wir schaffen das. (Veit Dengler, 23.10.2023)