In ihrem Artikel "Revisiting the Commons" von 19991 betont Elinor Ostrom, dass Erfahrungen von nachhaltig bewirtschafteten lokalen Commons nicht eins zu eins auf globale Gemeingüter wie die Atmosphäre oder die Weltmeere übertragen werden können. Traditionelle Commons beruhen oft auf jahrhundertelangen Prozessen von Versuch und Irrtum. Bei einem Fehlschlag konnten die Menschen bisher auf andere Ressourcen ausweichen. Da wir nur eine Erde haben, ist uns das global nicht möglich.

Was lässt sich von Strategien erfolgreicher Commons lernen? Sicherlich können sich acht Milliarden Menschen nicht auf einem Dorfplatz versammeln, um Regeln auszuarbeiten. Es sind also die Staaten, die ihre Vertreter:innen an den Verhandlungstisch schicken. Dass es solche Verhandlungen und internationale Vereinbarungen wie das Pariser Abkommen überhaupt gibt, ist in der Geschichte der Menschheit noch nicht dagewesen. Auch dass es von allen Staaten anerkannte wissenschaftliche Gremien gibt wie den Weltklimarat IPCC oder den Weltbiodiversitätsrat IPBES.

Doch die Vertreter:innen, die da verhandeln, müssen denen gegenüber, die sie vertreten, auch rechenschaftspflichtig sein, damit ihnen vertraut werden kann. Staatliche Verhandlungsteams neigen dazu, kurzfristige politische Erfolge über echte Nachhaltigkeit zu stellen, indem sie ein für die heimische Wirtschaft günstiges Ergebnis nach Hause bringen. Unabhängige Organisationen wie Climate Watch oder Climate Action Tracker überprüfen, wie zielführend die Versprechungen der einzelnen Staaten sind, wie glaubwürdig sie sind und wie weit sie letztlich eingehalten werden. Es braucht aber auch eine Öffentlichkeit, die solche Kontrollmöglichkeiten nutzt und ihre Vertreter:innen bei Bedarf zur Rechenschaft zieht.

Was alle Menschen angeht

Dass die globalen Probleme ohne die Erkenntnisse der Wissenschaft nicht bewältigt werden können, sollte klar sein. Doch die Verhandler:innen, die die Regeln ausarbeiten, müssen auch das Wissen und die Erfahrungen derer, die sie vertreten, mit einbeziehen. Der österreichische Klimarat zum Beispiel wäre eine gute Anlaufstelle.

Doch was genau sind globale Gemeinschaftsgüter, die als Commons bewirtschaftet werden sollen? Die Atmosphäre ist unteilbar. Auch die Ozeane sind in Wahrheit unteilbar, doch beanspruchen Küstenstaaten aufgrund des UN-Seerechtsübereinkommens Teile davon als ihnen zustehende "ausschließliche Wirtschaftszonen". Und die machen insgesamt 42 Prozent der Weltmeere aus. Doch Verschmutzung lässt sich nicht auf eine 200-Meilenzone begrenzen, und die Aufnahmefähigkeit dieser Zonen für CO2 betrifft ebenfalls alle Menschen. Und dasselbe lässt sich auch von Wäldern, Mooren, Böden im Allgemeinen sagen: Wie viel CO2 dort gespeichert werden kann, geht alle Menschen auf der Erde an, auch wenn diese Landflächen jeweils einem Staat gehören und ihre Nutzung oder Übernutzung auch für die lokale Bevölkerung positive oder negative Auswirkungen hat.

Querschnitt der Erdoberfläche, Ozean, Stadt, Wald, Gesteinsschichten
Globale Gemeinschaftsgüter, wie sie das Mercator Institute for Global Commons and Climate sieht
Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gGmbH, Berlin, Globale Gemeingueter MCC Research Institute, CC BY-SA 3.0

Auch auf der globalen Ebene müssen nicht nur Regeln erarbeitet werden, es muss auch sichergestellt werden, dass die Regeln möglichst wenig gebrochen werden. Es muss die Möglichkeit zu Sanktionen geben. Die Erfahrung aus traditionellen Commons zeigt: Die meisten halten sich an die Regeln, solange sie sicher sind, dass die meisten sich an die Regeln halten.

Wesentlich für eine nachhaltige Bewirtschaftung von Commons ist Transparenz. Auch wenn nicht alle alles über alle wissen können: Die Möglichkeit zur Kontrolle muss vorhanden sein. Insbesondere große Akteure wie Konzerne und Finanzinstitute müssen kontrollierbar sein. Um Transparenz sicherzustellen, genügt es auch nicht, dass ich mir Informationen beschaffen kann – ich muss sie verstehen. Bildungssysteme müssen möglichst breit Umweltwissen vermitteln.

Warum gerade wir?

Die erste Hürde, um überhaupt zu gemeinsamem Handeln zu kommen, ist oft die Frage: Warum soll gerade ich, warum sollen gerade wir anfangen? Selbst die Bemühungen, die anderen an den Verhandlungstisch zu bringen, sind ja schon kostspielig.

Auf der globalen wie auf der lokalen Ebene kann der Gewinn von Ansehen ein Anreiz sein, den ersten Schritt zu tun. Viele Maßnahmen, die den Ausstoß von Treibhausgasen verringern – von denen also die ganze Weltbevölkerung profitiert – haben auch einen Nutzen für die lokale Bevölkerung und die eigene Staats-, Landes- oder Gemeindekasse. Begrünung der Städte durch Bäume und Parks bindet CO2, das nützt allen Erdenbürger:innen. Sie verbessert aber auch das Kleinklima in der Stadt, das nützt den Bürger:innen.

Beschränkungen für Verbrennungsmotoren verringern nicht nur den Ausstoß von CO2, sondern auch die lokale Luftverschmutzung durch Feinstaub. Das erspart immense Kosten im Gesundheitssystem. Zwei Milliarden Menschen auf der Erde heizen und kochen mit Holz, Dung und dergleichen und leiden unter der Luftverschmutzung innerhalb ihrer Behausungen. Diese Haushalte zu elektrifizieren – oder sie wenigstens mit Gaskochern auszustatten – verringert die Entwaldung und damit die Bodenerosion und erspart ungeheure Kosten für Erkrankungen des Atmungssystems und der Augen.

Sparsamer, genau berechneter Einsatz von Kunstdünger spart Geld, verlangsamt die Zerstörung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit und verringert den Ausstoß von Lachgas, einem besonders potenten Treibhausgas. Laut der EU-Kommission betragen die Kosten für das Gesundheitssystem, die durch eine inaktive Lebensweise entstehen (Herzerkrankungen, Diabetes II, Darm- und Brustkrebs), jährlich 80 Milliarden Euro. Das könnten sich die Staaten ersparen, indem sie zu Fuß gehen, Radfahren und Sport im Allgemeinen fördern, und für die einzelnen Menschen würde es gesteigertes Wohlbefinden bringen.

Alle diese CO-Benefits können ein Anstoß sein, unabhängig von dem, was andere tun, mit Klimaschutzmaßnahmen zu beginnen.

Wo sollen Entscheidungen fallen?

Manche wirtschaftliche Anreize sind allerdings zweifelhaft. Wenn Länder in die Entwicklung erneuerbarer Energien investieren, um die Marktführerschaft für neue Technologien zu erringen, kann das zu einem Wettbewerb führen, der wiederum in die Überausbeutung von Ressourcen mündet, sowohl von Energie als auch von Rohstoffen wie Lithium, Kobalt, Bauxit (Aluminium) und anderen. Insgesamt ist es zweifelhaft, ob es es möglich ist, Wirtschaftswachstum mit einer ausreichenden Verringerung der Emissionen zu verbinden. Das Wirtschaftswachstum der EU beträgt durchschnittlich 2,2 Prozent, doch die Emissionen sind in den letzten 30 Jahren um 29 Prozent gesunken, also weniger als ein Prozent pro Jahr. Das geht sich für die Pariser Klimaziele nicht aus.

Eine wichtige Erkenntnis aus Elinor Ostroms Forschungen ist, dass große Commons durch ineinander verschachtelte Institutionen, also durch Zusammenschlüsse von kleineren Commons verwaltet werden können. Entscheidungen werden nicht von der obersten Instanz gefällt. Informationen und Beschlüsse fließen von unten nach oben und von oben nach unten. Die Aufgabe der oberen Instanzen ist vor allem, die Anliegen der unteren Instanzen zusammenzuführen und die Voraussetzungen für die Arbeit der unteren Instanzen zu schaffen. Ostrom bezeichnet das als "Multilevel Governance".

Globale Commons und lokale Lösungen

Die Erhaltung der Wälder als Kohlenstoffspeicher ist von globalem Interesse für die Verhinderung der absoluten Klimakatastrophe. Jedoch: "Jedes einzelne formelle Gesetz, das dazu gedacht ist, ein großes Territorium mit verschiedenen ökologischen Nischen zu verwalten, muss notgedrungen in vielen der Lebensräume, für die es gelten soll, versagen"2, schrieb Ostrom 1999. Die besten "Hüter des Waldes" sind die Menschen, die ihn kennen, weil sie dort leben. Der Schutz dieser Wälder vor Abholzung, Zerstörung durch Bergbau, Landgrabbing usw. ist in ihren unmittelbaren Interesse. Staatliche und überstaatliche Institutionen sollten also vor allem das Recht dieser Gemeinschaften auf Selbstorganisation garantieren und ihnen die Unterstützung geben, die sie dazu brauchen.

Die Bodenversiegelung in Österreich zu bremsen ist ein nationales – und letztlich auch ein globales – Anliegen. Aber die Problemlagen sind von Region zu Region, von Gemeinde zu Gemeinde zu unterschiedlich. Die Erhaltung der Bodenqualität in der Landwirtschaft erfordert je nach Landschaft unterschiedliche Maßnahmen und lokale Zusammenarbeit. Energiesparmaßnahmen können in Hausgemeinschaften, Dorfgemeinschaften, Bezirken oder auf der Ebene von Städten ausgehandelt werden. Die Gestaltung des privaten und öffentlichen Verkehrs ist eine Frage der Raumplanung, die überall auf unterschiedliche Bedingungen stößt.

Auf all diesen Ebenen gibt es zwischen den beiden Extremen – die Regulierung dem Markt zu überlassen oder sie der zentralen Staatsgewalt zu übertragen – noch eine dritte Möglichkeit: die Selbstorganisation von Commons.

PS: Die Stadt Wien hat Elinor Ostrom einen Park im 22. Bezirk gewidmet. (Martin Auer, 24.10.2023)