"Leitung oder Mineral?", fragt die Frau hinter der Schank, während sie zwei Becher aus dem dunkel vertäfelten Holzregal nimmt und Himbeersirup einfüllt. In einer Schachtel neben ihr liegen Schnittlauch- und Käsebrote, darauf wurden liebevoll Tomaten, Gurken und Petersilie drapiert. Ein Stück weiter wird gerade ein Schokoladenkuchen mit Früchten angeschnitten, und die Kaffeemaschine brummt vor sich hin – alles zu haben gegen freie Spende. Vor dem Tresen im Retrolook ist genau so viel los wie dahinter, in drei Reihen stehen Menschen an, die etwas bestellen wollen. Endlich wieder. Denn auf den Tag, an dem das Lokal am Leopold-Kunschak-Platz auf der Alszeile wieder aufsperrt, haben viele aus der Nachbarschaft schon sehnsüchtig gewartet.

reportage , als cafe in Hernals ein Café für einen Tag, Schultheßgasse 7,1170 Wien Kunschakplatz in Hernals, markt ,
"Wir tun jetzt so, als ob", sagen Eva Baumgardinger (links) und Juma Hauser (rechts). Den beiden ist es zu verdanken, dass das Als Café am Leopold-Kunschak-Platz zumindest für einen Tag wieder aufsperren konnte.
Heribert Corn

Leider währt die Freude nur kurz. Denn nach einem Tag war das Als Cafe in Wien-Hernals wieder Geschichte, und so war es auch von Anfang an geplant. Die zwei Initiatorinnen des Zwischennutzungsprojekts – Wirtinnen für einen Tag, wie sie sich selbst nennen – sind die Anrainerinnen Eva Baumgardinger und Juma Hauser. Sie wollten ein Zeichen setzen, einem sehnlichen Wunsch Ausdruck verleihen. "Wir sind hier immer wieder vorbeigegangen, und irgendwann haben wir angefangen zu träumen und uns gedacht, hier sollten wir was machen", sagt Baumgardinger. Ihre Idee haben sie beim Wettbewerb Nachbarschatz der Gebietsbetreuung eingereicht und eine Finanzierung für die Umsetzung bekommen.

Als Cafe in Hernals
Viele freiwillige Helferinnen und Helfer aus der Nachbarschaft haben das Als Café möglich gemacht.
Heribert Corn

Alle, die an diesem Tag im Als Cafe vorbeischauen, sind sich einig: Ein Lokal braucht es hier am Platz ganz, ganz dringend – um Nachbarinnen und Nachbarn zu treffen, sich auszutauschen, einen Kaffee zu trinken. Der letzte Pächter des Lokals sperrte während der Pandemie zu, seither steht es leer.

"Es bräuchte was Modernes mit Pfiff, für Jung und Alt, ich verstehe nicht, warum das niemand macht", sagt eine ältere Frau mit rotem Lippenstift, die zufällig am Lokal vorbeigekommen ist und nun begeistert in der Gaststube steht. Viele, die heute da sind, tauschen Geschichten von früher aus: an welchem Tisch sie oft zu Mittag gegessen, abends Spritzer getrunken oder Karten gespielt haben.

Lokal für einen Tag, Alszeile, Als Cafe
Viele, die hier wohnen und täglich vorbeikommen, wünschen sich einen Ort zum Einkehren und Austauschen.
Heribert Corn

Auch der Hernalser Bezirksvorsteher Peter Jagsch (SPÖ) schaut vorbei. "In dem Raum haben wir immer die Tische zusammengeschoben und geplaudert", erzählt er und schaut in das Zimmer, das heute zum Kinderspielraum umfunktioniert wurde. Während ihm ein kleiner Bub den Würfel von Mensch ärgere dich nicht in die Hand drückt, sagt Jagsch: "Ein Lokal würde hier sicher auch heute wieder gut gehen."

Ideale Bedingungen

Tatsächlich sind die Gegebenheiten für ein Wirtshaus perfekt: Gäbe es hier einen Schanigarten, säße man dank der großen Bäume im Grünen. Noch dazu soll der Platz in den nächsten Jahren umgestaltet werden, konkrete Pläne dafür gibt es aber noch nicht. Gleich dahinter liegen der Hernalser und der Dornbacher Friedhof, Begräbnisgesellschaften waren schon früher ein Hauptgeschäft der Gastwirtschaft. Noch dazu findet jeden Samstag der Alszeilenmarkt statt, der zahlreiche Menschen anlockt. Auch viele von ihnen würden sich wünschen, nach dem Einkauf auf dem Markt noch irgendwo einen Kaffee trinken zu können, "so wie am Yppenplatz halt auch", sagt eine junge Frau, deren Tochter mit dem Laufrad über den Platz flitzt.

Alszeile, Leopold-Kunschak-Platz, Als Cafe
Auf dem Leopold-Kunschak-Platz findet jeden Samstag der Alszeilen-Markt statt. Viele Besucherinnen und Besucher wünschen sich ein Lokal, in dem sie nach dem Marktbesuch noch einen Kaffee trinken können.
Heribert Corn

Vor einigen Monaten hat die gemeinnützige Familienwohnbau das Haus gekauft, ab 2025 soll es saniert werden. Das ist dringend nötig, das bekamen auch Baumgardinger und Hauser bei den Vorbereitungen für ihr Pop-up-Lokal zu spüren: Nur eine Steckdose funktioniert, die Heizung ist kaputt, und die Wasserleitungen müssten überprüft werden. Das Leitungswasser fürs Himbeersoda läuft deshalb heute aus einem Kanister, den eine Nachbarin bei sich zu Hause befüllt hat.

Mit Hilfe von Freunden, Nachbarinnen, den Standlern vom Alszeilenmarkt und der Gebietsbetreuung haben Baumgardinger und Hauser den Tag organisiert. Gerade kommt ein Mann vorbei und fragt: "Bekommt man hier endlich wieder einen Kaffee?" Eine ältere Frau sitzt nach ihrem Einkauf auf dem Markt im Gastgarten, die Sonne scheint ihr ins Gesicht, und sie sagt wehmütig: "Man stelle sich vor, was hier alles möglich wäre."

Als Cafe, Alszeile, Leopold-Kunschak-Platz
Das Publikum an der Alszeile ist ganz gemischt – deshalb bräuchte es auch ein Wirtshaus, das auf viele Bedürfnisse Rücksicht nimmt.
Heribert Corn

Allein durchs Dasein enstehe Diskurs, glauben die Organisatorinnen. Auch sie sind sich sicher, dass es funktionieren würde. "Von Laufrad bis Rollator, auf der Alszeile sind alle unterwegs." Das zeigt sich auch heute, denn das Publikum ist sehr durchmischt – "eine Melange aus Nostalgikern und Jungen, nicht vom Alter, sondern von ihrer Einstellung her." Und genau darauf müsste man auch Rücksicht nehmen, wenn hier wieder ein Lokal aufsperrt. "Natürlich würde ich mich über Hafermilch freuen, aber es darf kein überteuertes Bobocafé werden, sondern ein Ort, an dem sich alle wohlfühlen", sagt eine junge Frau, die seit zehn Jahren im Häuserblock lebt.

Ein klassisches Wirtshaus

Wenn das Haus einmal fertig saniert ist, soll laut Daniela Holzweber von Familienwohnbau wieder "ein klassisches Wirtshaus" einziehen. Bis dahin will man Zwischennutzungen ermöglichen und das Lokal im gesamten Jahr 2024 mietfrei zur Verfügung stellen.

reportage , als cafe in Hernals ein Café für einen Tag, Schultheßgasse 7,1170 Wien Kunschakplatz in Hernals, markt ,
In ein paar Jahren soll das Lokal renoviert werden, bis dahin werden Konzepte für die Zwischennutzung gesucht.
Heribert Corn

Klingt gut, allerdings scheitert es an der Umsetzung. "Die ganze Haustechnik ist nicht zu gebrauchen, da müsste ein Elektriker dran, und man müsste ein paar Tausend Euro investieren", sagt Florian Brand von der Gebietsbetreuung. Für ein paar Monate Zwischennutzung zahle sich das kaum aus. Ideen gebe es viele, doch derzeit suche man nach wirtschaftlichen Konzepten für eine gastronomische Nutzung kombiniert mit einem nachbarschaftlichen Kommunikationsort. Nochmal so ein Tag Als Cafe sei aber eine Option, sagt Brand: "Das müssen wir fast machen, nach so einem erfolgreichen Tag."

"Schön war’s! Danke", hat am nächsten Tag auch jemand auf einen kleinen Zettel geschrieben und ihn auf die Eingangstür geklebt. Bleibt nur zu hoffen, dass sie bald wieder aufgeht – und dann auch für länger. (Bernadette Redl, 24.10.2023)