Über das Schicksal des entmachteten nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum herrscht Ungewissheit, nachdem ihm die Putschisten in dem westafrikanischen Staat einen gescheiterten Fluchtversuch vorgeworfen und ihn womöglich hinter Gitter gebracht haben. Während die international nicht anerkannte Regierung in Niamey behauptet, der 63-jährige Staatschef befinde sich nach wie vor unter Hausarrest mit seiner Familie in seiner Residenz, äußerten seine Anwälte Zweifel an dieser Darstellung.

Nigers Präsident Mohamed Bazoum bei einem Treffen. 
Ein Archivbild von Mohamed Bazoum, dessen Anwalt keinen Kontakt mehr zu ihm hat.
AFP/ISSOUF SANOGO

Bazoum und seine Familie würden offensichtlich an einem geheim gehaltenen Ort festgehalten, sagte dessen Anwalt Mohamed Seydou Diagne: Seit Donnerstag sei jeglicher Kontakt zu ihnen abgebrochen. Die Putschisten hätten eine Nachrichtensperre über den Aufenthaltsort des Präsidenten verhängt, so Diagne weiter. Weil er sich weigerte, seinen Rücktritt einzureichen, hatten die Militärs den ehemaligen Staatschef in seiner Residenz unter Hausarrest gesetzt.

Zweifel an Fluchtversuch

Diagne wies auch die Darstellung der Putschisten als "weit hergeholt" zurück, wonach Bazoum am vergangenen Donnerstag morgens um drei Uhr gemeinsam mit seiner Frau, seinem erwachsenen Sohn, zwei Bodyguards und Köchen aus seiner Residenz fliehen wollte. "Wie kann man einem dermaßen streng bewachten Militärlager zu entkommen versuchen?", fragte der Anwalt rhetorisch.

Nach Angaben der Putschisten sollte Bazoum und seine Entourage im Schutz der Dunkelheit mit einem Auto an den Rand der Hauptstadt Niamey gebracht und von dort mit zwei Hubschraubern ins Ausland geflogen werden. Dieser "Plan zur Destabilisierung unseres Landes" sei von Sicherheitskräften "kaltblütig" vereitelt worden, teilte ein Sprecher der Putschisten mit: "Die Haupttäter und ihre Komplizen" seien inhaftiert worden.

Nach Darstellung eines ehemaligen Präsidentenberaters verfügte Bazoum noch bis Donnerstag über ein Mobiltelefon, mit dem er in Kontakt mit der Außenwelt, vor allem seinen Anwälten, stand. Diese Verbindung sei jedoch abgebrochen, hieß es weiter: Auch sein Arzt, der den Präsidenten in den vergangenen Monaten alle zwei Tage aufgesucht und ihm Nahrungsmittel gebracht hatte, soll am Wochenende an der Absperrung zur Residenz abgewiesen worden sein. "Wir machen uns Sorgen um den Präsidenten", sagte Diagne und verlangte von den Putschisten einen "Lebensbeweis" des Staatschefs und seiner Familie.

Macron "beunruhigt"

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich "äußerst beunruhigt" über das Schicksal Bazoums und forderte dessen sofortige Freilassung.

Die bislang engen Beziehungen des westafrikanischen Staats zur ehemaligen Kolonialmacht hatten sich nach dem Putsch Ende Juli schlagartig verschlechtert. Die Obristen werfen Frankreich Einmischung in die inneren Angelegenheiten ihres Staats vor und forderten von Paris den Abzug seines Botschafters und der noch verbliebenen 1.500 französischen Soldaten.

Frankreich muss Niger verlassen

Nach wochenlanger Weigerung gab Paris schließlich nach. Es ist der dritte Sahelstaat in Folge, den Frankreich im Verlauf eines Jahres verlassen muss. Bislang hatte sich Paris am Kampf der nigrischen Streitkräfte gegen islamistische Extremisten beteiligt, den Niamey gemeinsam mit den Truppen der benachbarten Militärdiktaturen Mali und Burkina Faso fortsetzen will.

Die anderen im Staatenbund Ecowas vereinten westafrikanischen Nationen hatten den nigrischen Putschisten zunächst mit einer militärischen Intervention gedroht, falls sie ihren Umsturz nicht rückgängig machten. Davon ist inzwischen keine Rede mehr. Die Obristen scheinen ihre Macht zementiert zu haben, was mit der vermutlichen Inhaftierung Bazoums noch unterstrichen wird. (Johannes Dieterich, 23.10.2023)