Pistaziengrün für die neue Lamperie, den neuen Stuck und auch sonst sehr viel im neuen alten Gasthaus Artner auf der Wieden.
Pistaziengrün für die neue Lamperie, den neuen Stuck und auch sonst sehr viel im neuen alten Gasthaus Artner auf der Wieden.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Ja eh: Gastronomen müssen mit der Zeit gehen, sie dürfen die Welle nicht verpassen, in Zeiten wie diesen schon gar: Einmal bei Tiktok nicht aufgepasst, schon schaut die Hütte alt aus. Man kann es aber auch übertreiben. Beim Artner in der Floragasse, einem hübschen Ecklokal mit hohem Plafond und großen Fenstern, musste man in den vergangenen Jahren schon sehr auf Zack sein, um zu wissen, welche Kuh gerade durchs Dorf geritten wurde. In der zuletzt gültigen Version, einem ganz auf Fisch fokussierten Restaurant, existierte es überhaupt nur ein paar wenige Monate.

Heute merkt man davon nichts mehr, bloß die Toiletten sind einstweilen noch auf Meer getrimmt. Aber sonst? Plötzlich ist da eine beinahe echt wirkende Kassetten-Lamperie, ordentlich Stuck an den Wänden, Wiener Geflecht an den Stühlen – und eine Speisekarte, die über weite Strecken so wirkt, als ob sie zuletzt vor 50 Jahren verändert worden wäre.

Fleischlaberln, Szegediner, gesulzte Schweinsohren und geröstete Leber stehen da ebenso selbstverständlich altvatrisch drauf wie Mayonnaise-Ei, Backhendl, Krautfleckerln oder Rehragout mit Nockerln. Ja, Powidltatschkerln gibt’s auch, sogar gebackene Apfelradln mit Zimtzucker. Das sind einmal gute Nachrichten. Wobei die wirkliche Leistung des Multigastronomen Markus Artner nicht so sehr daran liegt, ganz abseits aller Trends und Moden das Bedürfnis der Wiener für Lokale erkannt zu haben, in denen tatsächlich wienerisch gekocht wird. Schließlich hat sich deren Verschwinden über die vergangenen Jahrzehnte auf eine Art dramatisch beschleunigt, dass das Überleben der Wiener Küche als solche infrage steht. Nein, die Leistung besteht darin, Köche zu finden, die wienerisch kochen nicht nur theoretisch draufhaben, sondern sich das auch antun wollen. Weil Wiener Küche, so man sie nicht zur Großgastro-Convenience im Plachutta-Stil pervertieren will, halt wirklich viel Arbeit ist.

Ein Teller mit Wiener Schnitzel und Gurkensalat.
Ob man das Wiener Schnitzel in Öl, Schmalz oder Butterschmalz gebacken bekommt, darf man sich aussuchen. Als Beilage gibt es Gurkensalat.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Im Artner sind mit Alexander Krankl und Christian Schöpf gleich zwei Küchenchefs am Werk. Und die stellen sich ziemlich gut an. Vorneweg kann man verschiedene Appetithappen in Kleinportionen ordern, Milzschnitte mit scharfer Mayonnaise zum Beispiel, sehr gut, Schweinsrüsselsalat, ganz exzellent mit knusprigen Kürbiskernen und viel Kresse, oder auch ein Mayonnaise-Ei.

Danach empfiehlt sich Suppe, die sind nämlich allesamt sehr gut (nur, leider, nicht immer warm genug): Steinpilz-Rahmsuppe mit Croutons, mollig und sanft; Klachlsuppe mit ordentlich Wurzelgemüse, exakt gesäuert, mit frisch grissenem Kren, wie es sich gehört; und, weil es die Zeit ist, Gansl-Einmachsuppe mit tadellosem Bröselknödel und zart bissfester Pastinake. Pfeffernierndeln mit Ei sind herausragend gut, mild, zart knackig, perfekt abgeschmeckt – in der kleinen Portion um 13 Euro aber kaum drei Happen groß. Wird nächstes Mal in der Großportion um 18 Euro bestellt!

Wiener Schnitzel mit Fleisch

Zwiebelrostbraten haben sie auch drauf, mit mildem Saftl, hauchfeinen Knusperzwiebeln und einer saftigen Schnitte von der Beiried – das Kartoffelpüree dazu war aber nicht ideal. Wiener Schnitzel gibt’s wahlweise vom Kalb oder Schwein, letzteres aus der Schale oder vom Lungenbraten, sogar als gebackene Fledermaus. Ob Öl, Schmalz oder Butterschmalz darf man sich aussuchen. Kalb aus dem Schmalz war ohne Fehl und Tadel, schön souffliert, das Fleisch gut halbzentimeterdick und saftig, nicht die anderswo gepflogene Löschblatt-Version als Trägermaterial für reichlich Panierflappe. Und: Gurkensalat mit der Haut geschnitten, so wollen wir das!

Wer andere als Artner-Weine dazu trinken möchte, zahlt heftige Pönale. Dafür ist das Raschhofer vom Fass ein wunderbar zischendes Bier, mit dem man gut über den Abend kippt. Jetzt hoffen wir nur, dass uns das alles in dieser Qualität erhalten bleibt. (RONDO, Severin Corti, 27.10.2023)