Gut möglich, dass sich Sölden, wo vor den Riesentorläufen die Piste präpariert wird, am Wochenende winterlich präsentiert. Vielen ist der frühe Auftakt dennoch ein Dorn im Auge.
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Österreichs Skiverband hat in seinen Reihen einen Athleten, der auf die Klimakrise hinweist und dem in seinen Strukturen verstaubten Weltverband Fis Dampf macht. Doch anstatt Julian Schütter, der sich mit den Protesten der Letzten Generation solidarisierte, zu unterstützen, drängte ihn der ÖSV zuletzt etwas ins Eck. Generalsekretär Christian Scherer richtete Schütter in der ORF-Sendung Sport am Sonntag aus: "Er muss sich die Frage stellen, ob der Beruf mit seiner Ideologie übereinstimmt."

Schütter wirft der Fis, die von sich behauptet, klimapositiv zu sein, Greenwashing vor. Im Jänner zog er sich in Kitzbühel einen Kreuzbandriss zu. DER STANDARD erreicht Schütter in Sölden, er absolviert den dritten Skitag nach seiner Verletzung. Die Zurechtweisung durch Scherer nimmt der 25-Jährige nicht allzu ernst. "Der ÖSV kritisiert ja selbst gerne die Fis. Mir kommt vor, das ist tagespolitisches Kalkül", sagt Schütter. "Ich finde nicht, dass ich unverhältnismäßig kritisiere. Ich zeige auf, wo Schwächen sind. Ich würde die Fis ja auch gerne loben. Das wäre mir lieber."

Schütter ist nicht solo

Damit ist Schütter keineswegs allein. In einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Umfrage unter 1000 Personen in Österreich wünschen sich 83 Prozent der Befragten, die Fis würde mehr für den Klimaschutz tun. 75 Prozent glauben, dass der Einkauf von CO2-Zertifikaten durch die Fis nicht zielführend ist, um der Klimakrise zu begegnen.

Schütter Ski Klimawandel
Julian Schütter sagt: "Mir wäre lieber, ich könnte die Fis loben."
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Seine Einstellung als Profisportler würde sich mit jener als Klimaaktivist decken, sagt Schütter: "Als Sportler bin ich es gewohnt, auf die Wissenschaft zu hören, folge Trainingsplänen, vertraue auf Expertise von Sportwissenschaftern. Mein Klimaaktivismus fordert nur ein, konsequent auf Fakten zu reagieren, Pläne aus der Wissenschaft durchzuziehen." Er sei wütend auf "rückschrittliche Funktionäre, die den Ruf dieses schönen Sports verhauen, indem sie nicht dazu bereit sind, mit der Zeit zu gehen."

ÖSV-Generalsekretär Scherer hat sich mit Schütter telefonisch ausgesprochen, nach dem Sölden-Wochenende wird ein Treffen in Innsbruck angestrebt. Angezipft ist Scherer, weil er seine Aussagen immer wieder "aus dem Zusammenhang gerissen" sieht. "Und es gibt auch einige, die politisches Kleingeld machen wollen, indem sie den Skisport attackieren. Das ist nicht anständig."

Video: Kitzbühel ohne Schnee?
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Scherer ist nicht stur

Scherer will festgehalten wissen: "In den Tälern im Westen leben keine Naturzerstörer." Es brauche gewiss "eine Einsicht", auch im ÖSV, und eine Akzeptanz der Gegebenheiten. "Es braucht aber auch den Mut zu sagen: Vieles am Skisport ist gut." Was Einsicht angeht, steht Scherer nicht an, bei sich selbst zu beginnen. "Einige Aussagen von mir waren nicht korrekt, waren unglücklich", gesteht er ein und meint wohl auch die Zurufe an Schütter. Der Skisport brauche kritische Geister. "Wir wollen ja alle das Gleiche: dass der Skisport Zukunft hat. Unser oberstes Ziel sind leuchtende Kinderaugen beim Skifahren und Langlaufen."

"Vieles am Skisport ist gut", hält Christian Scherer vom ÖSV fest.
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Zumindest einen kritischen Geist, den deutschen Ex-Skistar Felix Neureuther, will Scherer schon für eine Klima-Taskforce gewonnen haben, die ihm vorschwebt. Ihr sollen neben weiteren "Querdenkern" auch heimische Ex-Profis und Fachleute aus der Industrie und dem Tourismus angehören.

Als "missionarisch" will sich Schütter auch nicht verstanden sehen. Seine Skifirma Atomic unterstützt ihn bei der Produktion eines Podcasts, in dem er über Folgen und mögliche Lösungen der Klimakrise spricht. Zudem unterstützt er eine Petition, die von der Fis Maßnahmen zum Klimaschutz einfordert. "Ich habe niemanden gezwungen, etwas zu unterschreiben", sagt Schütter. "Wenn ich gefragt werde, erkläre ich Hintergründe, ich zwinge sie ihnen aber nicht auf."

Umdenken im ÖSV

Schütter rechnet damit, sich künftig besser mit dem ÖSV abzustimmen, "wie wir gemeinsam kommunizieren wollen". Seine Aufrufe hätten schon Früchte getragen "Es findet gerade ein Umdenken statt", sagt Schütter. "Der ÖSV ist motiviert, wirklich etwas zu ändern und für Klimaschutz stark zu machen. Das freut mich und ich hoffe, dass wir gemeinsam einen Weg gehen können, der uns weiter bringt."

Das Schlusswort hat Ex-ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. Er sagte der APA, der Verband habe in seiner Ära (1990 bis 2021) das Klimathema nicht heruntergespielt, man habe jedoch keine Handhabe für Veränderungen. "Bei zwei Grad globaler Erwärmung geht die Schneefallgrenze um 200 Meter nach oben", erklärt der 82-Jährige. "Den Skigebieten macht das gar nichts." (Lukas Zahrer, Fritz Neumann, 25.10.2023)