Susanne Michelic
Susanne Michelic leitet seit Juli die Geschäftsführung des metallurgischen Kompetenzzentrums K1-Met. Mit 1. Oktober übernahm die Forscherin einen Lehrstuhl an der Montanuniversität Leoben.
Montanuniversität Leoben

Um klimaneutral zu werden, muss sich die Stahlherstellung grundsätzlich wandeln. Die Reduktion im konventionellen Hochofen, bei der dem Eisenerz durch Verbrennung von Koks Sauerstoff entzogen wird, setzt enorme Mengen an Kohlendioxid frei. Inklusive nachgelagerter Prozesse fallen rund 1,8 Tonnen CO2 pro Tonne erzeugten Stahl an. Nicht umsonst ist der heimische Stahlproduzent Voestalpine der größte Einzelemittent des Landes.

Es liegt am Zusammenspiel von Grundlagen-, Anwendungs- und industrieller Forschung, bestehende Lösungsansätze schnell in die Praxis zu bringen. Eine wichtige Rolle in diesem Feld wird hierzulande künftig die Metallurgin Susanne Michelic spielen. Mit 1. Oktober hat die Wissenschafterin den Lehrstuhl für Eisen- und Stahlmetallurgie der Montanuniversität Leoben übernommen.

Premiere in Leoben

Damit ist erstmals ein "Gründungslehrstuhl" und ein zentrales Gebiet der Forschung und Lehre an der seit 1840 bestehenden Hochschule mit einer Frau besetzt. Bereits vergangenen Juli hat die 39-jährige Leobnerin auch die Geschäftsführung des metallurgischen Kompetenzzentrums K1-Met übernommen, das vom Comet-Programm der Förderagentur FFG mit Mitteln des Wirtschaftsministeriums und des Klimaministeriums unterstützt wird.

"Der Lehrstuhl deckt die gesamte Prozesskette vom Rohstoff bis zum Gießen eines fertigen Halbzeugs ab. Als Bereich einer stark anwendungsorientierten Grundlagenforschung sind wir dabei eng mit der Industrie vernetzt", sagt Michelic. "Ein zentrales Thema der nächsten Jahre ist die Verminderung von CO2-Emissionen entlang der gesamten Prozesskette bei gleichbleibender oder noch verbesserter Produktqualität."

Vielzahl an Elementen

Gerade in Altmetallen aus der Elektroindustrie ist oft eine Vielzahl von Elementen kombiniert. Die Herausforderung bei der Stahl-Wiederverwertung ist hier, Kupfer, Zinn, Molybdän und andere Komponenten möglichst effizient abzutrennen. Bei ausreichender Qualität und Verfügbarkeit der Schrotte könnte das Recycling zu deutlich geringeren CO2-Emissionen führen als konventionelle Verfahren.

Aber auch der CO2-intensive Hochofenprozess soll langfristig ersetzt werden. "Eine Möglichkeit sind Direktreduktionsverfahren mithilfe von Wasserstoff. Eine andere ist der Einsatz von Wasserstoffplasma, der einen einstufigen Prozess ermöglichen soll, um Eisenerz direkt zu Rohstahl zu machen", sagt Michelic. "Das Verfahren, das mittlerweile in einer Versuchsanlage mit einer Kapazität von bis zu 100 Kilogramm betrieben wird, soll industriell anwendbar werden." An dem entsprechenden Projekt sind neben der Montanuni auch das K1-Met und die Voestalpine beteiligt.

Innovative Stahlforschung

Seit 2021 leitet Michelic, die an der Montanuni studiert und sich habilitiert hat, das Christian-Doppler-Labor für Einschlussmetallurgie in der modernen Stahlerzeugung an der Montanuni. Schon im Zuge ihrer Habilitation spezialisierte sie sich auf die sogenannte Sekundärmetallurgie, in der der Stahl nachbehandelt und verbleibende unerwünschte Elemente entfernt oder Legierungselemente hinzugefügt werden. Eine Zeitlang sammelte sie Erfahrungen in der deutschen Stahlindustrie.

Im Rahmen des Doppler-Labors arbeitet sie daran, die erwünschten Reinheitsgrade des Stahls möglichst effizient und mithilfe neu adaptierter Methoden zu erreichen. Anwendungen, die die Relevanz der Forschung gut vor Augen führen, sind für Michelic sogenannte Corde – filigrane Drähte, die zum Beispiel in Autoreifen für eine höhere Stabilität sorgen.

"Wenn man bedenkt, dass die Corde mit einem Durchmesser von 100 Mikrometern kaum dicker als ein Menschenhaar sind, wird klar, dass Einschlüsse hier schnell zu ihrem Reißen führen können", sagt die Metallurgin.

Feine Drähte

Im Fall der feinen Drähte soll mechanisches Versagen verhindert werden, bei anderen Anwendungen spielt dagegen etwa die Oberflächenqualität eine Rolle – etwa bei Materialien, die mit bestimmten Lacken überzogen werden müssen.

Die meisten Verunreinigungen entstehen durch den Einsatz von Materialien, die den Stahl auf einer grundsätzlicheren Ebene eigentlich verbessern. Beispielsweise wird Aluminium in der Stahlerzeugung eingesetzt, um den Sauerstoffgehalt zu verringern. Das dadurch entstehende Aluminiumoxid ist dann aber ein Problem für manche spezialisierten Anwendungen.

Ein Ansatz war hier, Methoden der analytischen Chemie verstärkt einzubeziehen und zu adaptieren. "Wir haben etwa ein Projekt, in dem wir einen Weg gefunden haben, unerwünschte Partikel im Stahl zu markieren und zu verfolgen", hebt Michelic hervor. "Entstehung und Auswirkungen der Verunreinigungen können so besser nachvollzogen und die Herstellung entsprechend optimiert werden."

Vorbild für Forscherinnen

Als künftige Lehrstuhlleiterin will sich Michelic, selbst Mutter zweier Töchter, auch um einen höheren Frauenanteil in Studium und Forschung bemühen. "Ich glaube nicht, dass ich es in meiner Karriere schwerer hatte als meine männlichen Kollegen. Was ich aber nicht hatte, waren weibliche Vorbilder", sagt die Wissenschafterin. "Deshalb möchte ich als Rolemodel präsent sein."

Michelic war lange als Mentorin für Forscherinnen tätig und möchte ihre Erfahrungen auch in der neuen Leitungsposition einbringen. "Eine der größten Herausforderungen in meiner Karriere war es, nach der Karenz wieder in einer Leitungsfunktion anzuknüpfen", gibt sie ein Beispiel. Ihre Bestellung zur aktuell einzigen Professorin am Department Metallurgie sieht sie aber als "schönes Zeichen der Öffnung" der Montanuni. (Alois Pumhösel, 1.11.2023)