Das Handy ist der engste Begleiter einer modernen Gesellschaft. Ein Bundestrojaner würde nicht nur Terrorverdächtige betreffen, sondern auch alle anderen.
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Sie wurde schon so oft aufgewärmt, dass sie fad schmeckt: die Debatte über den Bundestrojaner. Digitale Kommunikation hat sich inzwischen beinahe komplett auf verschlüsselte Chatdienste wie Signal oder Whatsapp verlagert. Damit ist es für Behörden unmöglich geworden, Chats mitzulesen. Als Lösung fordert Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) angesichts der gestiegenen Terrorgefahr einmal mehr eine Überwachungssoftware. Sie soll auf den Geräten von Verdächtigen installiert werden, um deren Kommunikation auszuspähen.

Das scheint auf den ersten Blick ein sinnvolles Anliegen zu sein – schließlich würde es den Behörden ein mächtiges Instrument geben. Doch dabei wird verkannt, dass mit dem Argument des Terrors eine Maßnahme forciert wird, die nicht nur Kriminelle betrifft, sondern die gesamte Bevölkerung. Damit ein Bundestrojaner zum Einsatz kommen kann, wird eine technische Sicherheitslücke in einem Messenger bewusst nicht geschlossen – nicht nur bei Verdächtigen, sondern auch bei allen anderen.

Die inhaltliche Debatte fehlt

Damit wird das Smartphone, der engste Begleiter einer modernen Gesellschaft, zum Spionagegerät. Jene, die Messenger ganz ohne kriminelle Hintergedanken nutzen – und das sind die meisten –, werden unter Generalverdacht gestellt, ihr Datenschutz bewusst eingeschränkt. Und jene, die Strafbares im Schilde führen, werden selbstverständlich andere technische Möglichkeiten suchen. Das lässt sich schon heute in der organisierten Kriminalität beobachten.

Übrig bleibt ein sensibler Angriff auf ein Grundrecht. Ein Angriff, dem schon 2019 der Verfassungsgerichtshof eine Absage erteilte. Das hält die ÖVP nicht davon ab, den Bundestrojaner immer wieder zu fordern. Offen lässt sie seit immerhin vier Jahren die Frage, wie ein verfassungskonformer Bundestrojaner aussehen könnte.

Manchmal habe er den Eindruck, dass das Schützen von Daten wichtiger sei als das Schützen von Menschen, sagte Karner zuletzt in der "Pressestunde". Was er dabei vergisst: Datenschutz schützt Menschen. Er schützt ihre Privatsphäre, ihr Briefgeheimnis, und er schützt sie vor Missbrauch in einer Welt, in der flächendeckende Überwachung nicht bloß eine dystopische Vorstellung ist. Indem die ÖVP den Entscheid des VfGH einfach ignoriert, tut sie das Gegenteil. (Muzayen Al-Youssef, 26.10.2023)