Pro-Palästina-Demonstration mit Schild auf dem steht
Wie hier an der University of California, Los Angeles gibt es seit dem Hamas-Anschlag auf Israel an vielen US-Universitäten Pro-Palästina-Demonstrationen.
APA/AFP/FREDERIC J. BROWN

In US-Universitäten werden Fotos der israelischen Geiseln der Hamas heruntergerissen. Die internationale Sektion von Fridays for Future spricht vom "Genozid" der Israelis an den Palästinensern. In Warschau hielten zwei junge Norwegerinnen ein Plakat, das den Davidstern im Mistkübel mit der Aufschrift "Keep the world clean" zeigt. In Berlin und Wien demonstrieren "progressive Linke" gemeinsam mit arabischen jungen Männern unter dem Slogan "From the River to the Sea Palestine Will Be Free". Also: Israel wird es nicht mehr geben. Die KP-Bürgermeisterin von Graz findet erst zu einer klaren Verurteilung der Hamas, nachdem sie von der Kultusgemeinde von einer Gedenkfeier ausgeladen wird. In Deutschland geht der Slogan um: "Free Palestine from German Guilt!".

Sind diese Leute komplett jenseits? Nein, es handelt sich zu einem Gutteil um die junge Intelligenz in freien, demokratischen Rechtsstaaten. Um Leute, die in "Palästina vom Fluss bis zum Meer" keine Sekunde demonstrieren dürften.

Handelt es sich um den Verlust von Wertmaßstäben und/oder jeglichen rationalen Urteilsvermögens? Ja. Denn das Ausblenden der Bestialitäten der Mörderbande namens Hamas beziehungsweise das Umdeuten in einen "Befreiungskampf" kann nicht mit Anteilnahme für ein "unterdrücktes Volk" erklärt werden. Hier fehlt mitfühlende Vernunft.

Diese Anteilnahme am Schicksal der Palästinenser ist möglich und richtig. Es ist auch Kritik an der israelischen Politik möglich und richtig. Man muss nur wissen, wovon man redet.

Jetzige Politik führt ins Unheil

Israel besetzt seit über 50 Jahren das Westjordanland und hält seit 2005 Gaza im Griff. Was immer man über die unendlich komplizierte Vorgeschichte und die beiderseitigen Fehler denken mag – die jetzige Politik führt ins Unheil. Wenn es aus Sicherheitsgründen derzeit nicht möglich ist, sich aus dem Westjordanland zurückzuziehen, so darf man nicht gleichzeitig das Problem durch 700.000 aggressive Siedler verschlimmern.

Thomas Friedman, der Kolumnist der New York Times und einer der besten Kenner des Nahen Osten, schreibt: "Wenn Israel seine besten Alliierten bittet, dem jüdischen Staat (…) in Gaza zu helfen, während es gleichzeitig dazu auffordert, wegzusehen, wenn Israel ein Siedler-Königreich auf der Westbank mit dem ausdrücklichen Ziel der Annexion errichtet, dann ist das strategisch und moralisch nicht schlüssig."

Zu den Bomben auf Gaza sagte US-Präsident Joe Biden: "Wir können nicht das Menschsein der Palästinenser ignorieren, die nur in Frieden leben wollen."

Israel hat ein gerechtes Anliegen, nämlich sein Überleben in Frieden. Israel hat allerdings eine katastrophale Regierung mit einem Zyniker an der Spitze und religiöse, rechtsextremistische Fanatiker in Schlüsselpositionen. Trotzdem ist es ein demokratischer Staat, in dem Hunderttausende gegen einen Verfassungsputsch aufstehen.

Die Palästinenser haben ein gerechtes Anliegen, nämlich in Selbstbestimmung und friedlich zu leben. Sie haben allerdings eine katastrophale Führung, seien es die genozidalen religiösen Fanatiker der Hamas oder die korrupte, erstarrte palästinensische Verwaltung im Westjordanland. Der demokratische Protest gegen die Führung steht noch aus.

Was die mitfühlenden Vernünftigen von außerhalb tun können? Zunächst Israel gegen die Mörderbanden und die Empathielosen im Westen zu unterstützen. Was darüber hinaus notwendig ist, auch im Hinblick auf die Vorkommnisse im eigenen Land, dazu ein nächstes Mal mehr. (Hans Rauscher, 28.10.2023)