Christbaum am Rathausplatz 2023.
Wiens Stadt-Christbaum am Rathausplatz sorgt fast jedes Jahr für Aufsehen. Das diesjährige Exemplar stammt aus Südtirol.
APA/GEORG HOCHMUTH

Da steht er also wieder traurig auf dem Rathausplatz. Die Äste hängen ihm schlapp vom Stamm, die zur Stadtverwaltung gewandte Seite ist weitgehend kahl. Ein Sinnbild unserer Zeit, könnte man raunen.

Doch der Wiener Stadtchristbaum wird auch 2023 bis zur Unkenntlichkeit herausgeputzt werden. Das Stadtgartenamt wird mit Reisig sein Kleid verdichten, fast 2000 Lichter (immerhin LEDs) sollen ihn schmücken. So wird der jährliche Wiener Grant über den schon wieder so schiachen Baum weichen und sich in weihnachtliches Wohlgefallen auflösen. Doch: So weit sind wir noch nicht.

Politische Nadelstiche

Erstens ist Weihnachten noch viel zu weit weg. Es war noch nicht einmal Halloween (wer’s mag). Zweitens ist der Wiener Weihnachtsbaum jedes Jahr ein Politikum, das sich auch mit Baumkosmetik nicht kaschieren lässt.

Konkret ist es so, dass seit 1959 der Christbaum auf dem Rathausplatz jährlich rotierend aus einem anderen österreichischen Bundesland kommt – und dort auch für die Wiener ausgesucht wird. Nie werden politisch Versierte Vorweihnachten 2021 vergessen. Damals hatte das Burgenland einen Baum nach Wien entsandt, der nur als Angriff Hans Peter Doskozils gegen die Wiener SPÖ verstanden werden konnte. Man weiß, wie das ausging.

Dieses Jahr kommt der Christbaum aus Südtirol. Ja, richtig gelesen. Seit 1989 zählt Südtirol im Wiener Weihnachtsbaumkalender quasi als zehntes Bundesland. "Ein Zeichen unserer Verbundenheit", wird Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher im Zusammenhang mit der Fichte zitiert. Sie stammt aus nachhaltiger Forstwirtschaft und ist rund 115 Jahre alt.

Geraunzt wird schon immer

Erst seit etwas mehr als 200 Jahren werden in Wien überhaupt Christbäume gesichtet. 1814 soll Fanny von Arnstein, eine aus Berlin stammende jüdische Gesellschaftsdame, den ersten Weihnachtsbaum in Österreichs Hauptstadt aufgestellt haben. Und, Sie werden es ahnen: Schon damals fand man Gründe zum Raunzen. "So verstimmte mich gleich die große Hitze durch die vielen Lichter", habe Erzherzog Johann gemault, als er erstmals bei der Familie seines Bruders einen Christbaum sah – oder "Grasbaum", wie er ihn gleich despektierlich taufte.

Apropos Politikum: Wenn schon Südtirol Bäume nach Wien schickt, warum nicht gleich den Kreis erweitern? Auch in Nordslowenien sollen schiache Fichten wachsen. (Katharina Mittelstaedt, 28.10.2023)