Intern sagen sie natürlich auch bei den Wiener Linien "Rolltreppen", aber heißen tun sie nun einmal "Fahrtreppen", sagt Markus Ehn. "Schließlich gibt es auch eine Fahrtreppen-Norm, und in der steht immer Fahrtreppe." Also bleiben auch wir dabei, als wir mit ihm über die aktuell 342 Fahrtreppen der Wiener Linien reden, die er seit 1997 mit betreut. Im Jahr 1989 begann der heute 49-Jährige als Maschinenschlosser-Lehrling im Unternehmen und absolvierte parallel dazu die fünfjährige Wirtschaftsingenieursabendschule am TGM, die er mit der Matura abschloss. Danach war er zunächst noch für die ganze Maschinentechnik wie Tore, Krananlagen, Hebe- und Waschanlagen zuständig, bevor das Aufgabengebiet zu umfangreich wurde und er sich auf Fahrtreppen und Aufzüge spezialisierte. Seither gilt er als "das Lexikon der Fahrtreppen".

Ein Mann auf einer Rolltreppe.
Markus Ehn ist Fahrtreppenexperte bei den Wiener Linien.
Tabea Kerschbaumer

Beispiel? "Die Wiener Linien sind der größte Fahrtreppenbetreiber in Österreich, die Gesamtlänge beträgt 6850 Meter, die längste mit 53 Meter Länge befindet sich an der Station Zippererstraße, die höchste mit 21,33 Meter Hubhöhe an der Station Altes Landgut." Und jede einzelne, so Pressesprecherin Eunike de Wilde, solle dem Fahrgast helfen, die eigentlichen Transportmittel Straßenbahn, Bus und U-Bahn so bequem und unkompliziert wie möglich zu erreichen: "Am besten, ohne überhaupt noch darüber nachdenken zu müssen, wie ich wohin komme."

Fakten und Wahrnehmung

Da hilft es, wenn die Fahrtreppen problemlos laufen, was, wenn man den raunzenden Wienern glauben darf, kaum mal der Fall ist. "Der Wiener will alles perfekt haben, und an diesem Anspruch orientieren wir uns", nimmt es de Wilde locker. "Fakt ist, dass 97 Prozent der Fahrtreppen immer in Betrieb sind, jeden Tag des Jahres 20 Stunden lang und am Wochenende sogar durchgehend. Das Empfinden, wonach das nicht so wäre, ist subjektiv."

Und dieses Empfinden rühre meist von der Beobachtung der monatlichen Wartung oder der jährlichen Überprüfung her, die für jede Fahrtreppe vorgeschrieben wäre. Wenn eine Treppe tatsächlich einmal wochenlang nicht fahren würde, dann wäre das ein älteres Modell, für das man ein Teil extra herstellen oder anpassen müsse.

"Für die 50 Jahre alten Fahrtreppen haben wir nicht mehr so viele Ersatzteile auf Lager," erklärt Ehn, "und wenn etwas am Getriebe kaputt ist, dann dauert der Ausbau halt länger." Oder es werde gleich, wie bei den drei langen Fahrtreppen an der U3-Station Schweglerstraße, eine elektrische und mechanische Kompletterneuerung durchgeführt und die Gelegenheit genützt, den einst aufwendigen Antrieb und das riesengroße Getriebe auf zwei synchron laufende stehende Antriebe zu ändern – den neuesten Stand der Technik.

Ein Mann steht an einer Rolltreppen-Baustelle.
Fahrtreppen müssen regelmäßig gewartet werden – und manche werden auf aufwändig auf den neuesten Stand der Technik umgebaut.
Tabea Kerschbaumer

35 hauseigene Mitarbeiter beschäftigen sich als Techniker, Werkmeister, Aufsichtsorgane, Störungsteams oder Wartungsmannschaften mit den Fahrtreppen, dazu kommt weitere Betreuung durch Mitarbeiter von Fremdfirmen.

Pro Jahr werden den Wiener Linien um die 400 Stürze von Fahrgästen gemeldet. Dann müsse die Fahrtreppe außer Betrieb genommen werden und ein Sachverständiger überprüfen, was die Ursache war. Heraus käme zu 99 Prozent menschliches Versagen – Kreislaufprobleme, Stress oder Rempeln und Stoßen.

Die Vorschriften und Verbote, die das möglichst flüssige Vorankommen der Fahrgäste auf den Fahrtreppen regeln, sind international verschieden. Meistens gilt "Rechts stehen, links gehen". Doch im japanischen Nagoya hat man erst kürzlich ein vollständiges Gehverbot auf Fahrtreppen verhängt. Es gibt seriöse Studien zur "Effizienz" der Fortbewegung, die ein Stehen aller Passagiere links und rechts auf der Fahrtreppe empfehlen, weil das die Entfluchtungszeit – wie es so schön technisch heißt – deutlich verringern würde.

Tatsächlich wollen auch die Wiener Linien ihre Gäste "möglichst rasch aus der Station bringen, bevor die nächsten mit dem Folgezug nachkommen", erklärt de Wilde. "Dafür laufen unsere Fahrtreppen im ganzen Netz generell mit 0,65 Metern pro Sekunde", ergänzt Ehn.

Mehr Tempo bei den Linien

Wohingegen die ÖBB-Fahrtreppen ihre Kunden mit nur 0,5 Metern pro Sekunde bewegen, was man an Knotenpunkten wie Praterstern oder Hauptbahnhof merken würde, wo der Fahrgast sowohl Fahrtreppen der einen wie der anderen benutzen könne. An solchen Orten gebe es klar definierte Grenzen: Bis dahin ist es Sache der ÖBB, ab hier dann eine der Wiener Linien.

Als Experte kennt Ehn auch andere Städte und ihre Fahrtreppen – die alten sowjetischen in Prag beispielsweise, bei denen man durch die seitlichen Spalten auf die Stufentransportkette schauen könne und die mit einem flotten Meter pro Sekunde unterwegs wäre –, wohingegen die neuen um die Hälfte langsamer fahren würden. Für das Hirn ist das eine Herausforderung. Aber egal, wie schnell die Fahrtreppe fährt – ihr Handlauf müsse sich – beim Hinauffahren – um einen Prozentpunkt schneller bewegen als die Fahrtreppenstufe. Beim Hinunterfahren entsprechend langsamer. Um sich gefühlt "hinaufziehen" oder treppabwärts "bremsen" zu lassen.

Alter als Gradmesser

Der Fahrgast bewegt sich dabei am Karlsplatz mit einer Neigung von 30 Grad – "Das sind die alten, die in runden Schächten verbaut wurden!" –, wohingegen die Fahrtreppen neben einer festen Stiege eine Neigung von 27 Grad hätten. Der neueste Standard wären 24 Grad Neigung, da käme man auch bei einer Störung deutlich leichter hinauf.

Die Wiener Linien unternehmen gerade einiges, um ihr U-Bahn-Netz einerseits zu erweitern (Stichwort U5) und andererseits die Infrastruktur des bestehenden Verkehrsnetzes zu erneuern. Dazu zählt der Austausch vieler seit 1974 in Betrieb befindlicher Fahrtreppen, wofür man unter anderem die Sperre der "U2-Stammstrecke" nützt.

An deren vier Stationen vom Karlsplatz bis zum Rathaus waren 15 Fahrtreppen zu tauschen, an der aktuellen Endstation Schottentor wurden sie wegen des zu erwartenden "vermehrten Fahrgastaufkommens" bereits vor der Sperre bei laufendem Betrieb erneuert. An dieser Strecke wurden auch Bahnsteigtüren für den "fahrerlosen Betrieb" eingebaut, die einen späteren Austausch der Fahrtreppen deutlich erschweren würden.

Baustelle bei einer Rolltreppe.
Fahrtreppen komplett auszutauschen ist aufwändig und dauert rund sieben Wochen.
Tabea Kerschbaumer

Aus- und Einbau einer Fahrtreppe würde rund sieben Wochen dauern, erklärt Ehn. Am einfachsten wäre es, wenn man sie von der Straße her einbringen könne. Fahrtreppen, die tiefer unten sind, müsse man über die Gleisstrecke in die Station und mithilfe von Rollwagerln zum Einbauort bringen: Drei sechs Meter lange Teile à vier bis sechs Tonnen wären das, die dann in Position gebracht und miteinander verbunden werden müssten.

"Die Treppe war im Herstellerwerk bereits zusammengebaut und absolvierte dort den Probebetrieb samt technischer Abnahme", erklärt Ehn. Sobald die rollenden Fahrtreppen dann in Betrieb sind, laufen sie mit 19-kW-Antrieben.

Im Unterschied zu früher, als sich die Fahrtreppen permanent in "Nenngeschwindigkeit" bewegten, würden sie nun stromsparend nach einer definierten Zeit, in der kein Fahrgast kommt, auf Schleichfahrt umstellen und später überhaupt stehen bleiben. Das schone sowohl Umwelt als auch Mechanik, erklärt Ehn zufrieden, der dann wieder in sein Büro muss, um den Einbau der nächsten Fahrtreppe zu planen. Denn am wichtigsten sei, dass sie rollen, die Fahrtreppen, möglichst rund um die Uhr und ohne Störung. (Manfred Rebhandl, 1.11.2023)