Wir Kinder der 1970er- und 1980er-Jahre sind noch mindestens eine Stunde durch meterhohen Schnee barfuß in die Schule gegangen. Jeden Tag. Auf dem Rücken ein Sack voll Kohle.

Nun, ganz so dramatisch erzählt es nicht einmal Peter Rosegger, aber was schon stimmt: Das Elterntaxi war nicht nur eine Seltenheit, sondern manchen war es regelrecht peinlich, von der Schule abgeholt zu werden. Heute ist das anders.

Mehrere Autos vor einer Volksschule.
Und täglich ist vor der Schule Autokorso.
Guido Gluschitsch

"Sie hätten am ersten Schultag sehen sollen, was hier los war", sagt ein Polizist im burgenländischen Hornstein, der vor der Volksschule darüber wacht, dass der tägliche Stau in dieser Ortschaft halbwegs geordnet abläuft. Dabei wohnen viele Kinder, die mit dem Auto gebracht werden, in einer Distanz, die zu Fuß in wenigen Minuten zu bewältigen wäre. Und die Gemeinde bietet zusätzlich Alternativen an, um den Autoverkehr vor der Schule zu reduzieren. Der elektrisch angetriebene Ortsbus wird in der Früh zum Schulbus, und es gibt einen Pedibus.

Mit dem Pedibus in die Schule

Mit dem Pedibus kann man nicht mitfahren, bei ihm kann man nur mitgehen. Zentral im Ort liegt die eine Station, vor der Schule die andere. Im Zentrum wartet einige Minuten vor halb acht schon ein Zivildiener, der die Schülerinnen und Schüler zur Schule begleitet.

Unterwegs müssen sie zweimal eine Straße überqueren. Den ersten Zebrastreifen sichert der Zivildiener. Der zweite liegt schon direkt bei der Schule, wo fast immer zwei Exekutivbeamte stehen. Heute, bei schönem Wetter, nehmen vier Schüler den Pedibus. "Meine Mama muss schon um sieben Uhr weg nach Wien, zum Arbeiten", erzählt Raffael, der neben der Schultasche auch einen Fußball in einer Tasche trägt. "Ich gehe gerne, und zur Schule muss ich ja sowieso", erklärt er, warum er den Pedibus nimmt.

Ein Volksschüler am Weg in die Schule.
Raffael verbindet das Lustige mit dem Notwendigen. Er geht gerne, und in die Schule muss er sowieso.
Guido Gluschitsch

"Jetzt, wo der Kindergarten und die Schule begonnen haben, geht der Ärger wieder los mit den Eltern, die mit ihren Autos alles vollparken und verstellen", sagt Herr H., der in Wien lebt. Er bringt seine Tochter mit dem Lastenrad in den Kindergarten. Das hat die Familie extra dafür angeschafft. Zu Fuß ist der Weg zu weit, die Öffis sind umständlich zu erreichen, aber mit dem Fahrrad geht es superflott und macht Spaß. Meistens zumindest.

Egoistische Autofahrer

Denn immer öfter ärgert er sich über rücksichtslose Autofahrer, die ihn in der 30er-Zone noch schnell überholen müssen, obwohl man wenige Meter weiter eh wieder nebeneinander an der roten Ampel zu stehen kommt. Aber einen positiven Nebeneffekt hat die tägliche Radtour dennoch: Herr H. macht so automatisch jeden Tag etwas Sport. Und die Volksschule ist dann später ohnedies in Gehweite.

Während im Jahr 1995 in Österreich noch 50 Prozent der Schulwege zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt wurden, waren es rund 20 Jahre später nur noch 35 Prozent, besagt eine Studie des Klimaschutzministeriums. Und das korreliert mit einem "Zu wenig" an körperlicher Aktivität. Das führt unter anderem dazu, dass sich 80 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen elf und 17 Jahren am Tag weniger als eine Stunde lang bewegen. Damit liegt diese Gruppe unter der Mindestempfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Eine Frau und ein Schulkind bei der Pedibus-Haltestelle.
Den Pedibus in Hornstein gibt es schon seit einigen Jahren. Kinder werden dabei sicher zu Fuß in die Schule begleitet.
Guido Gluschitsch

"Dabei ist eine eigenständige und aktive Mobilität auf dem Schulweg besonders wichtig, denn das Mobilitätsverhalten in der Kindheit prägt auch Mobilitätsgewohnheiten im Erwachsenenalter", erklärt man beim Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Es wird betont, wie essenziell es ist, dass sich Kinder bewegen, weil so ihre geistige, physische und soziale Entwicklung gefördert wird.

"Studien kamen zum Ergebnis, dass Kinder, die bewegungsaktiv und selbstständig zur Schule kommen, im Schnitt ein besseres räumliches Wahrnehmungsvermögen, einen besseren Gleichgewichtssinn, eine schnellere soziale Entwicklung und weniger Lernstörungen aufweisen als Kinder, die mit dem Auto zur Schule chauffiert werden", bezieht sich der VCÖ auf eine Mobilitätsstudie von Juliane Stark, durchgeführt an Volksschulkindern in Wien.

Schulstraßen

Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto in die Schule bringen, machen das oft aus Bequemlichkeit, aber auch, weil sie die Kinder beschützen und sicher in die Schule bringen wollen. 2022 wurden in Österreich 434 Kinder im Alter von sechs bis 15 Jahren bei einem Verkehrsunfall auf dem Schulweg verletzt, ein Kind starb. In der Freizeit jedoch, abseits des Schulwegs, wurden fünfmal mehr Kinder verletzt. Die Verkehrssicherheit sei auf dem Schulweg größer, weil diesen "Schülerlotsen oder die Exekutive sichern, Autofahrende aufmerksamer sind und in den vergangenen Jahren vor vielen Schulen Verkehrssicherheitsmaßnahmen umgesetzt wurden", ist der VCÖ überzeugt. Trotzdem gibt es noch viel zu erledigen, wie die Unfallzahlen zeigen. Dazu gehören "kinder- und jugendgerechte breite Gehwege, getrennte Radwege oder vorgezogene Bordsteinkanten an Kreuzungen, Temporeduktionen oder Einfahrtsbeschränkungen, etwa in Schulstraßen".

Zwei Kinder auf einer gesperrten Straße
Schulstraßen, wie hier in der Wichtelgasse in Wien, sind eine Möglichkeit, den Schulweg sicherer zu machen, damit Kinder sich mehr bewegen.
Mobilitätsagentur / Christian Fürthner

Auf Letzteren gelten zu definierten Zeiträumen wie Schulbeginn und Schulende Fahrverbote für Kraftfahrzeuge. Ausgenommen sind neben Einsatzfahrzeugen auch die Zu- und Abfahrten von Anwohnerinnen und Anwohnern. In Wien gibt es nach einem erfolgreichen Pilotversuch 2018 bereits acht Schulstraßen. Eine neunte kommt "ab dem 11. September in der Rohrwassergasse im zwölften Bezirk dazu", erklärt Kathrin Ivancsits, Sprecherin der Mobilitätsagentur Wien. Weitere Schulstraßen gibt es in Salzburg und Innsbruck oder Bad Hofgastein. Heuer noch sollen drei in Graz errichtet werden.

In der Straßenverkehrsordnung ist die Schulstraße erst 2022 eingeführt worden. Dabei gibt es international ähnliche Konzepte schon seit Jahren – wie etwa die "rues aux écoles" (Straßen an den Schulen) in Paris. In Südtirol gibt es sie bereits seit den 1980er-Jahren. Also seit einer Zeit, als unsereins noch täglich stundenlang barfuß durch den Schnee in die Schule gestapft ist. (Guido Gluschitsch, 7.9.2023)