Die Teuerungswelle in Österreich ebbt sukzessive ab. Nach sechs Prozent im Vormonat ist der allgemeine Preisauftrieb im Oktober laut Schnellschätzung der Statistik Austria auf 5,4 Prozent gesunken. Das ist der tiefste Wert seit Jänner 2022. "Das geht vor allem auf die Preise für Nahrungsmittel und Möbel zurück, die vor einem Jahr deutlich gestiegen waren und nun die Teuerung weitaus weniger kräftig antreiben", sagt Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas. "Außerdem sind Treibstoffe im Vergleich zum Oktober des Vorjahres deutlich günstiger."

Ein kleines Bier wird gezapft.
In der Landgastronomie könne etwa der Bierpreis gar nicht deutlich angehoben werden, ohne dass die Nachfrage wegbricht, gibt Wirtschaftskammer-Obmann Mario Pulker zu bedenken.
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Auffallend ist jedoch Österreichs Gastronomie, wo die Preise seit vielen Monaten deutlich schneller steigen als bei anderen Waren und Dienstleistungen. Zur Einordnung: Auf Jahresfrist lag hier der Preisauftrieb im September bei 11,4 Prozent, also fast beim Doppelten der allgemeinen Inflationsrate. Wieso ist das so? Gibt es dafür gute Gründe, oder handelt es sich etwa um Preistreiberei der Wirte?

Schnitzel ab zehn Euro

Diesen Vorwurf will Mario Pulker, Gastronomieobmann der Wirtschaftskammer, nicht im Raum stehen lassen. Er beklagt, dass in der Inflationsberechnung vor allem die Preisentwicklung in Großstädten und touristischen Zentren erfasst werde, nicht aber bei herkömmlichen Landgasthäusern. Dort seien die Preise teilweise nur marginal gestiegen und ein Schnitzel mit Petersilienkartoffeln und Salat noch um zehn bis 14,50 Euro zu haben. "Man kann die Landgastronomie nicht mit touristischen Regionen vergleichen", betont Pulker, der auch im Familienbetrieb Residenz Wachau in Niederösterreich tätig ist.

Ob Energie, Personal, Lebensmittel oder auch die emporgeschnellten Zinsen – die Kosten für die Betriebe sind Pulker zufolge für alle kräftig gestiegen. Schwierig sei es vor allem für jene, die ihre Preise nicht entsprechend erhöhen könnten, ohne Gäste zu verlieren. Das sei vor allem in der breiten Landgastronomie der Fall. Dazu komme die Personalknappheit, weshalb manche ihr Speisenangebot oder die Öffnungszeiten einschränken müssten. "Bei vielen geht es sich hinten und vorne nicht mehr aus", sagt der Gastronomieobmann.

Geringe Nachfrage

Auch Inflationsexperte Josef Baumgartner vom Wifo ist der Ansicht, dass "das flache Land nicht deutlich repräsentiert wird" in der Inflationserhebung für die Gastronomie. Dann gerade dort fehle den Betrieben oft der Spielraum für Preiserhöhungen, weil zu wenig Nachfrage vorhanden sei. Mit Blick auf das seit vielen Jahren laufende Veröden vieler Ortskerne und das damit verbundene Wirtshaussterben ergänzt Baumgartner: "In strukturschwachen Regionen gibt es seit Jahren ein Abwandern. Personal fehlt, Nachfolger fehlen, und die Ertragslage ist schwierig."

Ein Teller Suppe wird serviert.
In der gehobenen Gastronomie treffen die stark gestiegenen Kosten auf eine entsprechende Nachfrage – die Preise können daher angehoben werden.
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Anders stuft er die Lage in Ballungsräumen und touristischen Hotspots ein: Wenn es die Nachfrage zulässt, könnten die hohen Kosten leichter an die Gäste weitergegeben werden. Ob es dabei zu Übergewinnen kommt, sich Wirte also wegen überzogener Preisaufschläge "eine goldene Nase" verdienen, stuft Baumgartner wie folgt ein: quer durch nicht.

International zu billig

Kammerobmann Pulker räumt ein, dass es für andere Betriebe, also hochqualitative Lokale und gehobene Landgastronomie, wiederum gut laufe – also jene, die auf die Qualität der Speisen setzen und ein besonderes Ambiente bieten. "Wirtshäuser, die einfach darauf warten, dass Gäste vorbeikommen, funktionieren nicht mehr", sagt der Experte. Im Gegenzug würde aber die untere Preisschiene wie die Systemgastronomie profitieren. Unlängst habe auch ein zuvor lange geschlossener Würstelstand an der Donau wiedereröffnet, berichtet Pulker, der seitdem von Radfahrern und Ausflüglern gut leben könne.

"Sinken werden die Preise nicht mehr", zerstreut der Gastroobmann diesbezügliche Hoffnungen. Er fügt hinzu: "Aber im internationalen Vergleich war die österreichische Gastronomie lange zu billig."

"Schluckauf" wegen Preisbremse

Zurück zur allgemeinen Inflation. Wifo-Ökonom Baumgartner geht davon aus, dass diese bis November etwa bei fünf Prozent liegen wird, bevor es einen "Schluckauf" geben könnte. Denn ab Dezember entfällt die inflationsdämpfende Wirkung der Strompreisbremse – es geht um etwa einen Prozentpunkt –, da diese ein Jahr zuvor eingeführt wurde und dann gedeckelte Preise mit ebenfalls schon gedeckelten Vorjahrespreisen verglichen werden. Heuer soll sich die durchschnittliche Jahresinflation laut Wifo-Prognose bei 7,7 Prozent einpendeln und im nächsten Jahr auf vier Prozent zurückgehen – in einer Bandbreite von etwa fünf Prozent zu Jahresbeginn bis rund drei Prozent gegen Ende des Jahres 2024.

Das bedeutet aber auch, dass die Inflation hierzulande weiterhin viel höher bleibt als im Rest der Eurozone. Dort lag die Teuerung im Oktober gemäß einer Schnellschätzung der Statistikbehörde Eurostat bei 2,9 Prozent, Tendenz stark sinkend. Zum Vergleich: Nach einheitlicher EU-Berechnungsmethode betrug der Preisauftrieb in Österreich 4,9 Prozent, also zwei ganze Prozentpunkte mehr. In Deutschland musste die Bevölkerung im Oktober um drei Prozent mehr für Waren und Dienstleistungen bezahlen als vor einem Jahr. Die höchste Inflation in der Eurozone wies im Oktober die Slowakei mit 7,8 Prozent auf, die geringste Belgien, wo das Preisniveau im Jahresvergleich sogar gefallen ist, mit minus 1,7 Prozent.(Alexander Hahn, 31.10.2023)