Der von vielen ersehnte Rückgang der Inflation in Österreich auf ein erträgliches Niveau lässt auf sich warten. Vielmehr wurde die zuletzt fallende Tendenz durch einen Anstieg der Teuerung von sieben auf 7,4 Prozent im August unterbrochen – hauptsächlich wegen wieder emporgeschnellter Kosten für Treibstoffe, gab die Statistik Austria am Dienstag bekannt. Dadurch liegt der Preisauftrieb hierzulande seit Jänner 2022, also seit mehr als eineinhalb Jahren, durchgehend über der Marke von fünf Prozent. Was macht das mit den Menschen? In welchen Bereichen ändern sie ihr Konsumverhalten und sparen – und in welchen nicht?

Einkaufstaschen mit der Aufschrift:
Das Geld reicht in vielen Haushalten nicht aus, um weiterhin wie gewohnt zu konsumieren. Beim Sparen schlagen betroffene Menschen unterschiedliche Strategien ein und lassen manche Bereiche davon aus – sofern zumindest dazu das Geld noch reicht.
IMAGO/Michael Gstettenbauer

Den meisten Menschen machen die permanenten Preiserhöhungen im täglichen Einkauf oder beim Tanken besonders stark zu schaffen. Warum das so ist, erklärt Konsumforscherin Bernadette Kamleitner: "Je öfter man daran denken muss, desto mehr tut es weh", sagt die stellvertretende Leiterin des WU-Instituts für Marketing & Consumer Research über die hohen Verkaufspreise. Sprich, man wird öfter mit dem Negativerlebnis konfrontiert. Dennoch sind gerade Lebensmittel neben Strom und Gas sowie der Gastronomie einer jener Bereiche, in denen die Bevölkerung gemäß einer Imas-Umfrage am stärksten auf die Kostenbremse tritt.

Stark eingeschränkt

Denn kalt lassen die rasant steigenden Verbraucherpreise nur noch wenige: Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, das Konsumverhalten bereits angepasst zu haben, ein Fünftel muss sich sogar stark einschränken. Darin sieht der Marktforscher ein sogenanntes "Triple-A-Kundenverhalten". Das klingt wesentlich exklusiver, als es ist, denn es leitet sich von Askese, Angebote einzuholen und Produkte in Aktion zu kaufen ab – also den Folgen eines zu knapp gewordenen Haushaltsbudgets. Wobei der komplette Konsumverzicht psychisch besonders schwer belaste, sagt Konsumforscherin Kamleitner.

Die Entwicklung der Verbraucherpreise in Österreich.

Während die Mehrzahl der Menschen gemäß der Imas-Umfrage beim Urlaub sparen oder verzichten, setzen der WU-Expertin zufolge manche auf das Gegenteil. Sprich, sie sparen lieber im Alltag, gönnen sich dafür während des Urlaubs ein "Gegengewicht" ohne starke finanzielle Einschränkungen. Wenn man ein Sparziel vor Augen habe, falle es diesen Menschen auch psychologisch leichter, sich im Alltag einzuschränken, sagt Kamleitner. Ähnliches gilt für Sport und Hobbys, wo sich generell nur wenige Befragte einschränken wollen.

Keine Spielräume

"Manche Bereiche von Sparzwängen freizuhalten ist ein sehr wichtiger Mechanismus", erklärt Kamleitner. Denn man brauche etwas, über das man sich definieren könne. Darum sei die Situation für jene Menschen psychisch besonders belastend, die dafür keine ausreichenden finanziellen Spielräume haben – insbesondere wenn auch Kinder davon betroffen sind und das Geld für deren Schulskikurs nicht mehr ausreicht. "Schlimm ist es, wenig zu besitzen und das Gefühl zu haben, alle anderen haben mehr", sagt Kamleitner. Weniger belastend wäre es etwa, wenn sich die halbe Schulklasse den Skikurs nicht leisten könne.

Ein Mann greift in einem Supermarkt in ein Tiefkühlregal.
Viele Menschen versuchen noch, ihren Lebensstil – zumindest in der Außenwahrnehmung – weitgehend aufrechtzuerhalten.
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Generell verstärkt der WU-Forscherin zufolge die langanhaltende Inflation die Zukunftsängste in der Bevölkerung. Allgemein sieht sie die Entwicklung an einem Punkt, an dem viele Menschen noch versuchen, ihren Lebensstil – zumindest nach außen – weitgehend aufrechtzuerhalten. Dazu greifen sie gemäß einer Umfrage des Vergleichsportals Durchblicker vermehrt zum teuersten aller Kredite, einem Kontoüberziehungsrahmen. Deren Anteil ist demnach von 17 Prozent vor zwei Jahren auf derzeit 24 Prozent gestiegen, es hat also fast jeder Vierte regelmäßig ein Minus am Konto. Dabei fallen laut dem Vergleichsportal zwischen sieben Prozent bei Premiumprodukten und bis zu 14 Prozent bei Gratiskonten an Zinsbelastung an.

Mehr Konsumkredite

"Das Girokonto ist als Zahlungsverkehrsprodukt gedacht und nicht dazu vorgesehen, sich dauerhaft Geld von der Bank auszuleihen", sagt Durchblicker-Experte Martin Spona. Vielmehr sollten Betroffene in solchen Fällen auf einen Konsumkredit als günstigere Alternative umsatteln, rät er. Das passiert auch, denn laut dem Vergleichsportal ist auch dort die Nachfrage etwa um ein Drittel höher als vor einem Jahr. "Drei von vier Haushalten kämpfen mit einem sinkenden Realeinkommen", sagt Spona. Meist geht es bei den Konsumkrediten bereits um Umschuldungen mit 17 Prozent Anteil, gefolgt von Kfz-Finanzierungen mit zwölf Prozent. Zinssätze von sechs bis neun Prozent seien die Norm für Konsumkredite, abhängig von der Bonität des Kreditnehmenden.

"Viele Menschen beachten nicht, dass Konsumkredite zumeist variabel verzinst sind", warnt Gudrun Steinmann, Leiterin der Abteilung für Finanzbildung bei der FSW-Schuldenberatung. Denn durch die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB), die dadurch die Teuerung auf das Zielniveau von zwei Prozent drücken will, erhöhen sich die Kreditkosten. Erst vergangene Woche hat die Notenbank den Leitzins um einen Viertelprozentpunkt auf nunmehr 4,5 Prozent nach oben geschraubt, das höchste Niveau seit Bestehen der Eurozone. Manche Experten sind der Ansicht, dass damit der Zinsgipfel bereits erreicht sein sollte und variable und neu zu vergebende Kredite nicht mehr wesentlich teurer werden.

Zurück zu den zunehmenden Zukunftsängsten der Menschen. Was passiert, wenn sich der eigene Lebensstil trotz Kontoüberziehungen oder Verbraucherkrediten auf Dauer nicht mehr halten lässt? Zumal in vielen Ländern der Eurozone, darunter Österreich und Deutschland, eine Rezession herrscht oder zumindest droht? Konsumforscherin Kamleitner verweist wieder auf den Blick auf die anderen – und wie es ihnen in dieser Situation geht. Sind im näheren Umfeld viele betroffen, mache das den Umgang mit sozialem Abstieg zumindest psychologisch etwas leichter. (Alexander Hahn, 19.9.2023)