Es ist Sand im Getriebe. Nach einem bereits deutlichen Rückgang im zweiten Quartal um 1,1 Prozent droht Österreichs Wirtschaft endgültig in eine Rezession zu schlittern. Dies ist nach zwei Quartalen mit negativem Wachstum der Fall, und dies könnte laut Wifo-Chef Gabriel Felbermayr im Herbst eintreten. Denn die Schwäche in der heimischen Industrie und im Handel, die für das Minus im abgelaufenen Quartal verantwortlich waren, droht weiterhin anzuhalten, ebenso die Exportflaute.

Arbeiter vor einem Hochofen.
Besonders die rückläufige Industrie hat neben dem schwachen Handel der österreichischen Wirtschaft, die im zweiten Quartal um 1,1 Prozent geschrumpft ist, zugesetzt.
AFP/INA FASSBENDER

Auch in Deutschland, immerhin Österreichs wichtigstem Handelspartner, läuft es ziemlich unrund, für das Gesamtjahr 2023 wird ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung befürchtet. Dazu kommen die Probleme in China, früher verlässliche Konjunkturlokomotive, wo derzeit die wirtschaftlichen Prognosen am laufenden Band gesenkt werden. Kurzum: Die wirtschaftlichen Aussichten trüben sich immer weiter ein.

"Mehrfacher Gegenwind"

Das sieht auch die EU-Kommission in ihrer Sommerprognose so. Demnach verliert die Wirtschaft in der gesamten Eurozone an Schwung und soll nur noch um 0,8 Prozent wachsen. Zuvor hatte die Brüsseler Behörde noch ein Plus von 1,1 Prozent erwartet. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni spricht mit Blick auf die Folgen des Ukraine-Krieges, steigender Zinsen und hoher Inflation von "mehrfachem Gegenwind". Dieser trifft besonders Deutschland hart: Die Wirtschaftsleistung dürfte dort demnach heuer um 0,4 Prozent schrumpfen. Zuvor lautete die Prognose auf ein kleines, 0,2-prozentiges Plus.

Das mitunter in Medien gezeichnete Bild der deutschen Wirtschaft als kranker Mann Europas teilt Gentiloni aber nicht: "Wir wissen, dass es sich um eine starke Volkswirtschaft handelt, die die Werkzeuge und die Möglichkeit zur Erholung hat." In den kommenden Monaten könne sich beim Binnenkonsum und Kaufkraft Besserung einstellen – was den Weg für künftiges Wachstum öffne. Schon jetzt besser läuft es in Spanien oder Frankreich, wo das Wachstum heuer 2,2 bzw. ein Prozent betragen soll. Für Österreich liegt keine Prognose vor.

Hiobsbotschaft für die EZB

Fraglich ist, wie die Europäische Zentralbank (EZB) auf die wirtschaftlichen Hiobsbotschaften reagieren wird, wenn sie am Donnerstag über das künftige Zinsniveau in der Eurozone entscheidet. Seit Juli 2022 hat sie den Leitzins im Kampf gegen die überbordende Inflation in neun Etappen von null auf 4,25 Prozent gestemmt. Ob ein zehnter Zinsschritt in Folge gesetzt wird, machte EZB-Chefin Christine Lagarde zuletzt von der aktuellen Datenlage abhängig – und die zeichnet das Bild einer zusehends angeschlagenen Wirtschaft.

Gleichzeitig entwickelt sich die Inflation in der Eurozone seit Monaten tendenziell rückläufig – trotz einer Stagnation bei 5,3 Prozent im August wegen gestiegener Treibstoffpreise. Wird Lagarde in dieser Situation nochmals auf die geldpolitische Bremse steigen, die – mit einigen Monaten Verzögerung – die Wirtschaft noch zusätzlich abwürgen könnte?

Zinspause oder nicht?

Derzeit wird am Finanzmarkt eher damit gerechnet, dass die EZB eine Zinspause einlegen wird. "Angesichts der schwachen Konjunktur und des Abwärtstrends bei der Inflationsrate dürfte die EZB ihre Leitzinsen nicht weiter erhöhen, und auch auf den folgenden Sitzungen dürften die Zinsen unverändert bleiben", sagt etwa Commerzbank-Volkswirt Marco Wagner. Ähnlich äußert sich Deutsche Bank-Ökonom Mark Wall: "Wir erwarten, dass die EZB den Zinserhöhungszyklus im September unterbricht", sagt er.

Angesichts der "komplizierten Gemengelage, die die EZB-Entscheidung" schwierig mache, bleibt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING, vage: "Wir erwarten eine sehr hitzige Debatte mit einem knappen Ausgang", sagt er über die Entscheidungsfindung der Währungshüter. Auf der Seite jener, die zum Leidwesen vieler Kreditnehmenden eine Zinserhöhung erwarten, zählt Wifo-Chef Felbermayr: Es "sieht so aus", als würde die Notenbank am Donnerstag die Zinsen erhöhen. (Alexander Hahn, 11.9.2023)