Meng Jinghui
Ausnahmsweise ohne Lachen: Regisseur und Festivalleiter Meng Jinghui. Sein Wuzhen Festival feiert heuer zehnten Geburtstag. Erstmals waren Burg- und Volkstheater mit Gastspielen vertreten.
Wuzhen Theater Festival China

Mit seinem fliegenden Haar und seinem verschmitzten Lächeln überzeugt Meng Jinghui als bestens gelaunter Festivalleiter. "Feel good", prostet er vom gegenüberliegenden Ufer eines der Wasserkanäle von Wuzhen freudig seinem Publikum beim Empfang zu. Danach mischt er sich in die Menge und ist für jeden ansprechbar. Dabei hat er in diesen Tagen zwei Premieren zu stemmen. Wuzhen ist eines der prestigeträchtigsten Theaterfestivals und eines der größten Publikumsfestivals Chinas. Karten sind nicht ganz einfach zu bekommen. Am Rande eines Dinners stand Meng Jinghui für ein kurzes Interview zur Verfügung.

STANDARD: Mit welchem anderen Festival ließe sich das Wuzhen Theater Festival am besten vergleichen?

Jinghui: Das Festival existiert seit zehn Jahren. Damals war die Idee, ein Festival zu gründen, das professionell, zeitgenössisch und international ist. Dieses "Schutzgebiet" hier in Wuzhen, dieses abgeschlossene, schöne Areal in der Welterbe-Stadt bot sich als Schauplatz einfach an. Am ehesten könnte man das Festival mit Avignon vergleichen. Ein Ort, der sich für die betreffende Zeit völlig dem Theater widmet, auch auf den Straßen.

Wuzhen Theater
Großer Andrang von jungen Leuten beim Wuzhen Theater Festival.
Margarete Affenzeller

STANDARD: Das Festival hat viel junges Publikum. Warum ist das so? In Europa ist das Gegenteil der Fall.

Jinghui: In China ist das zeitgenössische Theater erst dabei, sich so richtig zu entwickeln. Es ist in der Art, wie wir sie zeigen, eigentlich eine junge Kunst, wenn man so will. Und zieht deshalb am meisten junge Leute an. Sie interessieren sich sehr für die hier verhandelten Themen.

STANDARD: An welches Publikum richtet sich Ihr Festival?

Jinghui: Ich will gezielt für ein junges Publikum Theater machen. Für Menschen, die bereit sind, solche Sachen, auch aus dem Ausland, anzunehmen.

STANDARD: Gibt es auch in China einen Publikumsschwund nach der Pandemie?

Jinghui: Ja, wir haben um zirka zehn Prozent weniger Theatergeher. Es ist klar spürbar. Besonders im laufenden Jahr gingen die Zahlen noch hinunter. Wir hoffen aber auch, dass wir das Tal bald durchschritten haben und 2024 die Zahlen wieder stimmen. Es fehlen derzeit auch die Teile des Publikums, die in der Pandemie die Praxis des Theatergehens nicht erlernen konnten.

Wuzhen Meng Jinghui Stan Lai
Empfang beim Wuzhen Theater Festival an einem der vielen Wasserkanäle der Stadt - mit Ansprachen der Festivalgründer Stan Lai (Mitte) und Meng Jinghui (re.) samt Übersetzer.
Margarete Affenzeller

STANDARD: Bekommt das Festival genug Geld vom Staat oder braucht es private Geldgeber?

Jinghui: Wir bekommen nichts vom Staat. Das Festival wird finanziert von der Immobilienfirma, die diesen Ort hier betreibt. Die verdienen gut Geld und nützen das Festival auch zu Werbezwecken. Also kommt kein Cent von der öffentlichen Hand. Ähnlich ist es auch beim Aranya Festival im Norden des Landes, das ich ebenso leite.

STANDARD: Was ist Ihrer Meinung nach am chinesischen Theater chinesisch?

Jinghui: Hm, da muss ich jetzt überlegen. Es fällt mir schwer, dazu etwas zu sagen. Es gibt nichts spezifisch Chinesisches, denke ich, höchstens, dass sich derzeit so viele junge Menschen mit Theater beschäftigen.

STANDARD: In Europa wird viel über Diversität diskutiert. Setzen Sie sich als künstlerischer Leiter auch mit diesen Fragen auseinander?

Jinghui: In China gibt es diese Diskussion vor allem zwischen den Generationen, zwischen Jung und Alt. Die Jungen schauen anders auf die Welt und haben andere Erwartungen. Das ist ein Konfliktpunkt, aber es wird nicht immer offen diskutiert. Gender Politics sind auch hier ein Thema.

STANDARD: Findet diese Diskussion auch in Ihrem Komittee statt? Achten Sie beispielsweise darauf, dass das Programm das Geschlecht betreffend ausgewogen ist?

Jinghui: Das machen wir eigentlich nicht.

STANDARD: Mit welchen Regisseuren fühlen Sie sich künstlerisch verwandt?

Jinghui: Fellini, Fassbinder, Godard. Mit ihnen bin ich aufgewachsen, und sie haben mich beeinflusst.

STANDARD: Ich habe gelesen, dass Sie in Shanghai einen neuen Broadway errichten wollten. Was ist daraus geworden?

Jinghui: Ich hatte tatsächlich ein Theater gemietet. Aber es hat nicht funktioniert. Ich hatte allerdings nie vor, einen Broadway aufzuziehen. Das Shanghaier Publikum ist leider verdorben, die wollen nur Musical sehen, so einfache Liebesgeschichten. (Margarete Affenzeller, 31.10.2023)