Pressekonferenz der Neos im Mai 2023 mit Abgeordnetem Gerald Loacker.
Neos-Nochmandatar Gerald Loacker sagt zu seinem Abschied: "Ich hatte immer mehr Gegner als Freunde, da wird mir nichts fehlen."
IMAGO/Michael Indra

Wer über Gerald Loackers angekündigten Rückzug aus der Politik so etwas wie Überraschung äußert, wird von ihm in Loacker-Manier zurechtgewiesen: "Das ist ja eines der Leiden der Politik, dass es überraschend ist, wenn man einfach nur tut, was man immer gesagt hat." Bums. Hier könnte man die Diskussion über sein politisches Ende also eigentlich wieder beenden. Dabei hat Loacker noch einiges zum Thema zu sagen.

Der Wirtschaftssprecher der Neos ist dafür bekannt, sich nie ein Blatt vor den Mund zu nehmen und mit Leidenschaft auszuteilen. Im angesprochenen Fall hat er recht: Es gilt als Leitlinie der Neos, dass Mandatare nach rund zehn Jahren ausgetauscht werden sollen, weil das "Sesselkleben" verpönt ist. So wollte es auch Loacker immer handhaben. Mit Ende der Legislaturperiode wird er sich nun aus der Politik verabschieden. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.

Loacker sagt selbst: "Typischerweise gibt es bei Abschieden ganz viele Argumente, die eine Rolle spielen." Er gilt auch innerparteilich nicht als Ja-Sager. Über die Ausrichtung der Neos soll er mit Parteichefin Beate Meinl-Reisinger nicht immer einer Meinung gewesen sein. Neos-intern wird schon länger darüber diskutiert, warum die Partei angesichts der angeschlagenen ÖVP (und einer strauchelnden SPÖ und eher schwächelnden Grünen) nicht in Umfragen abhebt. Loacker repräsentiert unter Österreichs Liberalen den Wirtschaftsflügel, der manchen in der Partei von Meinl-Reisinger zu wenig in den Fokus gerückt wird.

"Habe alles angebracht"

Und dann ist da noch die Rückkehr von Sepp Schellhorn. Der Gastronom und einstige Neos-Mandatar war aus der Politik ausgeschieden, möchte in der kommenden Legislaturperiode jedoch wieder aktiv werden. Er war vor Loacker Wirtschaftssprecher der Neos und dürfte diese Rolle wohl auch nach seinem Comeback wieder einnehmen. Loacker betont, er sei mit Schellhorn in "gutem Einvernehmen", diesbezüglich habe es keine Differenzen gegeben.

Loacker nennt ohnehin keine innerparteilichen Gründe, die für seinen Rückzug verantwortlich seien. Er sagt, überzeugt wie immer: "Die Neos wurden gegründet, um etwas zu verändern. Ich habe alles angebracht, was ich anbringen wollte."

Bekannt wurde er mit lauter Kritik am Kammersystem. In seiner Abschiedsankündigung in sozialen Medien schrieb er, er habe Pensionen "öfter zum Thema gemacht, als es den Kollegen außerhalb (und manchmal innerhalb) meiner Fraktion lieb war". Auch seinen Widerstand gegen eine Corona-Impfpflicht betonte er. Meinl-Reisinger hatte die einst geplante Impfpflicht zeitweise unterstützt.

Bloß keine Bequemlichkeit

Aber wie weiß man, dass es genug ist? Und wie gesteht man sich das ein? Loacker rät – so "als Gedanken-Impuls": "Man muss sich die Frage stellen, ob es vor allem bequemer wäre weiterzumachen, als sich zu verändern." Spiele Bequemlichkeit eine zu große Rolle, solle man besser schnell etwas Neues versuchen, findet Loacker.

Eine gewisse Trägheit attestiert er jedenfalls seinen Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat: "Viele der 183 Abgeordneten würden ihr Politikergehalt am freien Markt nie bekommen." Sein eigener Vorteil sei: Er pflege einen Lebensstil, sodass er auch mit weniger Geld gut auskomme (derzeit bekommen Nationalratsabgeordnete 9872,60 Euro brutto pro Monat). Einen neuen Job habe er noch nicht. Vorstellbar sei für ihn, wieder in Vorarlberg zu leben. Bei der Dornbirner Sparkasse ist er karenziert und hätte ein Rückkehrrecht als Personalleiter.

Beim Abschied aus der Politik werde ihm auch helfen, dass ihm eines ganz sicher nicht fehlen werde: der öffentliche Applaus. "Viele Politiker tun sich vor allem deshalb schwer damit, loszulassen, weil sie weiterhin das Bedürfnis haben, geliebt zu werden. Ich hatte immer mehr Gegner als Freunde, da habe ich wenig zu vermissen."

Seinen Parteikollegen wolle er mitgeben, dass sie sich von den Mächtigen "nicht umarmen lassen", sondern ihnen immer misstrauen. Die "politische Großwetterlage" sei für die Neos derzeit nicht günstig, findet Loacker: "Es regiert die Politik der Geldgeschenke und des Handaufhaltens. Sich dem entgegenzustellen ist nicht sehr sexy."

Tickt die pinke Uhr?

Statutarisch ist ein Abschied nach zehn Jahren bei den Neos übrigens nicht direkt verankert. Es ist mehr ein ideeller Grundsatz. Mandatare, die bereits zwölfeinhalb Jahre im selben Organ (wie dem Nationalrat) tätig waren, benötigen allerdings zwei Drittel der Stimmen bei einer Neos-Mitgliederversammlung, um weitermachen zu dürfen.

Somit ist auch Neos-Chefin Meinl-Reisinger vorerst aus dem Schneider. Sie ist zwar – wie Loacker – 2013 in den Nationalrat eingezogen, hat ihn aber zwischenzeitlich verlassen. Von 2015 bis 2018 war sie Wiener Neos-Chefin (und Abgeordnete zum Wiener Landtag), bevor sie dann die ganze Partei übernahm. (Katharina Mittelstaedt, 2.11.2023)