Silhouetten von Laptop- und Mobilgerätenutzern neben einer Bildschirm-Projektion des YouTube-Logos
Hassrede im Internet wirksam zu bekämpfen ist insbesondere dann eine Herausforderung, wenn sie mehrdeutig formuliert und für Algorithmen schwer zu entschlüsseln ist.
Reuters/Ruvic

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel Anfang Oktober sehen sich Juden weltweit einer Welle antisemitischer Äußerungen ausgesetzt. Eine aktuelle Studie der britischen Organisation Institute for Strategic Dialogue (ISD) zeigt nun, dass sich diese feindseligen Einstellungen vor allem auch im Internet zeigen. Allein auf der Videoplattform Youtube hat sich die Zahl antisemitischer Kommentare inzwischen verfünfzigfacht.

Die Forscher des ISD untersuchten fünf Millionen Youtube-Kommentare zu 11.000 Videos nach dem Angriff und verglichen sie mit den Kommentaren, die vor dem Einmarsch der Hamas veröffentlicht wurden. Insgesamt wurden 15.270 antisemitische Kommentare gezählt, was einem Anstieg um 4.963 Prozent entspricht. Das ISD untersuchte auch Randplattformen wie 4chan und Telegram und stellte auch dort einen signifikanten Anstieg antisemitischer Inhalte fest, wobei 4chan die höchste Anzahl solcher Kommentare aufwies.

Das Problem der Mehrdeutigkeit

In den untersuchten Kommentaren wurden zum Teil unangemessene Parallelen gezogen, indem Israelis mit Nazis verglichen wurden. Sie enthielten auch Verschwörungstheorien, die eine jüdische Kontrolle über die Medien und das politische und finanzielle System suggerierten, und gingen bis zu der Behauptung, dass die Angriffe der Hamas insgeheim von Israel selbst orchestriert würden. Es gab auch direkte Drohungen gegen Juden und jüdische Beamte. In einigen Fällen wurden auch Grafiken verwendet, die zu Gewalt gegen jüdische Beamte aufriefen. Diese Äußerungen sind nach der Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) eindeutig als antisemitisch einzustufen.

Darüber hinaus wurden auch Kommentare gefunden, die sich in einer Grauzone bewegen und schwieriger eindeutig als antisemitisch zu klassifizieren sind. Sie enthalten zwar potenziell beleidigende Ausdrücke gegenüber Israel, sind aber mehrdeutig formuliert. Das ISD beschrieb die Mehrheit der antisemitischen Kommentare, die auf Youtube gefunden wurden, als "grenzwertig" und in einigen Rechtsbereichen als möglicherweise gerade noch zulässig.

Parallel zur Zunahme des Antisemitismus wächst auch die Sorge vor einer Zunahme der Islamophobie. Experten befürchten, dass es im Zuge des Konflikts zwischen Israel und der Hamas vermehrt zu Hassattacken auf Muslime kommen könnte. Auch in den USA haben Organisationen wie die Anti-Defamation League und das Council on American-Islamic Relations eine Zunahme von Angriffen, einschließlich Gewalt oder Drohungen gegen Demonstranten bei Kundgebungen, festgestellt.

Millionen Kommentare bereits entfernt

Obwohl Youtube über Richtlinien gegen Inhalte verfügt, die zu Gewalt oder Hass gegen Juden aufrufen, hat die Moderation Schwierigkeiten, mit dem plötzlichen Anstieg von Hassreden Schritt zu halten. Seit den Angriffen der Hamas wurden mehr als drei Millionen Kommentare, tausende Videos und hunderte Kanäle von der Plattform entfernt, wie ein Sprecher von Youtube gegenüber Fast Company betont.

Die Analyse des ISD unterstreicht in jedem Fall die Herausforderung, vor der digitale Plattformen stehen, wenn es darum geht, Hassreden wirksam zu bekämpfen – insbesondere wenn diese in einer subtilen und mehrdeutigen Sprache verfasst sind, die für Algorithmen noch schwer zu entschlüsseln ist. (red, 2.11.2023)