Die Immobilienbranche hat eine Sonderstellung im Wirtschaftsleben. Der Wert von einem Stück Land kann gewaltig schwanken, der Investitionsbedarf für Neu- und Umbauten ist groß und die Zeitspanne für Projekte lang. Immobilienunternehmer müssen sich hoch verschulden, arbeiten mit viel Risiko und können dabei immens reich werden, ohne wirtschaftlich viel zu leisten. Und manchmal stürzen sie ab.

René Benkos Immobilienkonzern Signa ist in Turbulenzen geraten.
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René Benko hat in den vergangenen Jahren etwas geleistet. Er hat schon als junger Mann Marktchancen erkannt und einige interessante Projekte ermöglicht. So hat die Wiener Innenstadt durch das Goldene Quartier zwischen Tuchlauben und Am Hof dazugewonnen. Ob das Kaufhaus Lamarr auf der Mariahilfer Straße einen architektonischen Mehrwert gegenüber dem abgerissenen Leiner-Gebäude bieten wird, bleibt offen – wenn es tatsächlich fertiggestellt werden kann.

Unübersichtliches Firmengeflecht

Aber insgesamt hat Benko sein Ziegel-, Glas- und Betonreich so wie andere große Immobilienunternehmer erbaut – mit der Hilfe reicher Partner, die er mit Charme von seinen Ideen überzeugte, mit besten politischen Kontakten, mit einem unübersichtlichen Firmengeflecht und dank billiger Kredite.

Letzteres war entscheidend: Ohne die niedrigen Zinsen, die ab 2009 das Verschulden so attraktiv machten, wäre Benko nie zum Multimilliardär aufgestiegen. Er war ein Surfer auf einer kreditfinanzierten Immobilienwelle, mehr nicht. Seine Ausflüge in den Einzelhandel – Galleria und Kika/Leiner – gingen schief, sein Einstieg bei der Kronen Zeitung hat bisher nichts gebracht.

Mit der Zinswende der Notenbanken ist dieses hochspekulative Konstrukt gehörig ins Wanken geraten. Denn wenn gleichzeitig die Finanzierungskosten explodieren und der Wert der Objekte sinkt, dann geht einem Investor rasch die Luft aus. Andere haben es in einer solchen Notlage immer wieder geschafft, einen Kollaps zu vermeiden, indem sie neue Kreditgeber fanden oder den Gläubigern signalisierten: Gebt mir Zeit bis zum nächsten Aufschwung, denn wenn ihr mich jetzt fallenlasst, dann verliert ihr alles. So hat Donald Trump trotz mehrfacher Pleiten immer weitermachen können.

Flexibler Immobilienmarkt

Bei Benko scheinen seine Partner nun die Geduld mit ihm verloren zu haben. Womöglich hat er ihnen gegenüber mehr Charme als Handschlagsqualität bewiesen. Offenbar sehen sie zwar eine Zukunft für das riesige Immobilienportfolio mit seinen prestigeträchtigen Adressen, aber nicht mit Benko an der Spitze.

Es ist zu hoffen, dass sie nach dessen Rückzug diesen Kurs beibehalten können, dass Benko in Zukunft keine wesentliche Rolle mehr spielt. Anders als bei erfolgreichen Industriellen, deren Werk die Grundlage für den Wohlstand eines Landes bildet, hat Österreich von ihm wenig profitiert: Er hat mehr genommen als gegeben, mit Schaum und Schein gearbeitet – und steht daher auch symbolhaft für die Ära seines Freundes Sebastian Kurz.

Sein Fall wäre erneut ein Anlass für die Politik, sich Wege zu überlegen, wie es vermieden werden kann, dass Einzelne ungehörig reich werden, indem sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Kontakten zuschlagen. Wir brauchen einen flexiblen, lebendigen Immobilienmarkt, in dem gute Projekte guten Gewinn abwerfen – aber nicht nach der Benko-Methode. (Eric Frey, 3.11.2023)