Nach Baustopps folgt jetzt für René Benko der Vertrauensentzug durch die Investoren
Nach Baustopps folgt jetzt für René Benko der Vertrauensentzug durch die Investoren.
Collage: Friesenbichler/DER STANDARD

In Hamburg soll der Elbtower zum neuen Wahrzeichen der Hansestadt werden – doch bei hundert Metern von geplanten 245 Meter Bauhöhe standen die Kräne plötzlich still. In Stuttgart wird ein Planungsbüro angewiesen, die Konzeption eines luxuriösen neuen Einkaufstempels abzubrechen. In Basel und Wien läuft der Bau ähnlich nobler Warenhäuser zwar weiter wie geplant – aber auch hier brodelt die Gerüchteküche, wonach Schwierigkeiten bevorstehen könnten.

Denn das Unternehmen hinter all den Projekten ist in enorme Schwierigkeiten gerutscht: die Signa-Holding des Tiroler Milliardärs René Benko – einer der wichtigsten Immobilien- und Handelskonzerne in Europa, rund 27 Milliarden Euro Bilanzsumme, lange Zeit erfolgsverwöhnt wie nur wenige.

Doch nun sind die Probleme, die sich in den vergangenen Monaten immer mehr aufgetürmt haben, derart groß, dass Benkos Entmachtung bereits beschlossene Sache ist. Der Bauunternehmer und Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner, einer der wichtigsten Geldgeber der Signa, sagt im STANDARD-Gespräch, dass Benko dem Wunsch seiner Investoren nach einem Rückzug aus der Gruppe "zugestimmt" habe. Zugleich habe Benko "seine eigenen Vorstellungen deponiert".

Brisanter Investorenbrief

Was ist da los? Die Baustopps sind jedenfalls nur eine von mehreren Hiobsbotschaften für die Signa in den letzten Tagen. Kurz zuvor war via Magazin News bekannt geworden, dass die Signa Holding im Jahr 2022 im nicht veröffentlichten Jahresabschluss einen Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro ausweist. Einer der Vorstände der Signa, Claus Stadler, soll laut Kronen Zeitung bereits das Handtuch geworfen haben. Darüber hinaus stellte im Oktober Benkos Signa Sports United in Berlin einen Insolvenzantrag. Bis vor kurzem war dieses Sporthandelsgeschäft des Konzerns auf der Signa-Website noch als "weltweit führende Sports-E-Commerce- und Technologie-Plattform" angepriesen worden. Mittlerweile ist dieser Eintrag gelöscht.

Das ist aber längst noch nicht alles. Vergangenen Donnerstag berichteten Spiegel und Handelsblatt, dass die Mitinvestoren, die ihr Geld in Benkos Signa Holding gesteckt haben, dem einstigen Wunderkind das Vertrauen entziehen. In einem persönlichen Schreiben fordern sie Benko auf, sich aus der Führung der Signa-Gruppe zurückzuziehen.

Unterzeichner des Briefes sind neben Haselsteiner auch Fressnapf-Gründer Torsten Toeller, Lindt-&-Sprüngli-Verwaltungsratspräsident Ernst Tanner, Kaffeeunternehmer Arthur Eugster und die Unternehmerin Julia Dora Koranyi-Arduini.

"Rettung der Gruppe"

Laut Spiegel einigten sich die Signa-Gesellschafter im Rahmen eines Video-Calls auf Benkos Rückzug. Ansonsten, lautet die Drohung, solle er kein weiteres Geld der Gesellschafter erhalten, um die Existenz seiner Gruppe sichern zu können. Nur bei einem sofortigen Rückzug Benkos sei ein "Krisenmanagement (...) zur Rettung der Gruppe" möglich, zitiert das Handelsblatt aus dem Brief.

"Ein zweites Kika/Leiner soll verhindert werden", sagt Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner zum Wunsch einer Entmachtung Benkos.
APA/FLORIAN WIESER

Den Gesellschaftern schwebt auch vor, wer statt Benko an die Spitze kommen soll: ein deutscher Steuerberater und Insolvenzexperte namens Arndt Geiwitz, den Benko bereits im Oktober als Sanierungsberater zur Signa geholt hat. Ein harter Stellenabbau und ein Abverkauf könnten die Folge sein.

Benkos Rückzug betrifft seine Funktion als Vorsitzender des Beirats der Signa Holding, eines Beratungsgremiums. Darüber hinaus hat er bereits seit Jahren keine operative Funktion bei der Signa inne – offiziell. Inoffiziell wissen alle, dass Benko die Fäden zieht. Ebendies soll nun nach Wunsch der Investoren Geiwitz übernehmen.

15-Prozent-Eigentümer Haselsteiner

Haselsteiner ist einer der mächtigsten Investoren hinter Benkos Signa; laut Firmenbuch hält die Haselsteiner-Familien-Privatstiftung 15 Prozent Anteile der Signa-Holding. Benko, sagt Haselsteiner dem STANDARD, habe den Gesellschaftern vor vier Wochen mitgeteilt, dass er Geiwitz als Sanierungsexperten engagiert habe. "Die Gesellschafter kennen Geiwitz und haben die Entscheidung zustimmend zur Kenntnis genommen." Diese Woche nun hätten die Gesellschafter Benko gebeten, Geiwitz auch als Beiratsvorsitzenden einzusetzen – und ihm alle Stimmrechte zu übertragen, die Benko und seinen Stiftungen zustehen, so Haselsteiner. Denn: "Geiwitz ist bekannt als erfahrener Sanierungsexperte, er kennt die Signa schon gut und genießt das Vertrauen aller Beteiligten."

Warum dieser Wunsch nach dem Wechsel? Laut Haselsteiner solle dies "als Signal an alle Stakeholder nach außen verstanden werden, dass die Holding-Gesellschafter alle Interessen gleichermaßen berücksichtigt sehen wollen, unter anderem natürlich auch die Interessen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den operativen Gesellschaften".

Benkos Vorstellungen

"Ein zweites Kika/Leiner soll verhindert werden", begründet Haselsteiner den Wunsch der Investoren. Kika/Leiner – das ist jenes kriselnde österreichische Möbelhaus, das im Jahr 2018 von der Signa-Gruppe übernommen wurde. Benko wollte es auf Vordermann bringen, aber er scheiterte. Im heurigen Sommer meldete die Möbelkette Insolvenz an, nur wenige Tage nachdem sie Signa an neue Besitzer weiterverkauft hatte.

Was sagt Benko selbst zum Wunsch der Investoren? DER STANDARD hätte dies gern von der Signa-Gruppe erfahren, doch deren Sprecher reagiert nicht.

Haselsteiner indes sagt dazu, dass Benko "dem Wunsch zugestimmt, aber auch seine eigenen Vorstellungen deponiert" habe. Insbesondere sei es darum gegangen, "dass die Gesellschafter bei der Sanierung nach besten Möglichkeiten mitwirken, unter anderem auch in finanzieller Hinsicht".

Da die Strukturen der Signa komplex und die Interessenlage der Gesellschafter nicht einheitlich seien, "können diese Voraussetzungen erst in einigen Tagen geschaffen werden", sagt Haselsteiner.

Verhandlungen laufen

Das heißt, es laufen gerade Verhandlungen, unter welchen Bedingungen Benko dem Wunsch seiner Investoren nachzukommen bereit ist. Die zentrale Frage dabei ist, wie viel Geld Letztere bereit sind in die Signa zu stecken. Die Zeitrahmen, in dem definitive Entscheidungen fallen sollen, beträgt "einige Tage". Dies bestätigt neben Haselsteiner noch ein zweiter Kenner der Causa, der jedoch ungenannt bleiben möchte.

Ein weiterer Insider berichtet, ebenfalls anonym, dass der Wunsch der Investoren eine Befristung vorsieht. Benko solle sich demnach nicht dauerhaft zurückziehen und seine Stimmrechte abtreten, sondern lediglich für die kommenden 24 Monate. Überprüfen lässt sich die Information nicht; die Signa nimmt wie gesagt keine Stellung.

"Benko hat keine andere Chance mehr, als dem Wunsch nachzukommen, weil er dringend auf neue Zuschüsse seiner Gesellschafter angewiesen ist", sagt der Insider. Der Rückzug werde nicht nur die Person Benko selbst betreffen, sondern sich auch in Form von Personalrochaden in den Vorstandsetagen diverser Signa-Unternehmen auswirken. All jenen, die innerhalb der Signa stets loyal zu Benko gestanden sind, könnte es nun drohen, geschasst zu werden. "In der Signa jedenfalls herrscht Chaos."

Es gäbe eine einzige Möglichkeit, Benkos wahrscheinlichen Rückzug abzuwenden – aber die ist äußerst unwahrscheinlich: dass sich in Bälde ein potenter neuer Geldgeber findet, der sein Kapital in die Signa investiert und Benko sein Vertrauen schenkt. Doch ein Versuch in ebendiese Richtung scheiterte zuletzt vor ungefähr einem Jahr.

Mit Kurz in Abu Dhabi

Im Herbst 2022 begab sich Benko, wie DER STANDARD damals berichtete, auf Investorensuche in den Nahen Osten. Das Ziel war Mubadala, Staatsfonds des Emirats Abu Dhabi. Es soll bei den Gesprächen um potenzielle Geldspritzen für die Signa Sports United gegangen sein. Pikanterweise war bei Benkos Reise als Berater auch Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zugegen, dem generell enge Verbindungen zu Benko nachgesagt werden. Doch das Engagement kam nicht zustande.

Der einstige Immobilienkönig Benko, der sich der Investorengelder kaum erwehren konnte, geht nun also seiner Entmachtung entgegen. Die Fallhöhe ist beträchtlich. Wie konnte es so weit kommen? Vor allem hängt es damit zusammen, dass sich die Wirtschaftslage komplett gedreht hat. Die Zinsen, viele Jahre auf null, werden wegen der Inflation von den Zentralbanken stark angehoben. Dies bringt Immobilienkonzerne generell in Gefahr – und zwar umso mehr, je größer und riskanter die Geschäfte ausfallen. Denn dass die Zinsen auf jene Kredite steigen, mit denen die Konzerne Immobilien kaufen, macht die Objekte weniger rentabel – und mindert ihren Wert in den Bilanzen.

Als spezifisches Problem der Signa kommt noch Benkos Misserfolg im Handelsgeschäft hinzu. Seit einem Jahrzehnt bereits hat er es zu seinem Business erkoren, kriselnde Handelsketten billig zu erwerben und wieder herzurichten. Doch vom bereits erwähnten Kika/Leiner bis zu Galeria Kaufhof in Deutschland – stets scheiterte das Vorhaben.

Nun also steht für René Benko das Endspiel bevor. Einer Unternehmerpersönlichkeit, die gefeiert und umstritten war wie kaum eine andere, bleiben offenbar wenige Tage Zeit zu überlegen, wie sie jetzt weitermacht. (Joseph Gepp, Renate Graber, 3.11.2023)