Deutschland: Die Bundesregierung greift ein

In mehreren Städten Deutschlands, hier Berlin-Neukölln, gibt es Demos.
EPA/CLEMENS BILAN

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober ist die Zahl der antisemitischen Straftaten stark angestiegen. Das Bundeskriminalamt (BKA) zählte mehr als 2000 Vorfälle mit Bezug zum Krieg im Nahen Osten. Erfasst wurden vor allem Volksverhetzung, Sachbeschädigung, Landfriedensbruch und Körperverletzungen.

Propalästinensische Demos werden nicht nur in Berlin, sondern auch in München oder dem Ruhrgebiet abgehalten. Beim Berliner Verfassungsschutz bewertet man die Lage als "hochdynamisch und sehr emotionalisiert".

Einerseits will und kann man nicht alle Demonstrationen verbieten. So hat Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik gerade erst betont, dass in Berlin nicht alles untersagt wird, "was sich propalästinensisch versammeln möchte". Von 35 Pro-Palästina-Versammlungen seien seit dem 7. Oktober 18 genehmigt worden. Slowik: "Versammlungsfreiheit gilt, solange man keine Straftaten verübt."

Andererseits hat die Bundesregierung, die immer wieder betont, Israels Sicherheit sei deutsche "Staatsräson", nun eingegriffen. Gegenüber der Hamas wurde ein Betätigungsverbot ausgesprochen, das propalästinensische Netzwerk Samidoun verboten. Dieses hatte nur wenige Stunden nach dem Angriff auf Israel in Berlin-Neukölln Süßigkeiten an Kinder verteilt und den Überfall gefeiert.

Nicht gut kam in Berlin allerdings ein anderer
"Eingriff" an: Polizisten entfernten Plakate, die an von der Hamas verschleppte Geiseln erinnern. Der Grund:
Auf den Plakaten fehlte das Impressum. (Birgit Baumann, 3.11.2023)

Frankreich: 850 antisemitische Zwischenfälle

Trotz eines behördlichen Verbots wurde in Paris gegen Israel demonstriert.
IMAGO/Telmo Pinto / SOPA Images

Gehören propalästinensische Demonstrationen untersagt? An dieser Frage entzündet sich in Frankreich eine Debatte vor dem Hintergrund zunehmender antisemitischer Vorfälle. In Paris hatte die Polizei eine Kundgebung am vergangenen Samstag aus Sicherheitsgründen verboten. Trotzdem nahmen Tausende teil. Sie skandierten den Slogan: "Israel, hau ab, Palästina gehört nicht dir." Die Behörden sahen darin eine Infragestellung des Existenzrechtes Israels, ähnlich der in vielen europäischen Hauptstädten skandierten Devise: "From the river to the sea, Palestine will be free."

Dass die Regierung in Paris so genau hinhört, hat auch mit ihrer Sorge zu tun, dass die Slogans in den vorwiegend propalästinensischen Einwanderervierteln übernommen werden könnten. Laut Premierministerin Elisabeth Borne kam es in Frankreich seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober zu über 850 antisemitischen Zwischenfällen. Die jüdische Gemeinschaft Frankreichs – die größte Europas – spüre "das Gewicht der Angst", erklärte Borne. Frankreich stehe in der "Pflicht, alle Juden im Land zu schützen".

Vor allem in und um Banlieue-Gebiete wagen sich Juden oft nicht mehr mit Kippa auf die Straße. Im Großraum Paris tauchen judenfeindliche Graffitis an Hauswänden auf.

In Südfrankreich hat die Polizei diese Woche einen Imam bei seiner Einreise aus Saudi-Arabien in Gewahrsam genommen. Er soll auf Facebook antisemitische und terrorverherrlichende Aussagen gemacht haben. Ihm droht die Ausweisung. (Stefan Brändle, 3.11.2023)

USA: Universitäten als Hotspots

Der Nahostkonflikt ist auch in den USA Thema, vor allem an den Hochschulen.
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Die Cornell University in Ithaca im US-Bundesstaat New York geriet besonders stark in den Fokus: Zunächst nannte ein Geschichtsprofessor den Terrorangriff der Hamas auf Israel "erfrischend" und "anregend". Dann wurde ein 21-jähriger Student verhaftet, weil er online gedroht haben soll, "ein Sturmgewehr auf den Campus zu bringen" und alle Juden zu ermorden.

Doch auch viele andere Universitäten in den USA wurden zu Hotspots teils heftig ausgetragener Konflikte rund um den Krieg zwischen Israel und der Hamas. So haben etwa Geldgeber ihre Unterstützung für angesehene Unis eingestellt, weil sie diesen mangelndes Engagement gegen Antisemitismus vorwerfen.

An mehreren Hochschulen berichten Lehrende wie Studierende von einer vergifteten Atmosphäre: Kund­gebungen auf dem Campus ließen oft nicht mehr den Raum für jene Debattenkultur, die man sich im universitären Umfeld wünschen würde. Dabei sind aber Fälle wie jene an der Cornell University eher die Ausnahme als die Regel.

"Wir haben eine Diskussionsveranstaltung für den gesamten Campus organisiert", erzählt Barbara Franz, aus Österreich stammende Politik-Professorin an der Rider University in New Jersey. Studierende hätten sich dort durchaus kritisch mit dem Geschehen auseinandergesetzt. Meist seien derlei Debatten allerdings "fast tabu", sagt Franz: Viele hätten Angst, als antisemitisch oder islamophob abgestempelt zu werden.

Extremistische Parolen und ängstliches Schweigen: An US-Unis liegt beides oft sehr nah beisammen. (Gerald Schubert, 3.11.2023)