Die Finanzen von René Benkos Signa-Gruppe sind extrem intransparent, aber eines scheint festzustehen: Bis Jahresende braucht der Konzern hunderte Millionen Euro von seinen Investoren, um nicht pleitezugehen.

Der Jahresabschluss 2022 der Signa Prime Selection, der nun im Firmenbuch veröffentlicht wurde – die Prime ist ein Herzstück im Benko-Konstrukt –, weist einen Verlust von 1,019 Milliarden Euro aus. "Deutlich gestiegene Energie- und Baukosten" und "gestiegene Refinanzierungskosten" hätten "zu einem erhöhten Abwertungsdruck auf Immobilien geführt", heißt es nüchtern. Tatsächlich kämpft der Immobilien- und Handelskonzern Signa – bisher unter Europas schnellstwachsenden derartigen Unternehmen, gefeiert als Aufstiegsgeschichte – um sein wirtschaftliches Überleben.

Im Jahr 2021 hatte die Prime Selection noch einen Gewinn von rund 700 Millionen Euro erwirtschaftet. Seither sind die Kosten für die Rückführung von Krediten immens gestiegen: 2021 waren es 192 Millionen Euro, 2022 bereits 684 Millionen Euro. Laut dem Abschluss hat es bereits im Vorjahr eine Kapitalerhöhung von 750 Millionen Euro gebraucht, um die Belastungen noch zu bewältigen.

René Benko, hier bei einer Veranstaltung im März in Deutschland, ist mit großen Problemen konfrontiert.
René Benko, hier bei einer Veranstaltung im März in Deutschland, ist mit großen Problemen konfrontiert.
Marcel Kusch / dpa / picturedesk

Vergangenen Donnerstag wurde bekannt, dass schwerreiche Signa-Investoren, darunter Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner und Fressnapf-Gründer Torsten Toeller, Benkos Rückzug von der Konzernspitze fordern. Ein deutscher Sanierungsexperte namens Arndt Geiwitz soll übernehmen. "Ein zweites Kika/Leiner soll verhindert werden", sagte Haselsteiner am Freitag im STANDARD. Und: Benko habe grundsätzlich "zugestimmt", wenn auch "seine eigenen Vorstellungen deponiert". Laut manchen Medienberichten ist der Rückzug gar bereits erfolgt. Jedenfalls wird die Entscheidung für die kommenden Tage erwartet. Die Signa reagiert nicht auf STANDARD-Anfragen. Was aber bedeutet es, wenn Geiwitz auf Benko folgt? Signa-Insider liefern, zumeist anonym, ein Bild der Lage.

Die Folgen für das Unternehmen Signa

Der Signa mit zuletzt rund 27 Milliarden Euro Bilanzsumme steht wohl ein harter Abverkauf bevor. Durch kontrolliertes Veräußern des Vermögens soll die Pleite verhindert werden. Um Zeit dafür zu gewinnen, bekommt die Signa – als Gegenleistung für Benkos Rücktritt – neues Geld von ihren Investoren. Wie viel und unter welchen Bedingungen, darüber wird verhandelt.

Ehe Geiwitz mit seiner eigentlichen Arbeit beginnen kann, muss er sich erst einen Überblick über den Konzern verschaffen – und das gilt als schwierig. Die Signa zergliedert sich unterhalb ihrer beiden Hauptschienen Immobilien und Handel (siehe Grafik) in rund tausend einzelne Firmen. Selbst Benko persönlich tue sich hier schwer, noch den Überblick zu behalten, behauptet ein Kenner.

Unterhalb der beiden Hauptschienen
Unterhalb der beiden Hauptschienen "Immobilien" und "Handel" verzweigt sich die Signa-Gruppe in rund tausend einzelne Unternehmen.
STANDARD

Geiwitz, dem der Ruf als seriöser Fachmann und Verwalter vorauseilt, hat immerhin einen Startvorteil: Schon vor einigen Wochen hat ihn Benko als Sanierungsexperten zur Signa geholt. Geiwitz "kennt die Signa gut", sagt Haselsteiner. Was den Erfolg des Abverkaufs betrifft, gelten die Aussichten dennoch als gemischt. Marktkenner sehen durchaus Käuferpotenzial etwa bei Büroimmobilien in guten Stadtlagen. Bei anderen Signa-Geschäftsfeldern hingegen, etwa Luxushotels, gestalte sich die Lage viel schwieriger, so ein Insider. In welcher Form die Signa weiterbestehen wird, lässt sich derzeit nicht abschätzen.

Die Folgen für Benko selbst

Benko wird wohl seine Funktion als Chef des Signa-Holding-Beirats verlieren, von der aus er aktuell die Fäden zieht – stattdessen kommt Geiwitz. Darüber hinaus verliert Benko die Stimmrechte, über die er als Signa-Mehrheitseigentümer mittels seiner Stiftungen verfügt. Auch sie sollen treuhändisch von Geiwitz ausgeübt werden. Ein Insider berichtet dem STANDARD von einer angeblichen Befristung. Demnach solle Benko nicht dauerhaft seine Stimmrechte verlieren, sondern nur die nächsten 24 Monate. Überprüfen lässt sich dies jedoch nicht.

Ein weiterer Aspekt: Im Firmenbuch finden sich einzelne Unternehmen aus dem Signa-Reich, die zwar "Signa" im Namen tragen, aber faktisch nur begrenzt zur Signa zur zählen. Da wäre beispielsweise die Signa At 2020 Vier KG, die unter anderem ein Luxus-Chalet im Vorarlberger Lech hält. Hier scheint der Signa-Manager und enge Benko-Vertraute Marcus Mühlberger als persönlich haftender Gesellschafter auf. Über dieses und ähnliche Unternehmen dürften Benko und seine engsten Tiroler Vertrauten die Kontrolle behalten.

Die Folgen für die Medien

Die Medienbeteiligungen zählen zu den umstrittensten Geschäften Benkos. Seit 2018 besitzt er einen 49-Prozent-Anteil an jener Auslandstochter der deutschen Funke-Mediengruppe, in der wiederum die Funke-Hälftebeteiligungen an Kurier und Krone gehalten werden. Zudem gehören Benko Anteile an der deutschen Ostthüringer Zeitung. Innerhalb des Signa-Konstrukts sind diese Beteiligungen laut Firmenbuch und Funke-Presseaussendungen direkt der Signa-Holding zugeordnet, also der obersten Ebene. Heißt, es ist eben jener Bereich, der nun von Benko an Geiwitz übertragen werden soll. (Joseph Gepp, 6.11.2023)