Am 1. November bestätigte die Nasa, dass ihre Raumsonde Lucy wie geplant erfolgreich an Dinkinesh vorübergeflogen ist, einem mehrere hundert Meter großen Brocken im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Die US-Raumfahrtbehörde sprach von einem Meilenstein auf Lucys Reise, denn Dinkinesh ist der erste von insgesamt zehn Asteroiden, die die Sonde in den nächsten zwölf Jahren besuchen wird. Doch bereits bei dieser ersten Passage erlebten die Forschenden eine Überraschung: Der Felsen besitzt seinen eigenen winzigen Mond, der bisher aufgrund seiner engen Umlaufbahn nicht als solcher erkannt worden war.

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Die von der Nasa-Raumsonde Lucy aufgenommenen Bilder bestätigen, dass der rund 800 Meter durchmessende Asteroid Dinkinesh eigentlich ein Doppelasteroid ist und von einem rund 220 Meter großen Brocken umkreist wird.
Foto: NASA/Goddard/SwRI/Johns Hopkins APL/NOIRLab

Blick in die Vergangenheit

Die vor zwei Jahren gestartete Lucy-Mission ist Teil des ehrgeizigen Bestrebens der Nasa, die Geheimnisse der Vergangenheit unseres Sonnensystems zu lüften. Hauptziel der Sonde sind sogenannte Jupiter-Trojaner – Asteroiden, die die Sonne auf der gleichen Bahn wie der Jupiter umkreisen und gravitativ an den Gasriesen gebunden sind. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter halten die Trojaner für uralte Relikte aus der Zeit, als die Planeten entstanden sind.

Der Vorbeiflug von Lucy an Dinkinesh kann im Rahmen der Mission als Probelauf betrachtet werden, da viele Instrumente der Raumsonde dabei erstmals getestet wurden, darunter eine hochauflösende Kamera und ein Infrarotspektrometer. Es dauert mehr als eine Woche, bis alle Daten von den Instrumenten zur Erde übertragen und analysiert werden – die ersten Ergebnisse sorgten nun für Staunen beim Nasa-Team: Dinkinesh ist offensichtlich nicht allein im All unterwegs.

Rätselhafte Mehrfachasteroiden

Die Entdeckung, dass der Asteroid von einem kleinen Mond begleitet wird, deutet darauf hin, dass es viel mehr Doppelasteroiden geben könnte, als man angenommen hat. Die neue Erkenntnis könnte dabei helfen zu verstehen, wie Objekte im Sonnensystem wachsen und interagieren. Schon früher konnten Asteroiden mit einem oder mehreren Begleitern beobachtet werden, aber es war bisher weitgehend unklar, wie viele von ihnen genau in gebundenen Gruppen existieren.

"Wir haben viele Asteroiden aus der Nähe gesehen, und man könnte meinen, dass es nur noch wenig zu entdecken gibt, was uns überraschen könnte", sagte die Planetenforscherin Simone Marchi vom Southwest Research Institute (SwRI), die am Lucy-Projekt beteiligt ist. "Das hat sich nun als Irrtum erwiesen. Dinkinesh und sein rätselhafter kleiner Mond unterscheiden sich auf interessante Weise von den erdnahen Asteroiden ähnlicher Größe, die von Raumsonden wie Osiris-Rex und Dart untersucht wurden."

Enger Tanz

Als sich Lucy in den vergangenen Wochen Dinkinesh näherte, lieferten die zur Erde gesendeten Bilder bereits einen ersten Verdacht. Die Helligkeit des Asteroiden änderte sich ständig, was als Zeichen dafür gewertet wurde, dass ein zweites Objekt auf einer Umlaufbahn den Himmelskörper ab und zu abdunkelt. Aber erst jetzt konnten diese Vermutungen bestätigt werden: Als Lucy mit einer Geschwindigkeit von 16.100 Kilometern pro Stunde an Dinkinesh vorbeiflog, waren tatsächlich zwei getrennte Objekte zu erkennen, die in einem engen orbitalen Tanz umeinander kreisen.

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Lucy hat noch einiges vor: In den nächsten Jahren soll die Nasa-Sonde noch mindestens neun weitere Asteroiden aus der Nähe untersuchen.
Illustration: Goddard Space Flight Center/Conceptual Image Lab/Adriana Gutierrez

Nach bisherigen Messungen misst der größere Brocken an seiner breitesten Stelle etwa 790 Meter, während der kleinere einen Durchmesser von rund 220 Metern aufweist. "Wir wussten schon vorher, dass Dinkinesh das kleinste Objekt des Asteroidengürtels sein würde, das bisher aus der Nähe beobachtet wurde", sagte Keith Noll vom Goddard Space Flight Center der Nasa. "Die Tatsache, dass es zwei sind, macht die Beobachtung noch aufregender. In mancher Hinsicht ähneln diese Asteroiden dem erdnahen Doppelasteroiden Didymos und Dimorphos, der im Rahmen der Dart-Mission beschossen worden war. Aber es könnte einige wirklich interessante Unterschiede geben, die wir noch untersuchen werden."

"Wunderbare" Lucy

Noch sind nicht alle Daten der Begegnung von Lucy mit Dinkinesh bei der Bodenstation angekommen. Die Forschenden hoffen daher auf weitere spannende Informationen über das binäre Asteroidensystem. Als Nächstes wird die Sonde zur Erde zurückkehren, um mithilfe eines Swing-by-Manövers auf ihr zweites Asteroidenziel zuzusteuern: 52246 Donaldjohanson – benannt nach dem amerikanischen Paläoanthropologen Donald Johanson, dem Mitentdecker des Lucy-Fossils.

Die weltbekannten frühmenschlichen Überreste aus Äthiopien standen Pate für die Lucy-Mission. Der erste besuchte Asteroid passt hier namensmäßig ebenfalls ins Bild: "Dinkinesh" ist ein alternativer Name für Lucy. Er stammt aus der äthiosemitische Sprache Amharisch und bedeutet "Du Wunderbare". (Thomas Bergmayr, 6.11.2023)