Die Zeit drängt – die Turbulenzen im verschachtelten Handels- und Signa-Imperium René Benkos bleiben derzeit hinter fest verschlossenen Türen. Dem Vernehmen nach soll diesen Dienstag bekanntgegeben werden, wie es weitergeht. Benko wurde ja von Gesellschaftern gebeten, als Beiratsvorsitzender zurückzutreten und die Stimmrechte aus seinen Anteilen zumindest zeitlich zu übertragen – Eingeweihte gehen davon aus, dass er dies nun tun und bekanntgeben wird. Im Unternehmen selbst stehe derzeit alles still, heißt es, Benko sei "auf Tauchstation" gegangen, hebe auch das Telefon nicht ab.

Schweigen allerorten: Beiratsmitglied und Signa-Prime-Aufsichtsratsvorsitzender Alfred Gusenbauer war am Montag für eine Stellungnahme nicht erreichbar, dasselbe galt für andere Mitglieder des Signa-Beirats. Signa-Investor Hans Peter Haselsteiner hatte am Freitag im STANDARD-Interview erklärt, dass Benko einem Rückzug grundsätzlich "zugestimmt", wenn auch "seine eigenen Vorstellungen deponiert" habe.

Das Chrysler Building in New York
Beste Innenstadtlage, weltbekannt: Das Chrysler Building in New York gehört zum Signa-Reich.
AFP/TIMOTHY A. CLARY

Dazu dürfte gehören, dass die Gesellschafter noch einmal Geld einschießen. Wie hoch der Kapitalbedarf ist, ist unklar. Derzeit arbeitet sich der deutsche Sanierer Arndt Geiwitz durch die Bücher des komplexen Immobilen- und Handelsimperiums. Niemand außer Benko habe jede Zahl im Kopf, sagen Insider, er habe immer den Überblick.

Schulden und Werte

Über Schulden und Werte in den Gesellschaften scheint derzeit kaum jemand einen genauen Überblick zu haben. Der kolportierte Kapitalbedarf von bis zu 400 Millionen Euro sofort dürfte nicht reichen. Im Jahr 2023 sind laut Berechnungen des Finanzombudsteams um Gerald Zmuegg Kredittilgungen und Zinsen in Höhe von rund 506 Millionen Euro fällig. Was die Schulden betrifft, so gehen sie jedenfalls in die Milliarden. 10,8 Milliarden weist alleine die Bilanz 2022 für den größten Teilkonzern, die Signa-Prime-Gruppe, aus. Die kreditgebenden Banken in Österreich – in der Hauptsache Raiffeisen und Bank Austria – haben rund zwei Milliarden Euro in den Büchern.

In der Immobilienbranche geht man davon aus, dass die Signa-Gruppe zerteilt werden wird. Eine Insolvenz werde man wohl vermeiden, um weiterhin die Kontrolle über das Schicksal des Unternehmens und seiner zahlreichen Tochtergesellschaften zu behalten. Eingeweihte gehen davon aus, dass Projektgesellschaft für Projektgesellschaft auf den Prüfstand kommt, Interessenten für die Immobilien (die eben in den Projektgesellschaften stecken) gebe es genug. Auch die Baustellen – wie der Elbtower in Hamburg – würden Abnehmer finden. Allenfalls müssten die neuen Eigentümer neue Nutzer und Mieter finden – was angesichts der Situation auf den Immobilienmärkten keine einfache Aufgabe sei, wie ein Immobilienexperte erklärt.

Angespannte Lage

Dass, wie da und dort medial kolportiert, ein neuer Investor Millionen in die Hand nimmt und in die angeschlagene Gruppe steckt, glaubt er nicht, dazu sei die Lage des Unternehmens und jene des Immobilienmarkts zu angespannt. Einer hat schon abgewunken. Der in der Schweiz wohnende Logistikunternehmer Klaus Michael Kühne wurde etwa als Kandidat gehandelt, als Signa-Investor in größerem Stil einzuspringen. "Die Kühne-Holding ist lediglich an dem einen oder anderen Gespräch über Teil- oder Gesamtlösungen in Sachen Signa Prime am Rande beteiligt", sagte Kühne zum Hamburger Abendblatt.

René Benko
René Benko hat mithilfe seiner Geldgeber ein gewaltiges Imperium aufgebaut.
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Die Signa Prime Selection AG hat ja wie berichtet im Jahr 2022 noch eine Kapitalerhöhung von 750 Mio Euro bekommen, gemäß Lagebericht zählten ihre Immobilien "aufgrund stabiler Mieterträge und exzellenter innerstädtischer Lagen ... zu nachgefragten Anlageobjekten". Im Sommer 2022 war Signa Prime noch auf Einkaufstour und hat "ihr Innenstadtportfolio im Vereinigten Königreich erweitert", indem sie mit der Central Group zwei Selfridges-Immos im Gesamtwert von rund 3,5 Milliarden Euro erwarb. Damals liefen auch die Baustellen noch rund, wie im Lagebericht nachzulesen ist, nachdem die Behörden etwa für das Kaufhaus Lamarr an der Wiener Mariahilfer Straße, die Hauptwache in Frankfurt, den Elbtower in Hamburg oder den Palazzo Bauer in Venedig Baugenehmigungen ausgestellt hätten, "laufen Bautätigkeiten in vielen Projekten bereits auf Hochtouren". Für den Elbtower etwa habe man vier neue Mieter gewonnen, dessen Erwerb habe man unter anderem "aufgrund der hervorragenden Vermietungsquote abschließen können". Inzwischen steht die Baustelle bekanntermaßen still.

Die Prognose sah bei der Erstellung der 2022er-Zahlen so schlecht nicht aus, "sofern sich der Immobilienmarkt in naher Zukunft wieder erholt und eine Rezession in Europa abgewendet werden kann, kann wieder mit gesteigerten Jahresüberschüssen gerechnet werden", heißt es in der im Firmenbuch hinterlegten Unterlage. Das Ergebnis vor Steuern verschlechterte sich auf minus 1,2 Milliarden Euro — laut Abschlussprüfer KPMG war das "im Wesentlichen" auf die Verschlechterung von Bewertungsergebnissen zurückzuführen.

Finanzexperte Zmuegg findet den Umstand schade, dass der "Konflikt zwischen den Gesellschaftern" öffentlich ausgetragen werde. Das schade allen, auch den Investoren. (Renate Graber, Regina Bruckner, 6.11.2023)