Van der Bellen bei einer Pressekonferenz im Rahmen des Besuchs von Israels Präsident Isaac Herzog in Wien im September.
Van der Bellen bei einer Pressekonferenz im Rahmen des Besuchs von Israels Präsident Isaac Herzog in Wien im September.
IMAGO/Rudi Gigler

Wels/Wien – Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei der Kundgebung der Welser Initiative gegen Faschismus (Antifa) im Gedenken an die Novemberpogrome die "immerwährende Verantwortung" Österreichs eingemahnt. "Angesichts der schrecklichen, barbarischen Taten, die auf unserem Boden an Jüdinnen und Juden verübt wurden", sei es die Pflicht der Republik und ihrer Vertreterinnen und Vertreter, "entschieden und aus tiefster Überzeugung gegen jede Form von Antisemitismus aufzutreten".

In der Nacht auf den 10. November 1938 waren Synagogen in Österreich in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte geplündert und Juden und Jüdinnen misshandelt worden. Van der Bellen erinnerte bei der traditionellen Feier Montagabend vor dem jüdischen Mahnmal im Pollheimerpark in Wels daran, wie Nazihorden vor 85 Jahren "von deren Führung wohlorchestriert" gewütet haben. "Viele, zu viele haben weggesehen oder sogar zustimmend gejohlt, als die Verbrechen begangen wurden."

"Antisemitismus hat hier keinen Platz. Hass hat hier keinen Platz", betonte Van der Bellen die daraus erwachsende Verantwortung Österreichs. Dabei sei es egal, ob es sich "um den alteingesessenen Antisemitismus handelt, der uns auch aus dunklen Winkeln und stickigen Kellern unseres Landes immer wieder entgegenschlägt," oder "um islamistisch oder antiisraelisch motivierten Antisemitismus, wie er jetzt mancherorts manifest wird". Äußerungen, die Israel das Existenzrecht absprechen, dürften ebenso wenig toleriert werden wie Anschläge auf jüdische Einrichtungen oder Herabwürdigungen der israelischen Flagge, mahnte das Staatsoberhaupt und betonte: "Jüdinnen und Juden sind ein Teil Österreichs und müssen sich hier sicher und zu Hause fühlen können."

Van der Bellen: "Hamas ist eine Terrororganisation"

"Unsere Antwort auf Antisemitismus jeglichen Ursprungs muss hart und klar und unmissverständlich sein. Wer in Österreich lebt, wer in Österreich leben will, kommt nicht nur in den Genuss der Menschenrechte, sondern für ihn und sie gelten auch Menschenpflichten." Wer glaube, "die herrschende Toleranz für Intoleranz nützen zu können, muss Konsequenzen tragen", so Van der Bellen.

Der Bundespräsident betonte, dass es für die Glaubwürdigkeit Österreichs auch wichtig sei, Dinge zu benennen, und stellte klar: "Die Hamas ist eine Terrororganisation, deren Ziel die Auslöschung Israels ist, und nichts rechtfertigt ihre Taten." Der Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 "war ein sadistischer, abgrundtief schrecklicher Terrorakt", der nicht relativiert werden dürfe.

Die Kundgebung, die seit 25 Jahren stattfindet, gedenke nicht nur der Opfer des Holocaust, sondern rufe auch zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus in der Gegenwart auf, so Antifa-Vorsitzender Werner Retzl im Vorfeld – "leider ein hochaktuelles Thema". Er erinnerte daran, dass es im Vorjahr laut Justizministerium knapp 2.400 Strafverfahren wegen NS-Wiederbetätigung und Holocaust-Leugnung gegeben habe und antisemitische Zwischenfälle nach dem Hamas-Überfall neuerlich zugenommen hätten.

Aufruf an die Jugend

Martin Kamrat, Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde Linz, sagte, dass es ihm beim diesjährigen Gedenken besonders schwerfalle, die richtigen Worte zu finden. "Während wir hier gemeinsam gedenken, tobt in Israel ein Krieg, und es befinden sich immer noch 200 Menschen in Geiselhaft der Hamas", gleichzeitig steige weltweit "und leider auch in Österreich" der Antisemitismus. Kamrat appellierte an die Jugend: "Die junge Generation ist die Gestalterin der Zukunft. Sie sollte sich für eine Welt einsetzen, in der die Schrecken der Vergangenheit nie wieder geschehen, für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit." Sie habe auch die Aufgabe, die Erinnerung lebendig zu halten. Bei der Gedenkfeier übernahmen das Schülerinnen und Schüler des BRG Wallerer Straße: Sie schilderten Schicksale von Welser Holocaust-Opfern.

Das Parlament gedenkt am Donnerstag im Nationalratssaal der Novemberpogrome. Die Eröffnungsrede hält Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), eine Video-Grußbotschaft kommt von Amir Ohana, dem Präsidenten der israelischen Knesset. Auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, wird anwesend sein. Zuvor werden Vertreter der Bundesregierung an der Shoah-Namensmauer in Wien einen Kranz niederlegen. Wegen des Nahostkonflikts werden bei allen Feierlichkeiten heuer verstärkte Sicherheitsmaßnahmen getroffen. (APA, red, 6.11.2023)