Die neue Wirklichkeit des Wirtseins ist offenbar der Feierabend. Sogar das Steirereck am Pogusch, quasi der Bannerträger der heimischen Ausflugslokalszene, muss seit neuestem am Sonntag zusperren. Das Ausflugslokal hat am Ausflugstag geschlossen, weil auch der Paradebetrieb keinen Ausweg aus der wahren Krise der Gastronomie weiß – dem Personalmangel. Es lassen sich nicht mehr genug Köchinnen und Kellner finden, die hackeln wollen, wenn ihre "normal arbeitenden" Bekannten Freizeit haben.

Endlich ist auch der 20. im Kommen, hier in Gestalt von Le Petit Jeudi, an der hellen Ecke, wo zuvor die Wohnküche war.
Endlich ist auch der 20. im Kommen, hier in Gestalt von Le Petit Jeudi, an der hellen Ecke, wo zuvor die Wohnküche war.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Was man daraus schließen kann? Dass in Zukunft eben die Tagesfreizeit zum geselligen Essen und Trinken genutzt werden muss. In naher Zukunft werden gleich mehrere Lokale eminenter Köchinnen und Köche aufsperren, in denen das Abendessen nur bedingt Thema ist. Im Petit Jeudi, einem neuen Lokal in der Brigittenau, gibt es neben feinem Essen einen beachtlichen Weinkeller – abends aber geht das Licht schon um 19 Uhr aus.

Paul Schödl, zuletzt Küchenchef im Sommelierrestaurant Mast in der Porzellangasse, hat mit der ehemaligen Wohnküche des bayerischen Kochs Andreas Brunner sein erstes eigenes Lokal aufgemacht. Notiz am Rande: Auch Brunner hat sich aus der Gastronomie verabschiedet, er ist jetzt Lehrer an einer Berufsschule – mit unvergleichlich menschlicheren Arbeitszeiten, als sie ein Wirt für sich in Anspruch nehmen dürfte. Das Personal scheint jedenfalls zufrieden, beim Mann hinter der Budel steht "Anti Dinner Breakfast Club" auf dem T-Shirt.

"Um 19 Uhr ist bei uns Sperrstunde", sagt Schödl, "wir fokussieren auf gutes Frühstück – und ganz generell auf Gäste, die sich auch untertags etwas Gutes tun wollen." Die Weinkarte ist beachtlich, noch mehr bei den Bouteillen als beim offen verfügbaren Angebot. Jetzt müssen sich nur noch die Gäste überreden lassen, ihre Ausgeh-Gewohnheiten den Wünschen der Wirte und des Personals anzupassen.

Gulasch mit viel Saft und einem reschen Semmerl.
Gulasch mit viel Saft und einem reschen Semmerl.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Aufwendige Eierspeisen spielen – auch wenn sie als notorisch schwierige Weinbegleiter gelten – eine wichtige Rolle auf der Karte. Es gibt ein "over easy" gebratenes Ei, das mit Grünkohlcreme und Schnittlauch auf einen hoch aufgegangenen, in ordentlich Butter ebenso knusprig wie luftig gebackenen Pfannkuchen aus Germteig gebettet und mit reichlich Bottarga zugehobelt wird, sehr guter Start. Rührei, mit gebratener Salsiccia zwischen zwei English-Muffin-Hälften gepackt, ist noch deutlicher auf Frühstück gepolt, aber auch sehr gut – vor allem wegen der hierorts seltenen, in diesem Fall Joseph Brot geschuldeten Freude, einen wirklich guten Breakfast-Muffin unters Ei geschoben zu bekommen.

Kimchi und Käse

Beef Tartare von der trocken gereiften Huft ist im Vergleich nicht so überzeugend, trotz guter Fleischqualität. Die darüber verstrichene "Sourcreme" ist zwar hübsch käsig, aber wirklich sehr sauer, in der Kombination mit Senfkaviar ergibt das ein wenig ausbalanciertes Geschmacksbild. Viel besser: Waffel aus Erdäpfelteig, die mit richtig köstlichem, dank reichlich Gochujang, Knofl und Ingwer ziemlich original koreanisch anmutendem Kohlsprossen-Kimchi belegt und mit Reibkäse (konkret Belper Knolle) beschneit ist – deftig, knackig, sehr belebend.

Schnitzelbrot klingt nicht nach echter Küche. Wenn das Schnitzel aber so schulmäßig souffliert ist wie hier, nicht zu dünn geschnitten noch dazu und auf knuspriges Joseph-Brot mit einer Creme aus Petersilie und schwarzem Knoblauch gebettet – dann ist es wirklich fast ein Essen. Bisserl was Frisches, Gemüsiges wär halt gut gewesen. Bei der geschmorten Wade, einer prächtigen Scheibe in wirklich gutem Gulaschsaft, übernimmt das der gegrillte und geschälte Paprika mit einem Hauch Salzzitrone. Spätestens jetzt muss ein Bier her. Dass es das maximal im Seidl gibt, dürfte in der Brigittenau aber einzigartig sein. (RONDO, Severin Corti, 10.11.2023)