Angesichts massiv eingebrochener Werbeumsätze versucht sich Twitter/X-Chefin Linda Yaccarino derzeit an so etwas wie einer Charmeoffensive. So war sie unlängst extra nach London gereist, um der britischen Werbeindustrie zu versichern, dass die Bekämpfung von Hassinhalten oberste Priorität habe. Zudem war sie vor wenigen Tagen persönlich eingeschritten, um ein den Vernichtungsantisemitismus von Adolf Hitler preisendes Posting eines pakistanischen Politikers löschen zu lassen.

Elon Musk.
Elon Musk holt Rechtsextreme auf seinen Spielplatz zurück.
EPA/TOLGA AKMEN / POOL

Der eigentliche Twitter-Boss, Firmenbesitzer Elon Musk, zeigt unterdessen, was er von solchen Initiativen hält. Er hat offenbar persönlich dafür gesorgt, dass zwei bekannte britische Rechtsextreme wieder auf Twitter/X posten können, wie britische Medien berichten.

Rechtsextremer Schläger und Agitator

Einer davon ist Tommy Robinson, und damit einer der bekanntesten Namen der rechtsextremen Szene Großbritanniens. Er hatte unter anderem die Schlägertruppe English Defence League geleitet und ist mehrfach wegen allerlei Verbrechen aus sehr unterschiedlichen Bereichen wie Gewalt, Betrug und dem Versuch einer illegalen Einreise in die USA vorbestraft.

Robinson, der eigentlich Stephen Yaxley-Lennon heißt, wurde von Twitter bereits im Jahr 2018 verbannt. Dem war eine Fülle an hetzerischen, rassistischen und dabei vor allem islamfeindlichen Postings vorangegangen.

Die zweite Rückkehrerin ist Katie Hopkins, eine ehemalige Kolumnistin der Tageszeitung "Daily Mail", die nach zahlreichen rassistischen Postings – so hatte sie etwa Migranten als Kakerlaken bezeichnet – im Jahr 2020 von Twitter verbannt wurde.

Dank an Musk

Nun sind beide wieder zurück, und sie wissen offenbar, wem sie das zu verdanken haben. In ihren ersten Postings bedanken sich beide explizit bei Elon Musk für seine Unterstützung. So sieht sich Robinson als Opfer der Zensur und zeigt sich erfreut, "seine Stimme wieder zurückzuhaben". "Es gibt viel zu tun", beendet der rechtsextreme Agitator seinen Beitrag mit einem Statement, das von vielen mit einem Blick auf seine Vita wohl als Drohung gelesen werden könnte.

Dass Musk hier direkt eingeschritten ist, ist übrigens keine bloße Vermutung, es gibt nämlich ziemlich eindeutige Hinweise. Nachdem sich am 5. November ein X-User aus demselben Milieu über die Sperre von Robinson und Hopkins beschwert hatte, reagierte Musk mit der Frage nach deren Twitter-Namen. Kurz danach war Hopkins wieder zurück. Auf ein Posting, in dem dieser Umstand gefeiert wurde, reagierte Musk wieder persönlich mit dem Hinweis, dass die Anti-Hass-NGO Centre for Countering Digital Hate, die die Rechtsextremen für Hopkins' Sperre verantwortlich machen, eine "böse Propagandamaschine" sei.

Fragen, die sich Yaccarino stellen sollte

All das wirft zunehmend die Frage auf, wie lange Yaccarino wohl noch bereit ist, ihren Job in dieser Form weiterzumachen. Immerhin werden ihre Bemühungen, das Verhältnis zu Werbetreibenden zu verbessern, direkt von Twitter-Besitzer und Tesla-Chef Musk konterkariert. (apo, 7.11.2023)