Exakt zehn Jahre nachdem die innere Mariahilfer Straße an der Grenze von 6. und 7. Bezirk einen tiefgreifenden Wandel begann, setzt ihre vernachlässigte kleine Schwester im 15. Bezirk zur Mauserung an. Die äußere Mariahilfer Straße soll nun definitiv umgestaltet werden, gab Verkehrs- und Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) am Mittwoch bekannt. Zwar nicht ganz so grundlegend wie der innerstädtische Teil, der vom Gürtel bis zur Zweierlinie reicht. Aber doch wesentlich.

Wichtigste Änderung: Autos sollen den rund zwei Kilometer langen Abschnitt vom Gürtel zur Schlossallee künftig nicht mehr in beide Richtungen befahren, sondern nur noch stadtauswärts. Das soll Platz schaffen für Beete und Bäume, geräumigere Gehsteige und einen nach jetzigem Stand 3,5 Meter breiten Radweg. Laut der nun präsentierten Grobplanung ist er auf der derzeit stadteinwärts führenden Fahrspur vorgesehen, er soll in beide Richtungen befahren werden können – und den derzeit vorhanden Fleckerlteppich aus Fahrradstreifen, Mehrzweckstreifen und nicht vorhandener Radfahranlage ersetzen. Für die Straßenbahn bleibt alles beim Alten: Die vom restlichen Verkehr getrennten Schienen für den 52er und den 60er werden erhalten.

Für Radfahrende gibt es in der äußeren Mariahilfer Straße derzeit nur Rad- und Mehrzweckstreifen – wenn überhaupt.
Stefanie Rachbauer

Platz soll nicht nur durch den Wegfall einer Autospur entstehen, sondern auch durch die Wegnahme von Parkplätzen. Von wie vielen, wird bis Frühling 2024 feststehen. Dann solle eine Detailplanung vorliegen, die Umbauarbeiten im Sommer starten, erklärte Dietmar Baurecht (SPÖ), Vorsteher des 15. Bezirks. Da wird die Straße nämlich ohnehin aufgerissen, weil Wasserrohre getauscht werden müssen. Geplant sei, in mehreren Etappen umzubauen – wie zuletzt bei der Thaliastraße, die in zwei jeweils etwa ein Jahr dauernden Phasen neu gestaltet wurde.

Was bis dahin ebenfalls noch geklärt werden muss: verkehrsorganisatorische Änderungen in den umliegenden Grätzeln, die sich aus der neuen Einbahn ergeben. Mit einer positiven Auswirkung auf das Umfeld rechnen Stadt und Bezirk fix: In der Clementinengasse, einem Schleichweg von der äußeren Mariahilfer Straße zum Gürtel, soll es durch die neue Verkehrsführung künftig ruhiger werden.

Begegnungszone zu riskant

Das nun präsentierte Konzept ist der Schlusspunkt einer jahrelangen Debatte über den Straßenzug. Viele Ideen wurden bereits gewälzt und wieder verworfen. Zuletzt schlugen die Grünen nach Vorbild der inneren Mariahilfer Straße für die äußere eine Begegnungszone im Bereich der Ikea-Filiale beim Westbahnhof vor – am Mittwoch bekräftigten sie diese Forderung. Weiter stadtauswärts sollten sich nach grünen Vorstellungen Autos und Straßenbahn eine Spur teilen, die restliche Fläche all jenen zur Verfügung stehen, die mit dem Rad fahren oder gehen.

Die Autospur stadteinwärts fällt weg und wird zum Radweg. Die Straßenbahngleise in der Mitte bleiben, die Gehsteige werden vergrößert.
Stadt Wien, Illustration: Dialog Plus, Claudia Marschall, Foto: Mobilitätsagentur, Christian Fürthner

Die Option Begegnungszone sei auch für die äußere Mariahilfer Straße geprüft worden, sagte der Wiener Verkehrsplaner Andreas Käfer. Allerdings sah man letztlich aus Sicherheitsgründen davon ab. Denn: Die Verkehrsregeln besagen, dass Fußgängerinnen und Fußgänger in Begegnungszonen Vorrang gegenüber anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern haben – auch gegenüber Straßenbahnen. Der Bremsweg einer Straßenbahn sei aber schlicht zu lang, um das in der Realität umzusetzen, Gefahrensituationen quasi programmiert, gab Käfer zu bedenken.

Nur einen Teil der Straße zur Begegnungszone zu machen, wie von denen Grünen vorgeschlagen, ergibt für Käfer keinen Sinn: "Da kennt sich am Ende niemand aus." Daher die Einbahnlösung.

Befragung als Basis für Planung

Basis für diese ist eine Befragung durch Stadt und Bezirk, an der sich rund 2.500 Wienerinnen und Wiener beteiligten. 96 Prozent der Teilnehmenden wünschten sich demnach mehr Grün und Schatten für die äußere Mariahilfer Straße, 90 Prozent legten Wert auf attraktive Öffis, ebenso 90 Prozent sprachen sich für mehr Sicherheit für Radfahrende aus, und 91 Prozent plädierten für bessere Luft durch weniger Abgase. Diese Ergebnisse bildeten die Basis für die nunmehrigen Planungen.

In einer Befragung über die Zukunft der äußeren Mariahilfer Straße war der Wunsch nach Grün und Schatten am stärksten: 96 Prozent plädierten dafür.
Stadt Wien, Illustration: Dialog Plus, Claudia Marschall, Foto: Mobilitätsagentur, Christian Fürthner

Stadträtin Sima zeigte sich optimistisch, dass die präsentierte Lösung "gute Akzeptanz" finden werde. "Aber ja, es ist letztlich eine Verteilungsfrage." Sie erhofft sich von der Neugestaltung auch noch einen anderen Effekt: dass mehr Leben in die äußere Mariahilfer Straße einzieht. Während sich im innerstädtischen Teil Filialen großer Handelsketten an hippe Lokale reihen und viele Menschen unterwegs sind, ist es im Abschnitt außerhalb des Gürtels viel ruhiger und der Branchenmix ein deutlich anderer.

Wenn nicht Neubau, dann Rudolfsheim

173 Geschäftslokale zählte die äußere Mariahilfer Straße laut einer Auswertung der Wiener Wirtschaftskammer im Vorjahr. Den größten Anteil machte demnach der Handel aus: Ein Drittel der Geschäftslokale entfiel auf diese Kategorie. 17 Prozent waren Gewerbeflächen (etwa von Fotografen oder Floristen), 16 Prozent Gastronomie und zwölf Prozent Dienstleistungsbetriebe. Offiziell als leerstehend gemeldet war eine Räumlichkeit, tatsächlich wurden aber 24 Geschäftslokale augenscheinlich nicht genutzt.

173 Geschäftslokale hat die äußere Mariahilfer Straße, 24 oder 14 Prozent davon standen laut einer Erhebung der Wirtschaftskammer im Vorjahr leer.
Stefanie Rachbauer

Potenzial hat die Straße jedenfalls: Der 15. Bezirk ist laut Wirtschaftskammer bei Standortsuchenden der beliebteste unter den äußeren Wiener Stadtteilen. Rudolfsheim-Fünfhaus werde gerne als Alternative zu Mariahilf oder Neubau genutzt – die äußere Mariahilfer Straße befindet sich an deren Grenze. Gemessen an der Passantenfrequenz liegt die äußere Mariahilfer Straße unter den Top 15 der Wiener Einkaufsstraßen: In einer Frequenzzählung wurden donnerstags 7.253 Passantinnen und Passanten verzeichnet, samstags 7.662.

Die Eröffnung der Ikea-Filiale beim Westbahnhof vor zwei Jahren habe einen "sehr positiven Impuls für die äußere Mariahilfer Straße gegeben", sagt Peter K. Estfeller, Vertreter der Wirtschaftskammer und ÖVP-Mandatar im 15. Bezirk, zum STANDARD. Er plädiert zusätzlich für eine bessere Verbindung zwischen innerer und äußerer Mariahilfer Straße, etwa mit einer Brücke über den Gürtel. "Dies würde sich sicherlich extrem positiv auf beide Geschäftsstraßen auswirken." (Stefanie Rachbauer, 8.11.2023)